Weil von Weilen, Alexander Ritter (1863–1918), Literatur- und Theaterwissenschaftler, Theaterkritiker

Weil von Weilen Alexander Ritter, Literatur- und Theaterwissenschaftler, Theaterkritiker. Geb. Wien, 4. 1. 1863; gest. Böckstein (Bad Gastein, Sbg.), 23. 7. 1918 (verunglückt); röm.-kath. Sohn von →Josef W. Ritter v. W. und Marie W. v. W., geb. Eyermann; ab 1893 mit Margarete W. v. W., geb. Kron, verheiratet. – W. besuchte 1872–80 das Gymn. Schon im Elternhaus mit Persönlichkeiten wie →Heinrich Laube und →Franz Grillparzer in Kontakt gekommen, entwickelte er frühzeitig ein reges Interesse für die Bühne. Auf Wunsch seines Vaters nahm er 1880 aber das Stud. der Philol. und Literaturgeschichte an der Univ. Wien auf (u. a. bei →Richard Heinzel, Erich Schmidt, →Adolf Mussafia, →Ferdinand Lotheissen und →Jakob Minor) und wurde 1884 prom. Danach ging er für zwei Semester nach Berlin, wo er bei →Wilhelm Scherer und →Johannes Vahlen Vorlesungen hörte. V. a. den Ersteren würdigte W. nach dessen Tod als den Begründer einer neuen dt. Literaturwiss., die auch der Gegenwartsliteratur die gebotene Aufmerksamkeit schenkte. W.s eigene Arbeiten waren dagegen damals auf das Drama des 16. Jh. bezogen. Nach seiner Rückkehr wurde W. 1885 an der Hofbibl. in Wien zunächst probeweise, dann def. als Amanuensis angestellt und rückte dort 1905 zum Kustos II. Kl., 1910 zum Kustos I. Kl. auf. Daneben verfolgte er eine akadem. Karriere: 1887 habil. er sich an der Univ. Wien. Unter dem Einfluss Minors, der seine universitäre Laufbahn unterstützte, weitete er sein wiss. Interesse auf die Literatur des 19. Jh. aus. Ab 1895 war W. als Priv.Doz. für neuere dt. Literatur auch an der TH in Wien tätig. An der Univ. wurde er Ende 1899 Extraordinarius ad personam, 1904 besoldeter ao. Prof. und 1909 tit. o. Prof.; die 1914 beantragte Ernennung zum w. o. Prof. für neuere dt., insbes. österr. Theatergeschichte unterblieb. Speziell auf diesem Gebiet lagen jedoch W.s Verdienste. So hatte er 1892 auf Einladung →Karl Glossys an der Theatergeschichtl. Ausst. der Stadt Wien im Rahmen der Internationalen Ausst. für das Theaterwesen mitgewirkt. Der von Glossy, Jakob Zeidler, Karl Trautmann und W. dazu erstellte Kat. gab sowohl für die „Deutsch-Österreichische Literaturgeschichte“ von Zeidler und →Johann Willibald Nagl (bzw. Eduard Castle) wie auch für die einsetzende wiss. Beschäftigung mit dem Theater Anstöße. W. war es zudem, der 1911 mit der Übernahme von Beständen (Noten, Textbücher) aus dem Archiv der Hofoper in die Hofbibl. begann und die organisator. Grundlage für die heutige Theatersmlg. der Nationalbibl. schuf. Bes. verdient machte er sich um die 1894 von der Ges. für vervielfältigende Kunst beschlossene Hrsg. des großangelegten Prachtwerks „Die Theater Wiens“ (5 Bde., 1899–1909) zur Geschichte des Musik- und Sprechtheaters. Die Gesamtred. und die zweibändige Darstellung der Geschichte des Hofburgtheaters oblag anfangs →Oskar Teuber. Nach dessen Tod stellte W., der mit der „Geschichte des Wiener Theaterwesens von den ältesten Zeiten bis zu den Anfängen der Hof-Theater“ (1899) bereits den 1. Bd. beigesteuert hatte, den von Teuber begonnenen Halbbd. fertig und verf. auch den 2. Halbbd. („Das k. k. Hofburgtheater seit seiner Begründung“, 1903–06, 1916 ergänzt durch: „Der Spielplan des neuen Burgtheaters 1888–1914“). Mitte der 1890er-Jahre trat W. erstmals als Theaterkritiker in Erscheinung, und zwar für die „Montags-Revue“, für die er bis zum Sommer 1904 regelmäßig arbeitete. Bald darauf publ. er in verschiedenen Fach- und Literatur-Z. und Revuen („Neuer Theater-Almanach“, „Wage“, „Bühne und Welt“, „Donauland“, „Literarisches Echo“). Für die FS zum 200-Jahr-Jubiläum der „Wiener Zeitung“ verf. er einen Überblick über die Geschichte der Theaterkritik in diesem Bl. 1904 wurde er, angebl. auf Wunsch von →Paul Schlenther, Nachfolger von →Friedrich Uhl, zunächst gegen den Willen von Chefred. →Eugen Guglia. Seine Kritiken hoben sich stark vom Stil seines Vorgängers ab. Sie verbanden fundiertes Wissen mit Sachlichkeit, aber auch Leidenschaft für das Theater; in der Charakterisierung der schauspieler. Leistungen war er sehr um Gerechtigkeit bemüht. Später erschienen in der „Wiener Zeitung“ zudem zahlreiche literaturgeschichtl. Aufsätze W.s. Er war u. a. stellv. Obmann des Goethe-Ver., Mithrsg. der Weimarer Ausg. von Goethes Werken und stellv. Präs. der Ges. für Theatergeschichte. W. wurde 1918 mit dem Ritterkreuz des Ordens der Eisernen Krone III. Kl. ausgez.

Weitere W.: Zur Wr. Theatergeschichte … 1629 bis zum Jahre 1740 am Wr. Hofe zur Auff. gelangten Werke …, 1901; Hamlet auf der dt. Bühne bis zur Gegenwart, 1908, Reprint 2018; Das Theater 1529–1740, in: A. Mayer, Geschichte der Stadt Wien 6, 1918. – Ed.: J. Weilen. Ausgewählte Werke, 1913; H. Laube. Theaterkritiken und dramaturg. Aufsätze, 1906; C. L. Costenobles Tagebücher von seiner Jugend bis zur Übersiedlung nach Wien, 1912.
L.: NFP, 5., 9. 12. 1906, 26. 7. 1918; WZ, 26., 27. 7. 1918 (jeweils Abendausg.), 19. 4. 1930 (Beil.); Wininger; Mitt. des Österr. Ver. für Bibl.wesen 10, 1906, S. 49, 97; H. Richter, in: Jb. der Grillparzer-Ges. 55, 1919, S. 140ff.; H. Knudsen, Das Stud. der Theaterwiss. in Dtld., 1926; G. Gerstbauer, Die Wr. Montagspresse 1863–1938, phil. Diss. Wien, 1949, S. 104, 108; F. Stamprech, Die älteste Tagesztg. der Welt, 1977, S. 428; E. Grabenweger, Germanistik in Wien, 2016, s. Reg.; AVA, Österr. Nationalbibl., Pfarre St. Ulrich, UA, alle Wien.
(Th. Venus)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 70, 2019), S. 57f.
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