Weber, Beda (Johannes Chrysanth) (1798–1858), Schriftsteller, Geisteswissenschaftler, Priester und Lehrer

Weber Beda (Johannes Chrysanth) OSB, Schriftsteller, Geisteswissenschaftler, Priester und Lehrer. Geb. Lienz (Tirol), 26. 10. 1798; gest. Frankfurt, Freie Stadt (Frankfurt am Main, D), 28. 2. 1858 (Ehrengrab: Frankfurter Hauptfriedhof); röm.-kath. Sohn des Bauern Johann W. (vulgo Tausch) und der Anna W., geb. Mayr. – W. musste auf Wunsch seines Vaters das Schusterhandwerk erlernen, ehe es ihm ermöglicht wurde, das Franziskanergymn. in Bozen zu besuchen. Dieses schloss er bereits nach vier Jahren ab. Anschließend absolv. er die phil. Jgg. in Innsbruck und trat i. d. F. in das Benediktinerkloster Marienberg im Vinschgau ein; 1821 Ablegung des Ordensgelübdes mit Annahme des Ordensnamens. Nach einem Theol.stud. in Innsbruck und Brixen wurde W. 1824 zum Priester geweiht. Nach einer prakt. pastoralen Ausbildung war er vorerst ein Jahr als Seelsorger in Burgeis im Vinschgau tätig, ehe er (mit kurzer Unterbrechung) bis 1848 als Prof. für klass. Sprachen am Benediktinergymn. in Meran wirkte. Nicht unwesentl. für seine Persönlichkeitsbildung war eine 1829 unternommene Reise über Florenz und Assisi nach Rom, von wo er nach längerem Aufenthalt über Loreto und Venedig nach Tirol zurückkehrte. Neben seinem Beruf als Pädagoge entfaltete W. als Historiker, Volkskundler, Topograph und Philologe eine reiche landeskundl. Forschertätigkeit. Zu seinen wichtigsten einschlägigen Arbeiten zählt das 1837–38 veröff. dreibändige Werk „Das Land Tirol. Mit einem Anhange: Vorarlberg. Ein Handbuch für Reisende“ (gekürzte und überarbeitete einbändige Ausg. 1841 unter dem Titel „Handbuch für Reisende in Tirol“, 2. Aufl. 1853). Als bedeutend gilt seine Ed. der Ged. Oswalds v. Wolkenstein, die bis in die 1970er-Jahre Gültigkeit besaß („Die Gedichte Oswalds von Wolkenstein. Mit Einleitung, Wortbuch und Varianten“, 1847). Das dichter. Werk W.s wurde im 19. Jh. sehr geschätzt. Er verf. Versepen, hist. Schilderungen, Erz. und Lyrik. Diese aus dem Geist der Zeit heraus zu verstehenden Arbeiten zeugen von einer regen Phantasie, sind jedoch auch durch myst. Elemente und eine bes. Melodik der Sprache gekennzeichnet. 1848 wurde W. als Vertreter Merans in die Frankfurter Nationalversmlg. entsandt, wo er wiederholt in die Debatten eingriff und bis April 1849 aktiv mitarbeitete. Er gehörte dem Lager an, das für die Schaffung eines großdt.-österr. Kaisertums eintrat und war ultramontan eingestellt. Neben seiner Tätigkeit im Parlament wirkte er auch im seelsorgl. Bereich, indem er in mehreren Frankfurter Kirchen predigte. Nach dem Tod des Dom- bzw. Stadtpfarrers wünschte sich die kath. Bevölkerung der Stadt W. als dessen Nachfolger, wofür der zuständige Bischof von Limburg, der Abt des Klosters Marienberg und der Vatikan ihre Zustimmung erteilen mussten. W.s Amtseinführung an der Stadt- und Dompfarre erfolgte im August 1849. Er wurde i. d. F. auch zum Limburger Domherrn und geistl. Rat ernannt. Die Großstadtseelsorge im mehrheitl. protestant. Frankfurt bedeutete für ihn eine interessante Herausforderung. Er entfaltete sozial-karitative Aktivitäten, gründete mehrere einschlägige Ver. und legte bes. Aufmerksamkeit auf die religiöse Erziehung der Jugend. W. förderte auch das kath. Pressewesen und gründete als Informationsorgan für die Katholiken bzw. als deren Sprachrohr die WS „Frankfurter Katholisches Kirchenblatt“ sowie die 1855–58 erschienene überregionale Tagesztg. „Deutschland“. Für seine Zeit ungewöhnl. war seine Einstellung zur evang. Konfession, der gegenüber er in geradezu ökumen. Weise Achtung und Ehrfurcht einforderte, ohne die Glaubensunterschiede zu verwischen. 1856 ergriff er die Initiative zur Wiederherstellung des alten Zustands des Kaiserdoms St. Bartholomäus. W. war ab 1841 Mitgl. der Accad. degli Agiati in Rovereto, Gründungsmitgl. der k. Akad. der Wiss. in Wien (1847) und ab 1848 k. M. der Bayer. Akad. der Wiss. in München; 1854 Ritter des Franz Joseph-Ordens.

Weitere W. (s. auch Angerer): Tirol und die Reformation, 1841; Lieder aus Tirol, 1842; Giovanna Maria dalla Croce und Ihre Zeit, 1846 (3. Aufl. 1877, italien. 1873); Die Stadt Bozen und ihre Umgebungen, 1849; Vormärzl. Lieder aus Tirol, 1850; Das Thal Passeier und seine Bewohner. Mit bes. Rücksicht auf A. Hofer und das Jahr 1809, 1852; Charakterbilder, 1853 (m. B.); Cartons aus dem dt. Kirchenleben, 1858.
L.: ADB; Wurzbach; B. W., ed. J. A. M. Brühl, 1858 (m. B.); J. E. Wackernell, B. W. 1798–1858 und die tirol. Litteratur 1800–46, 1903; G. Nilges, in: Osttiroler Heimatbll. 26, 1958, Nr. 3; H. Kinzl, in: FS zu Ehren R. Heubergers, ed. W. Fischer, 1960, S. 59ff. (m. B.); F. H. Riedl, in: Jb. des Südtiroler Kulturinst. 2, 1962, S. 147ff.; M. Angerer, B. W., 1970 (m. W.); Osttiroler Heimatbll. 66, 1998, Nr. 12 (m. B.); F. Huber, in: Regionale Zivilges. in Bewegung ... FS für ... H. Heiss, ed. H. Obermair u. a., 2012, S. 12ff.; M. Pizzinini, in: St. Kassian Kal. 305, 2016, S. 47ff.; Frankfurter Personenlex. (m. B., online, Zugriff 5. 12. 2018); Pfarre Lienz-St. Andrä, Tirol.
(M. Pizzinini)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 70, 2019), S. 25f.
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