Waldes, Heinrich (Jindřich, Henry) (1876–1941), Großindustrieller und Kunstsammler

Waldes Heinrich (Jindřich, Henry), Großindustrieller und Kunstsammler. Geb. Nemyschel, Böhmen (Nemyšl, CZ), 2. 7. 1876; gest. Havanna (La Habana, C), 1. 7. 1941 (begraben: New York City, NY, USA); mos. Sohn von Karl W., Inhaber eines Gasthauses und eines Kurzwarengeschäfts in Nemyschel, und Anna Waldesová, geb. Hoffová, Bruder des Industriellen und Sammlers bibliophiler Drucke Sigmund W. (geb. Prag, Böhmen / Praha, CZ, 1877; gest. New York City, 18. 9. 1961), der als Ges. zunächst eine Niederlassung des Familienunternehmens in Dresden und nach seiner Flucht 1938 die Fabrik Waldes Kohinoor Inc. in Long Island City in New York leitete, Vater von George W. (geb. 10. 4. 1917; gest. 6. 6. 2013) und Milo W. (geb. 2. 5. 1919; gest. 30. 3. 2003) sowie Onkel von Harry W. (geb. Dresden, 5. 9. 1909; gest. 1983), die später das Familienunternehmen in New York weiterführten; ab 1914 verheiratet mit Hedvika (Hedwig) W., geb. Zemánková, der Tochter des Arztes Adolf Zemánek. – W. besuchte die Handelsschule und war zunächst Angestellter, später Geschäftsführer der Fa. Eduard Lokesch und Sohn in Prag. 1902 gründete er gem. mit dem Ing. und Mechaniker Hynek (Ignaz) Puc und dessen Söhnen Adalbert und Honoré Hynek Puc sowie Eduard Merzinger als Ges. die Fa. Waldes & Co. (ab 1905 Koh-i-Noor Metallwarenfabrik Waldes & Co.) zur Herstellung von Metallgegenständen und Verschlüssen aller Art, spezialisiert auf Druckknöpfe. W. benannte den bekanntesten Druckknopf nach dem Diamanten Koh-i-Noor. Zur Fa. mit Hauptsitz in Prag gehörten bald Filialen in Dresden (1904), Warschau (1908), Paris (1911), New York (1912), Wien (1920) und Barcelona (1921). W. arbeitete mit zahlreichen Modedesignern wie Jeanne Paquin und Christoph Drecoll zusammen. Er war außerdem leitendes Mitgl. der Dt. Demokrat. Freiheitspartei und verf. während der „Sudetenkrise“ einen Solidaritätsaufruf für Radio Prag. Der Emigration seiner Familie 1938 in die USA schloss sich W. nicht an. Im September 1939 wurde er von der Gestapo als polit. Häftling und Jude gefangen genommen und zunächst in Dachau und wenig später in Buchenwald inhaftiert. Die Fa. wurde enteignet und unter treuhänd. Führung gestellt. W. verbrachte aufgrund seines Gesundheitszustands einige Zeit im Häftlingskrankenbau und in einer psychiatr. Klinik, bis seine Familie um acht Mio. tschech. Kronen seine Freilassung erwirkte. Außerdem wurden sämtl. Ländereien, Betriebe und Patente überschrieben. Auf seiner Fahrt in die Vereinigten Staaten gelangte W. über Lissabon nach Havanna, wo er kurz nach seiner Ankunft verstarb. W. war auch Kunstsammler: Er gründete 1916 in Prag das Waldes- bzw. Knopf-Mus., heute Tl. des Uměleckoprůmyslové Muz., und sammelte v. a. Gemälde von František Kupka, mit dem er befreundet war. W. war Mitgl. im Verw.R. der Bohemia, Tschechoslowak. Auslandsbank, sowie der Motorfahrzeugfabrik in Jungbunzlau Laurin & Klement. Er finanzierte die Hrsg. von tschech. Übers. hebr. Gebetbücher und des Alten Testaments.

W.: Was wir in Amerika durch Reklame erzielten, in: Die Reklame. Ihre Kunst und Wiss. 2, 1914; Der Kleiderverschluss Arm-Amputierter und Arm-Beschädigter, in: Berr. aus dem Knopf-Mus. 2, 1917, H. 1.
L.: Hdb. der Emigration; Aufbau 7, 1941, Nr. 30, S. 10; G. Kisch, In search of freedom. A History of American Jews from Czechoslovakia, 1949, S. 157, 323; International Law Reports 29, 1966, S. 356f.; Kupka – W. Malíř a jeho sběratel, Praha 1999 (Kat.; auch engl.); U. Hahnemann, Die Geschichte der sächs. Knopfind., phil. Diss. Chemnitz, 2001, S. 302ff.; P. Šimon, J. W. – sběratel umění, 2001; R. Hirte – H. Stein, in: „Kämpferische Wissenschaft“. Stud. zur Univ. Jena im Nationalsozialismus, ed. U. Hoßfeld u. a., 2003, S. 372, 394; F. Aurich – N. Köhler, in: BIS – Das Magazin der Bibl. in Sachsen 2, 2013, S. 114f.; Still made in America. The Story of R. Slass and His Contribution to US Manufacturing, ed. J. Capello, 2016, S. 7ff.; Website Koh-i-Noor a. s. Praha (Zugriff 29. 11. 2017); Website Hamelika, Historie Mariánských Lázní a okolí (Zugriff 29. 11. 2017).
(S. B. Weiss)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 69, 2018), S. 441f.
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