Waldmüller, Ferdinand Georg; eigentl. Georg, nannte sich ab 1815 Georg Ferdinand, spätestens ab 1825 Ferdinand Georg (1793–1865), Maler

Waldmüller Ferdinand Georg, eigentl. Georg, nannte sich ab 1815 Georg Ferdinand, spätestens ab 1825 Ferdinand Georg, Maler. Geb. Alservorstadt, NÖ (Wien), 15. 1. 1793; gest. Brühl (Hinterbrühl, NÖ), 23. 8. 1865 (begraben: röm.-kath. Friedhof Wien-Matzleinsdorf); röm.-kath. Sohn von Georg W., Bedienter in der Alser-Kaserne, später Bierwirt (geb. Alsergrund, NÖ/Wien, 1. 9. 1760; gest. ebd., 9. 7. 1806), und Elisabeth W., geb. Wittmann (geb. Ried, Bayern / Ried im Innkreis, OÖ, 18. 1. 1764; gest. Alsergrund, 23. 1. 1849), Vater von →Ferdinand W., →Katharina Amalia W. (s. u. Katharina W.), Großonkel von →Friedrich Lach, Schwager des Malers Josef Weidner, weitläufig verwandt mit →Anton (v.) Perger; ab 1814 mit →Katharina W., geb. Weidner, verheiratet, 1822 geschieden, 1833 Scheidung aufgehoben, 1834 erneut geschieden, 1851 Eheschließung mit der Modistin Anna Bayer (geb. 1826; gest. Mödling, NÖ, 30. 8. 1897). – Nach anfängl. Lehre bei dem Blumenmaler Zintler stud. W. 1807–14 mit Unterbrechungen an der Wr. ABK, wo er mehrere Preise gewann, und verdiente seinen Lebensunterhalt mit dem Kolorieren von Kupferstichen und Konditorwaren. Die Ölmalerei lernte er später bei →Joseph Lange. Geschickt in dekorativen Pflanzenarrangements, wandte sich W. dennoch der aussichtsreicheren Porträtmalerei zu, wobei er mit Miniaturbildnissen begann. 1811 engagierte ihn →Ignaz Gf. Gyulai v. Maros-Németh u. Nádaska als Zeichenlehrer seiner Familie nach Agram, wo W. auch als Theaterdekorateur arbeitete und seine erste Frau kennenlernte, die er nach der Heirat auf ihren Engagements begleitete. 1817 kehrte das Ehepaar nach Wien zurück. Zweifellos profitierte W. von der erfolgreichen Karriere und den Verbindungen seiner Frau, doch widerstrebte ihm seine abhängige Stellung. Daher begann er sich mit der Landschaftsmalerei auseinanderzusetzen und trat in Kontakt zu →Johann Nep. Schödlberger. Außerdem kopierte er alte Meister, um sich techn. fortzubilden. Eine wichtige Stufe in seiner Entwicklung stellte das „Bildnis der Mutter des Hauptmanns von Stierle-Holzmeister“ (um 1819) dar, dem er eine oft überinterpretierte Schlüsselrolle für seine entschiedene Naturorientierung zuwies; weder Typus noch Realismus waren allerdings neu. Für W.s weiteres Porträtschaffen bedeutete Naturtreue zwar einen wichtigen Faktor, den er weiterentwickelte, aber nicht zum dominanten Prinzip erhob. Tatsächl. sprach er sich später auch gegen äußerl. Nachahmung aus und betonte den umfassenderen Begriff der „Wahrheit“, der weit mehr einschloss als das Phys.-Materielle. In W.s Kinderbildnissen verschwimmt demgemäß mitunter die Grenze zwischen Porträt und Genremalerei, der er sich in den frühen 1820er-Jahren ebenfalls zuwandte. Zugleich erweiterte er sein Typenrepertoire und bediente sich dabei sowohl hist. wie zeitgenöss., auch internationaler, Vorbilder. Erfolgreich war er bes. im Nischenporträt sowie in mehrfigurigen Darstellungen. 