Wenzig Joseph (Josef), Politiker, Schulmann, Dichter und Übersetzer. Geb. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 18. 1. 1807; gest. Turnau, Böhmen (Turnov, CZ), 28. 8. 1876. Sohn eines Inf.hptm. – Nach Besuch des Piaristengymn. in Prag-Neustadt absolv. W. 1823–25 die phil. Jgg. an der Prager Univ. und hörte bis 1827 Vorlesungen u. a. aus Geschichte der Phil., klass. Literatur und österr. Staatenkde. Nach Ablegung der Lehramtsprüfung arbeitete er vorerst als Erzieher, ab 1833 unterrichtete er an der ständ. Realschule in Prag. Er pflegte zahlreiche Kontakte mit dt.- (→Karl Egon Ebert, →Rudolf Glaser) sowie tschech.sprachigen (→František Ladislav Čelakovský, →Josef Krasoslav Chmelenský, →Václav Svoboda, →Karel Alois Vinařický) Schriftstellern. Beeinflusst von →Franz Schneider und →Bernhard Bolzano, wirkte W. im nationalen sowie konfessionellen Aspekt versöhnend auf das Prager und böhm. Milieu (u. a. als Übers. aus dem Tschech. und Publizist). 1848 wurde er Mitgl. des Ver. Lípa slovanská sowie des Nationalausschusses. Auf Anregung von →Leo Gf. v. Thun u. Hohenstein nahm W. 1849 an den Diskussionen über die Schulreform teil und wurde im selben Jahr Leiter des ersten böhm. Real-Schuljahrgangs, 1850 prov. Insp. der Volks- und Realschulen und Mitgl. der Landesschulbehörde für Böhmen sowie 1853 Dir. der böhm. Realschule. W. sprach sich in verschiedenen Ztg. für den dt.-tschech. Ausgleich im Bereich von Sprache, Kultur sowie Erziehung aus und wurde nach Veröff. der Broschüre „Betrachtungen eines Oesterreichers über das kaiserliche Handschreiben … 1857“ (1860) vom K. aufgefordert, auf seine Funktionen zu verzichten. Als Anhänger der böhm.-föderalist. Bewegung wurde er in das Prager Stadtverordnetenkollegium und ab 1861 fünfmal in den böhm. LT gewählt. Im selben Jahr legte W. einen Gesetzesentwurf für die Unterrichtssprache an öff. Schulen in Böhmen sowie einen Entwurf zur Gleichstellung beider Landessprachen in den öff. Schulen und zur obligator. Einführung der zweiten Landessprache in allen Mittelschulen unter Beibehaltung der entsprechenden Unterrichtssprache vor. Kurz danach wurde W. jedoch unter Beibehaltung des Einkommens in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Daneben schrieb er, zuerst auf Dt., ab Mitte der 1860er-Jahre auf Tschech., Ged. – vorwiegend mit hist. Thematik –, die moral. und patriot. im Sinn des späten Klassizismus ausgerichtet waren und seine Wandlung vom böhm. Landespatrioten zum national gesinnten Tschechen dokumentieren. Zu W.s bekanntesten Werken zählen die Libretti zu „Dalibor“, 1868, und „Libussa“, 1881 (Musik →Friedrich Smetana, ins Tschech. übers. von →Ervín Špindler). W. war ab 1856 o. Mitgl. der Kgl. böhm. Ges. der Wiss. (1857–58 und 1866–67 Obmann). Daneben arbeitete er weiterhin im tschech. Schul- (Mitbegründer der Česká akad. obchodní) und Ver.wesen (1863 erster Obmann der Umělecká beseda, 1870 Vors. der Matice lidu, Mitgl. mehrerer gemeinnütziger und wohltätiger Ver.).