Werfel, Franz (Viktor) (1890–1945), Schriftsteller

Werfel Franz (Viktor), Schriftsteller. Geb. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 10. 9. 1890; gest. Beverly Hills, CA (USA), 26. 8. 1945 (seit 1975 begraben auf dem Wr. Zentralfriedhof, Ehrengrab); bis 1929 mos. Enkel von Nathan W. (geb. Jungbunzlau, Böhmen / Mladá Boleslav, CZ, 1828; gest. Prag, 28. 3. 1897), der als Weber in Böhm. Leipa, später als Mehlhändler in Jungbunzlau und zuletzt als Inhaber einer Bettfedernreinigung in Prag tätig war, Sohn von →Rudolf W. und Albine W., geb. Kussi (geb. Scheles, Böhmen / Žihle, CZ, 10. 3. 1870; gest. New York City, NY, USA, 1. 7. 1964), der Tochter eines wohlhabenden Mühlenbesitzers in Pilsen, Bruder der Autorin und Malerin Marianne (Amalie) Rieser, geb. W. (geb. Prag, 30. 10. 1899; gest. Pomona, CA, USA, 8. 1. 1965), Ehefrau des Dir. des Schauspielhauses Zürich Ferdinand Rieser; ab 1929 verheiratet mit Alma Mahler-W., geb. Schindler, verwitwete Mahler, geschiedene Gropius (geb. Wien, 31. 8. 1879; gest. New York City, 11. 12. 1964; begraben: Wien). – W. wuchs in einem assimilierten, liberal-bürgerl. Elternhaus auf. Nach dem Besuch des Staats-Obergymn. in Prag-Neustadt (Matura 1909) war W., der mit Ernst Deutsch, →Paul Kornfeld, →Franz Kafka und Max Brod befreundet war, kurz Gasthörer an der dt. Univ. Prag, bevor er 1910 auf Wunsch des Vaters bei der Speditionsfa. Brasch & Rothenstein in Hamburg ein Volontariat begann, das er jedoch abbrach. 1911 Einjährig-Freiwilliger, wurde er im folgenden Jahr Lektor im Kurt Wolff Verlag in Leipzig, wo er für die expressionist. R. „Der jüngste Tag“ verantwortl. zeichnete (Bd. 1: W.s Einakter „Die Versuchung“, 1913) und Kafka dem Verleger empfahl. Er brachte auch →Karl Kraus zum Verlag, mit dem er sich i. d. F. jedoch überwarf. Nachdem er ab 1908 publ. hatte (u. a. ab 1911 in Krausʼ „Die Fackel“), veröff. W. die Lyrikbde. „Weltfreund“ (1911), womit er bereits zu einem der erfolgreichsten Lyriker des Expressionismus wurde, „Wir sind“ (1913), von →Rainer Maria Rilke gelobt, „Einander“ (1915), „Gesänge aus den drei Reichen“ (1917) und „Der Gerichtstag“ (1919). 1914 eingezogen, wurde er jedoch bald vom Kriegsdienst befreit. 1915 rückte er neuerl. ein. Im Sommer 1917 ins Kriegspressequartier nach Wien versetzt, begegnete er dort erstmals Alma Mahler-Gropius. 1919 starb der gemeinsame, erst wenige Monate alte Sohn Martin Johannes. In Breitenstein am Semmering im Haus Mahler entstanden u. a. die Dramen „Der Spiegelmensch“ (1920), „Bocksgesang“ (1921), „Juarez und Maximilian“ (1925, 1939 verfilmt) sowie „Verdi. Roman der Oper“ (1924). Sein Roman über seine kath. Kinderfrau Barbara Šimůková, „Barbara oder die Frömmigkeit“ (1929), wurde ein Verkaufserfolg. 1925 und 1930 unternahmen W. und seine Frau eine Reise in den Nahen Osten, wobei er von den Massakern an den Armeniern erfuhr und die Idee zu „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ entstand. 1933 versuchte W. vergebl., in den Reichsverband Dt. Schriftsteller aufgenommen zu werden. Im selben Jahr wurde er trotz seiner Loyalitätserklärung aus der Preuß. Akad. der Künste ausgeschlossen (ab 1926 Mitgl.) und seine Werke öff. verbrannt. 1934 kam es in Dtld. zum Verbot von „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ (1933 bei Zsolnay in Wien erschienen). Unter dem Eindruck der zunehmenden Verfolgung der Juden durch die Nationalsozialisten entstand 1935 in Zusammenarbeit mit Kurt Weill und →Max Reinhardt das Bibelspiel „Der Weg der Verheißung“. 