1825 und 1826 reiste W. nach Italien, 1826 nach Dresden. Ab 1827 erhielt er Aufträge aus dem Kaiserhaus. I. d. F. erreichte er, beeinflusst von französ. Strömungen, das Reifestadium seines Porträtschaffens, wobei zunächst die Naturtreue hinter der stilisierten Eleganz zurückstand. Daneben vervollkommnete er sich im Genre- sowie u. a. unter dem Einfluss von →Friedrich Gauermann im Landschaftsfach und widmete sich dem Stillleben. Ab 1829 fungierte er als 1. Kustos der Lamberg’schen Gemäldegalerie an der Wr. ABK mit Titel und Rang eines Prof. I. d. F. flaute W.s Interesse am Porträt langsam ab. Im Laufe der 1830er-Jahre ging er von der geglätteten Bildfläche vielfach zu einer offeneren Malweise über. Immer stärker verlagerte sich seine Konzentration auf Landschaft und Sittenbild, auch die Blumenmalerei gab er auf, nachdem er die darin erreichte virtuose Brillanz nicht mehr steigern konnte. Eine Paris-Reise 1830 verstärkte die französ. Komponente in W.s Œuvre. Die erstrebte Naturtreue im Landschaftlichen beschränkte sich auf eine zwar suggestive, jedoch klass. stilisierte Wirklichkeit mit einer tendenziellen Erhabenheit, frei von augenblickshaften Zufälligkeiten. Auch die Bewegungswiedergabe, bes. im Figürlichen, fiel dem modellverhafteten Künstler schwer. Dennoch blieb sein Realismus radikaler als der seiner Zeitgenossen (wie z. B. →Franz Steinfeld d. J.), die ähnl. Tendenzen verfolgten. Von ihnen war W. sicher auch z. Tl. abhängig. In den späten Landschaften verstärkte sich das Atmosphärische. Der Gleichklang zwischen dem Naturambiente und seinen Bewohnern, die mehr als Staffage darstellen, weist zurück auf engl. Vorbilder. In der „Großen Praterlandschaft“ (1849) erreichte W. die Synthese zwischen dominantem Bildobjekt und objektivierender Sehweise. Im Genrefach beschränkte er sich im Wesentlichen auf Typen und Ereignisse der sozialen Randschichten, auf den Alltag der Proletarier und den bäuerl.-ländl. Lebenskreis. Er verband damit stets eine moral. Botschaft, die freil. oft im Gemüthaften steckenblieb. Das häufig theatral. Element bekundete W.s Bestreben, in der Nachfolge von →Johann(es) Peter Krafft das Sittenbild mit den Mitteln der Historienmalerei auf eine höhere Stufe zu erheben. Demselben Ziel diente die Adaption christl. Ikonographieschemata. Die Idealität des romant. Klassizismus mit der biedermeierl. Tugendidylle in Einklang zu bringen gelang nicht immer und nährte mit die zeitgenöss. Kritik an W. Vermochte er die Figurenszene anfangs nur in einer beschränkten Bühne anzusiedeln, weitete er den Raum später in die Tiefe und konnte dadurch Massenszenen mittels Licht und Schatten in diese Dreidimensionalität integrieren. Im Œuvre nahmen, befördert durch weitere Italienfahrten (1841, 1844–46), Sonnenlicht und Helldunkelmalerei stetig zu, wobei in Bezug auf Lichtstimmung weitere Einflüsse aus Frankreich (Schule von Barbizon) wirkten. Im „Notverkauf eines Kalbes“ (1853) demonstrierte W. eine derart radikale Variante der Sonnenlichtmalerei, dass er damit heftigen Widerspruch erregte und gleichsam als Kopist der Wirklichkeit apostrophiert wurde. Seine kunsttheoret. Auseinandersetzungen mit Kollegen waren nicht zu trennen von persönl. Animositäten, die W. größtenteils selbst ausgelöst hatte. So hatte er in seinen Diensträumen eine unerlaubte Privatschule eingerichtet, was 1838/39 zu Querelen bzw. zu deren Verbot führte. 