Warrens, Eduard; eigentl. Arens (Ahrens, Arons) Wolf (ca. 1819–1872), Journalist

Warrens Eduard, eigentl. Arens (Ahrens, Arons) Wolf, Journalist. Geb. vermutl. Schweden, ca. 1819; gest. Wien, 5. 1. 1872; mos., später evang. Sohn eines Haus- und Versicherungsmaklers, Bruder der Schriftstellerin Rosa W. (1821–1878); ab 1841 verheiratet mit Ida W., geb. Weber. – W. übersiedelte als Jugendlicher mit seinen Eltern zunächst nach Hamburg und von dort in der 2. Hälfte der 1830er-Jahre in die USA, wo er sich anfangs mit verschiedenen Tätigkeiten durchbrachte. Ende der 1830er-Jahre ließ er sich in St. Louis nieder, wo er Mitarb. bei der auflagenstärksten dt.sprachigen Ztg. der USA, dem „Anzeiger des Westens“, wurde. Als Publizist engag. er sich aufseiten der Demokraten, zunächst für Martin Van Buren, 1844/45 aufseiten James K. Polks. Dieser ernannte ihn nach seinem Wahlsieg 1845 zum Gen.konsul in Triest, wo er rasch mit prominenten Persönlichkeiten in Kontakt kam und Mitarb. des „Journals des Oesterreichischen Lloyd“ wurde. Seine Artikel erregten die Aufmerksamkeit von →Karl Ludwig Frh. v. Bruck und →Franz Ser. Gf. v. Stadion-Warthausen. Letzterer lud ihn sowie den Schriftsteller und Journalisten Friedrich v. Bodenstedt 1848 ein, ihm mit der Ztg. nach Wien zu folgen. Hier wurde W. rasch in den Salons führender polit. und wirtschaftl. Kreise heimisch. Nach der Niederschlagung der Revolution übernahm er von Bodenstedt die Leitung der Ztg., die in „Wiener Lloyd“ umbenannt und mit neuen Eigentümern in ein polit. Journal umgewandelt wurde. I. d. F. stieg W. zum Berater von →Felix Prinz zu Schwarzenberg auf und seine Ztg. avancierte für mehrere Jahre zu dem in außenpolit. Fragen führenden Bl. der Donaumonarchie. Mit der Rückendeckung Brucks und →Alexander Frh. v. Bachs kritisierte er die Politik von →Philipp Frh. v. Krauß und die Währungspolitik der Notenbank. Nach dem Tod Schwarzenbergs ging sein Einfluss zurück, nahm jedoch während der Krimkrise neuerl. zu. So plädierte W. für eine Aufrechterhaltung des europ. Gleichgewichts, wobei seine antiruss. Linie („Die orientalische Frage“, 1854) und die des „Lloyd“ die Eigentümer des Bl. abschreckte und schließl. im Dezember 1854 auf Befehl des K. zum Verbot der Ztg. führte. Jedoch erhielt W. im Februar 1855 die Erlaubnis zur Hrsg. einer neuen Tagesztg., der „Österreichischen Zeitung“, die er aber schon Ende 1855 an die Triester Lloyd-Ges. verkaufte. Ab den 1850er-Jahren wandte er sich immer stärker wirtschaftl. Aktivitäten zu. Er war an der Gründung der Nö. Escompte-Ges. ebenso beteiligt wie an der Errichtung einer Immobilien-AG. Weiters war er ein entschiedener Befürworter eines effizienten Eisenbahnnetzes in der Donaumonarchie und beteiligte sich an Spekulationen in großem Stil. In verschiedenen Funktionen übte W. jahrelang bedeutenden Einfluss auf die Creditanstalt, die Anglo-Österr. Bank und mehrere Eisenbahnges. aus. 1856 gründete er das Wirtschaftsbl. „Der Österreichische Volkswirth“, das ihm auch für seine eigenen waghalsigen Börsenspekulationen diente. Mehrmals verlor er dabei sein Vermögen, um es wenig später wieder zurückzugewinnen. Am Vorabend des Sardin. Kriegs kehrte er in die polit. Journalistik zurück und wandte sich scharf gegen Napoleon III. Unter →Anton v. Schmerling schrieb er gegen die Politik Otto v. Bismarcks gerichtete Artikel in der Tagesztg. „Der Botschafter“ (1862–65). Als August Zang 1864 seine wichtigsten Red. verlor, wurde W. für knapp zwei Jahre Mitarb. der Ztg. „Die Presse“, die ihn jahrelang bekämpft hatte. Schließl. übernahm er 1866 die Leitung des „Wiener Tagblatts“. Bis zu seinem frühen Tod red. er auch das 1868 von ihm gegr. Bl. „Warrens’ Wochenschrift für Politik und Volkswirthschaft“. Seiner intimen Kenntnis von Wirtschaft und Börse in Verbindung mit einem prägnanten Stil verdankte er seinen Ruf als führender Wirtschaftsjournalist seiner Zeit, während er als polit. Journalist wegen seiner rasch wechselnden Gesinnung von Zeitgenossen als „journalistischer Landsknecht“ bezeichnet wurde. 1866 HR, war W. u. a. Mitgl. im Kuratorium der Ges. für Lebens- und Rentenversicherungen Oesterr. Gresham und ab 1863 Mitgl. des Journalisten- und Schriftsteller-Ver. „Concordia“.

Weitere W.: Das Nationalanlehen, 1854; Ueber Déak’s Rede, 1861.
L.: Neues Fremden-Bl., 5. (Abendausg.), NFP, 6. 1. 1872; ADB; Stern–Ehrlich, S. 184; Wininger; Wurzbach; F. Uhl, Aus meinem Leben, 1908, S. 153; L. v. Przibram, Erinnerungen eines alten Oesterreichers 1, 1910, S. 106f.; H. Friedjung, Österr. von 1848 bis 1860, 2, 2. Aufl. 1912, S. 332f.; S. Mayer, Die Wr. Juden, 1917, S. 322ff.; F. Weidinger, E. W. und die österr. Außenpolitik, phil. Diss. Wien, 1949; M. Lunzer, Der Versuch einer Presselenkung in Österr. 1848–70, 1954, S. 8ff.; G. Franz-Willing, Liberalismus. Die dt.liberale Bewegung in der habsburg. Monarchie, 1955, S. 88, 180; H.-H. Brandt, Der österr. Neoabsolutismus 2, 1978, S. 640ff.; R. Kohnen, Pressepolitik des Dt. Bundes …, 1995, S. 172f.; W. Gasser, Erlebte Revolution 1848/49. Das Wr. Tagebuch des … B. Kewall, 2010, S. 437ff.; Individual Narrative of E. W. (Center for Jewish History, Digital Collections, New York); Mitt. Hannelore Köhler, Wien.
(Th. Venus)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 70, 2019), S. 2f.
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