1937 hielt W. vor dem Völkerbund die Rede „Von der reinsten Glückseligkeit des Menschen“. Beim „Anschluss“ Österr. hielt sich W. auf Capri auf und unternahm Reisen nach Mailand, Zürich, Paris, Amsterdam und London. Er wechselte von Zsolnay zum Exilverlag Bermann-Fischer in Stockholm, wo 1939 der Roman „Der veruntreute Himmel. Die Geschichte einer Magd“ erschien. Es folgten 1940 „Eine blaßblaue Frauenschrift“ und 1941 „Das Lied von Bernadette“, in den USA ein Bestseller und 1943 mit Jennifer Jones in der Hauptrolle verfilmt. Letzteres schrieb W., der trotz seiner Sympathien für den Katholizismus am Judentum festhielt, als Dank für seine geglückte Flucht: Seit dem Sommer 1938 im südfranzös. Sanary-sur-Mer lebend, floh er 1940 mit seiner Ehefrau sowie Heinrich, Nelly und Golo Mann zu Fuß über die Pyrenäen nach Barcelona und weiter nach New York. Ende 1940 übersiedelte das Ehepaar nach Los Angeles, wo W., ab 1941 amerikan. Staatsbürger, sich mit Friedrich Torberg anfreundete. In Kalifornien zählten außerdem u. a. Bruno Walter, die Familie Thomas Manns, Erich Wolfgang Korngold, Lion Feuchtwanger, Gottfried Reinhardt und Fritzi Massary sowie Gustave O. Arlt zu seinem Freundeskreis. Sein Haus in Hollywood und später in Beverly Hills wurde zu einem Treffpunkt der Emigranten. Im August 1945 vollendete W., einer der erfolgreichsten dt.sprachigen Schriftsteller im Exil, den utop. Reiseroman „Stern der Ungeborenen“ (1946) und starb nach mehreren Herzinfarkten wenige Tage später. Zahlreiche seiner Werke wurden verfilmt. 1926 erhielt W. den Grillparzer-Preis der Österr. Akad. der Wiss.; 1941 Ehrenpräs. des österr. PEN-Clubs im Exil, 1943 Dr. h. c. der Univ. of California.

Weitere W. (s. auch F. W. Bibliography of German Editions, ed. J. M. Spalek – S. H. Hawrylchak, 2009): Der Abituriententag. Die Geschichte einer Jugendschuld, 1928; Die Geschwister von Neapel, 1931; Höret die Stimme, 1937; Jacobowsky und der Oberst, 1944; Zwischen oben und unten, 1946; Erz. aus zwei Welten, 3 Bde., ed. A. D. Klarmann, 1948–54; Cella oder die Überwinder, 1952; Liebesgrüße von der Front. Briefe F. W.s an G. Spirk 1915–18, ed. E. Buxbaum, 2016. – Teilnachlässe: Penn Libraries, Univ. of Pennsylvania, Philadelphia, Charles E. Young Research Library, Univ. of California, Los Angeles, beide USA.
L.: Bolbecher–Kaiser; Hall–Renner; A. Mahler-W., Mein Leben, 1960, s. Reg.; L. B. Foltin, F. W., 1972; L. B. Steiman, F. W., 1985; P. St. Junkg, Das F.-W.-Buch, 1986; P. St. Jungk, F. W., 1987 (m. B.); F. W., ed. H. Lunzer – V. Lunzer-Talos, Wien 1990 (Kat., m. B.); N. Abels, F. W., 1990; Unser Fahrplan geht von Stern zu Stern. Zu F. W.s Stellung und Werk, ed. J. P. Strelka, 1992; Die Resonanz des Exils …, ed. D. Sevin, 1992, s. Reg.; F. W. im Exil, ed. W. Nehring – H. Wagener, 1992; H. Wagener, Understanding F. W., 1993; M. G. Hall, Der Paul Zsolnay Verlag, 1994, s. Reg.; W. Paulsen, F. W., sein Weg in den Roman, 1995; Metzler Lex. der dt.-jüd. Literatur, ed. A. B. Kilcher, 2000 (m. B.); I. Nawrocka, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 53, 2000, s. Reg.; Le monde de F. W. et la morale des nations, ed. M. Reffet, 2000; A. A. Wallas, Dt.sprachige jüd. Literatur im 20. Jh. 2, 2008, S. 197ff.; F. Pfäfflin, Aus großer Nähe. K. Kraus in Berr. von Weggefährten und Widersachern, 2008, S. 111ff.; Judentum in Leben und Werk von F. W., ed. H. Wagener – W. Hemecker, 2011; K. Kraus – F. W., eine Dokumentation, ed. Ch. Wagenknecht, 2011; Hdb. der dt.sprachigen Exilliteratur, ed. B. Bannasch – G. Rochus, 2013, s. Reg.; S. Rode-Breymann, A. Mahler-W., 2014, s. Reg.; F. W. und der Genozid an den Armeniern, ed. R. Knocke – W. Treß, 2015; K. Kraus im Urteil literar. und publizist. Kritik, ed. D. Goltschnigg, 1, 2015, s. Reg., 2, 2017, s. Reg.; Digitalizované pobytové přihlášky pražského policejního ředitelství (konskripce) (online, Zugriff 28. 2. 2019).
(I. Nawrocka)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 70, 2019), S. 130f.
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