1845 unterbreitete W. einen mit Kritik an der Lehrmethode der Historienmalerei gespickten Reformvorschlag, den er in umgearbeiteter Form 1846 veröff. („Das Bedürfnis eines zweckmäßigeren Unterrichts in der Malerei und plastischen Kunst“, 2. Aufl. 1847). Zwar nahm ihn →Klemens Wenzel Lothar Fürst Metternich-Winneburg gegen die Proteste der betroffenen Prof. in Schutz, aber →Rudolf v. Eitelberger-Edelberg polemisierte publizist. gegen W.s Auffassung und legte geschickt deren Schwachpunkte bloß. 1849 veröff. er, ermutigt durch die Revolution, neuerl. „Vorschläge zur Reform der österreichisch kaiserlichen Akademie der bildenden Künste“. Dass er außerdem die Lüge einer Berufung durch den Zaren nach St. Petersburg verbreitete, förderte die Skepsis der Zeitgenossen wie auch W.s kolportierte materielle Not. Tatsächl. verfügte er über gute Einnahmen, pflegte allerdings einen großzügigen Lebensstil. 1855 beteiligte W. sich an der Pariser Weltausst., 1856 plante er eine Amerikareise, fuhr aber stattdessen nach London. 1857 publ. er die „Andeutungen zur Belebung der vaterländischen Kunst“, in denen er die Abschaffung der Akad. und der von ihm selbst geleiteten Galerie forderte. Da er den Text schon vorher unter Umgehung des Dienstwegs dem Finanzminister unterbreitet hatte, wurde er mit halbem Gehalt strafpensioniert. 1862 bat W. um Rehabilitierung und Begnadigung, desavouierte seine Reformforderungen aber gleichzeitig durch seine neuerl. Erklärung, eine Meisterkl. leiten zu wollen. 1864 wurde ihm gnadenhalber die volle Pension zuerkannt, was W. fälschl. als Rehabilitation ausgab. In seinen späten Jahren entstanden noch etl. Hauptwerke (z. B. „Vorfrühling im Wienerwald“, mehrere Versionen 1858–64). Impressionist.-positivist. Ansätze finden sich, wurden von ihm aber nicht weiter verfolgt. Im Landschaftlichen gab es zwischen ihm und den Präraffaeliten deutl. Übereinstimmungen. Trotz aller Sachlichkeit der Darstellung blieb ihm das Sublim-Bedeutsame ein Grundanliegen. Wenn er nach der gehöhten Alltagsdarstellung der Welt im Kleinen strebte, so ist das als Biedermeier im Sinn von →Adalbert Stifters „Sanftem Gesetz“ zu verstehen, nicht als Beschränkung auf Alt-Wr. Bürgeridylle. Wichtig wurde W.s Werk für die Landschaftsmalerei von →August Schaeffer v. Wienwald und den Stimmungsrealismus. Zu seinen Schülern zählten u. a. Mihály Zichy, →Anton Romako, Rosalia Amon, →Friedrich v. Friedländer-Malheim, →Carl Geyling, →Viktor Madarász, →Ferdinand Mallitsch und →August v. Pettenkofer; 1835 Akadem. Rat, preuß. Roter-Adler-Orden III. Kl., 1863 Ritter des Franz Joseph-Ordens. W. gilt als einer der bedeutendsten österr. Maler des 19. Jh., der weit über die Landesgrenzen vernetzt war und vermutl. sogar aus Amerika Anregungen aufnahm.

Weitere W.: s. Feuchtmüller, 1996.
L.: ADB; Czeike (m. B.); Thieme–Becker; Wurzbach; M. Buchsbaum, F. G. W., 1976 (m. B.); K. A. Schröder, F. G. W., Wien 1990 (Kat.); Lex. der Kunst 7, 1994; R. Feuchtmüller, F. G. W. …, 1996 (m. W.); The Dictionary of Art 32, 1996; Belvedere 3, 1997, Sonderh. 1: F. G. W.; M. Rennhofer, F. G. W., 1997; R. Feuchtmüller, in: Weltkunst 67, 1997, S. 1028ff.; E. Worgull, in: biblos 47, 1998, S. 207ff. (m. B.); E. Doppler-Wagner, F. G. W. und die Präraffaeliten, phil. DA Wien, 2000; Geschichte der bildenden Kunst in Österr. 5, ed. G. Frodl, 2002, s. Reg.; E. Doppler-Wagner, Zur künstler. Rezeption F. G. W.s 1–2, phil. Diss. Wien, 2007; F. G. W. 1793–1865, ed. A. Husslein-Arco, Wien 2009 (Kat.); G. Frodl – M. Frodl-Schneemann, Die Blumenmalerei in Wien, 2010, s. Reg.; ABK, Wien.
(W. Krause)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 69, 2018), S. 444ff.
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