Wagner, Josef Franz (1856–1908), Militärkapellmeister und Komponist

Wagner Josef Franz, Militärkapellmeister und Komponist. Geb. Wien, 20. 3. 1856; gest. ebd., 5. 6. 1908 (ehrenhalber gewidmetes Grab: Wr. Zentralfriedhof). Sohn des aus Böhmen stammenden Arztes Joseph W. und der Maria Anna W., geb. Oberthanner, aus Mähren. – Auf den Namen Josef getauft, nannte W. sich später Josef Franz, um sich vom zeitgenöss. Komponisten Josef Wagner zu unterscheiden. W. wurde zunächst in der Gesangsschule von Henriette Kumenecker in Wien ausgebildet. Er besuchte 1869–73 das Stiftsgymn. in Seitenstetten und nahm dann in Wien Privatunterricht in Harmonie-, Kompositions- und Instrumentationslehre bei Johann Emmerich Hasel. 1872 schrieb er sein erstes Werk, „Dulde und verzage nicht“. 1874 trat W. in die Musikkapelle des IR Nr. 23 in Budapest ein, wo Philipp Fahrbach d. J. als Militärkapellmeister diente. 1876 debüt. er mit seiner Polka „Vom Schottenfelde“ im Gasthaus Zum grünen Tor in Wien-Josefstadt, bereits 1877 erschien in „C. M. Ziehrer’s Deutscher Kunst- & Musik-Zeitung“ (Nr. 44) ein Beitr. über ihn mit seinem Porträt auf der Titelseite. 1878–91 war er Militärkapellmeister bei den „47ern“ in Trient, Wien, Marburg und Graz. Von Trient aus fuhr die Kapelle auch nach Bozen zum Konzertieren. W. schrieb zahlreiche Tanzkompositionen und Märsche; sein erster großer Erfolg war der „Gigerl-Marsch“, von dem bis zur Jh.wende mehr als 300.000 Notenexemplare verkauft wurden. 1891 wechselte W. als Kapellmeister zum IR Nr. 49, das in Krems an der Donau, Mostar und Brünn stationiert war. Von Krems und von Brünn aus fuhr er oft mit seiner Kapelle mit der Bahn nach Wien, um dort zu konzertieren. An Sonn- und Feiertagen waren die „49er“ während der Wintersaison meist im Cur-Salon im Wr. Stadtpark zu hören. W.s Kapelle trat daneben in Wien in vielen Konzertlokalen auf, meist zwei- bis dreimal pro Woche. Dazu kamen während der Faschingszeit wöchentl. noch mehrere Bälle. In der Sommersaison spielte man die sog. Mittagskonzerte im Musikpavillon auf der Hotelterrasse auf dem Kahlenberg, die bis in die Nacht dauerten: zunächst mit Streichorchester, dann in Blasmusikbesetzung und zum Schluss wieder mit Streichern. 1899 quittierte W. den Militärdienst und gründete eine Privatkapelle, die nach einem Ber. in der „Wiener Theater- und Fremdenzeitung“ 1901 mit den besten Kapellen der Welt konkurrieren konnte. 1903 musizierte er mit ihr bei der Dt. Ausst. für Gewerbe, Ind. und Landwirtschaft in Aussig; sein „Erzherzog Ferdinand Carl-Marsch“ soll hier mehr als 860 Auff. erlebt haben. W.s Tätigkeit als privater „Musikdirektor“ war allerdings kein finanzieller Erfolg, häufte er doch große Schulden an. In den letzten Lebensjahren war er vermehrt krank, Anfang 1907 kam ein schweres Herzleiden dazu. Zeitgenöss. Ztg.berr. sprechen von 1.200 Kompositionen, die W. geschrieben haben soll, wobei diese Zahl wohl auch Bearb. mit einschließt. Nachweisbar sind heute noch 464 Werke, das Notenmaterial ist von 389 Stücken vorhanden. Komponiert hat W. neben sieben Bühnenwerken und zahlreichen Wr.liedern v. a. Tanzmusik, wobei allein der Wr. Walzer fast ein Fünftel seines Schaffens ausmacht. Bekannt wurde er jedoch mit seinen insgesamt 206 Märschen, die ihm bereits von Zeitgenossen den Titel eines (Wr.) Marschkönigs eintrugen: „Unter dem Doppel-Adler“ wurde der erfolgreichste Marsch, den jemals ein österr. Militärkapellmeister geschrieben hat: Schon Anfang des 20. Jh. wurden davon allein beim Wr. Musikverlag Robitschek mehr als 300.000 Exemplare verkauft; er wird noch heute weltweit gespielt. In Österr. werden auch seine Märsche „Tiroler Holzhacker-Buam“, „(Das) Schwert Österreichs“ und der „47er Regimentsmarsch“ von Blasmusikkapellen häufig aufgef. Teilnachlässe befinden sich in der Österr. Nationalbibl. und in der Wienbibl. im Rathaus.

Weitere W.: s. Anzenberger.
L.: oeml; Die Militär-Kapellmeister Oesterr.-Ungarns, ed. J. Damański, 1904, 4, S. 136ff. (m. B.); E. Anzenberger-Ramminger u. a., Märsche der k. u. k. Zeit, 2004; F. Anzenberger, Der Marschkönig J. F. W., 2006 (m. B. u. W.); KA, Wien.
(F. Anzenberger)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 69, 2018), S. 411
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