Waber, Leopold (1875–1945), Politiker

Waber Leopold, Politiker. Geb. Mähr. Neustadt (Uničov, CZ), 17. 3. 1875; gest. Wien, 12. 3. 1945; röm.-kath. Sohn des Prof. am Mähr. Neustädter Landesrealgymn. Leopold W. und dessen Frau Juliana W., geb. Nedozil; ab 1931 verehel. mit Mathilde W., geb. Sperl. – Nach dem Besuch des Gymn. in Kremsier begann W. 1894 ein Jusstud. an der Univ. Wien, welches er erst 1907 als Dr. iur. abschloss. Daneben trat er bereits 1898 in den Staatsdienst ein und engagierte sich im Ver. der Staatsbeamten, wofür er von Finanzminister →Witold v. Korytowski gemaßregelt wurde. Nach der Rehabilitierung durch Ministerpräs. →Max Frh. v. Beck trat W. erfolglos 1907 in Wien-Währing als Beamtenkandidat bei den RR-Wahlen an. 1911 mit Hilfe von sozialdemokrat. Stimmen in einer Stichwahl in das AH gewählt, schloss er sich mit dem von ihm gegr. Dt. Volksbund der Dt.radikalen Partei an, die auf ein Bündnis mit den Christl.sozialen setzte. Als Vorstandsmitgl. des Dt. Nationalverbands gelangte W. 1917/18 zu einigem Einfluss, entfremdete sich aber den Wr. dt.freiheitl. Abg., die großteils außerhalb des Nationalverbands verblieben. Diese isolierte Stellung kennzeichnete auch noch W.s Position innerhalb der Großdt. Volkspartei der 1. Republik, wo sein frühzeitiges Eintreten für eine feste Koalition mit den Christl.sozialen kritisiert wurde. Allerdings entsandte man ihn 1921 als Vertrauensmann der Großdt. in das Beamtenkabinett unter →Johannes Schober. Seine Tätigkeit als Innenminister (Juni 1921 bis Jänner 1922) endete jedoch vorzeitig durch den Bruch der Partei mit Schober, jene als Justizminister (Mai 1922 bis April 1923) unter →Ignaz Seipel durch die Reduktion des Kabinetts im Zuge der Genfer Sanierung. W.s Karrierehöhepunkt bildete die Vizekanzlerschaft unter →Rudolf Ramek vom November 1924 bis zu dessen Rücktritt im Oktober 1926. Danach wurde er in einer Kampfabstimmung gegen Heinrich Clessin zum Klubobmann der Großdt. Partei gewählt. Die damit gewohnheitsmäßig verbundene Position des 3. Nationalratspräs. behielt er bis 1930, selbst als bereits August Wotawa Klubobmann war. Als Tl. des Schober-Blocks ging er 1930 seines Mandats verlustig, weil Schober zu viele Quereinsteiger auf die Liste gesetzt hatte. In den Parteigremien entwickelte sich W. daraufhin zu einem scharfen Kritiker der Regierungspolitik, die im Zuge der Krise um die Creditanstalt die Beamten massiv in Mitleidenschaft zog. 1932 wurde auch HR W. im Rahmen der Abbaumaßnahmen vorzeitig pensioniert. Während des Ständestaats übte er keinerlei polit. Tätigkeit aus. Der NSDAP trat er im Juli 1938 bei. W. verknüpfte in seiner Person zwei Tendenzen der großdt. Politik der Zwischenkriegszeit, die meist in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinander standen: Die Orientierung am Bürgerblock bei gleichzeitiger Bindung an die Beamteninteressen erwies sich als eine Kombination, die aus W. wohl deshalb keine Integrationsfigur machte, weil ihn mit den meisten führenden Repräsentanten der Partei (Clessin, Franz Dinghofer, Wotawa) deutl. persönl. Antipathien verbanden.

L.: Adlgasser; Die Protokolle des österr. Ministerrats der Ersten Republik, bearb. G. Enderle-Burcel, Abt. IV, 1–4, 1991–2005, s. Reg.; L. Höbelt, Kornblume und Kaiseradler, 1993, s. Reg.; L. Höbelt, in: NÖ 1918 bis 1922, ed. W. Rosner, 2007, S. 101ff.; AdR, UA, beide Wien; Pfarre Uničov, CZ.
(L. Höbelt)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 69, 2018), S. 379
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