Wertheim, Franz (Xaver) Frh. von (1814–1883), Fabrikant

Wertheim Franz (Xaver) Frh. von, Fabrikant. Geb. Krems (Krems an der Donau, NÖ), 12. 4. 1814 (Taufdatum); gest. Wien, 3. 4. 1883; röm.-kath. Sohn des Kaufmanns Franz W. (gest. Matzleinsdorf, NÖ/Wien, 2. 5. 1854) und der bayer. Müllerstochter Barbara W., geb. Reitmayer, Vater des unehel. geb. Franz Gunst (geb. Pressburg, Ungarn / Bratislava, SK, 9. 5. 1865; gest. 7. 9. 1925), der sich ab 1886 als Erbe und offener Ges. von W.s Fa. Franz Edler v. W. (ab 1913 Frh.) nannte und Aufzüge in das Sortiment der Fa. aufnahm; ab 1847 mit Wilhelmine v. W. (geb. 1827), der Tochter von →Wilhelm Knepper, verheiratet (Scheidung). – Nach einer Handelslehre in Wien und ausgedehnten Wanderjahren in Dtld., Frankreich und England arbeitete W. zunächst im Kurzwarenhandel. 1842 erwarb er die Wr. Werkzeugschmiede von Anton Gruber und den Strudenhammer in Neustift bei Scheibbs. Zunächst handelte er nur mit Werkzeugen, sehr bald schon produzierte er sie jedoch in seiner eigenen Fa. Er kaufte 1845 ein weiteres Hammerwerk in Neustift bei Scheibbs und stellte in Furth bei Göttweig Holzgestelle für Tischlerwerkzeuge her, die im Wr. Polytechnikum und in Pariser sowie Londoner Inst. als Lehrobjekte Verwendung fanden. 1847 beteiligte W. sich an der Papierfabrik seines Schwiegervaters, der auf W.s Vorschlag Bunt-, Zigaretten- und Gelatinepapier in die Produktion aufnahm. Ab 1848 stellte W. Kassen aus Eisen zunächst in Erdberg, später auf der Wieden her, deren Feuer- und Einbruchsicherheit er bei öff. Demonstrationen in Wien und Konstantinopel vorführte. 1851 erwarb er auf der Londoner Weltausst. die Erzeugungsrechte von Panzerschränken, den sog. Winkelkassen, für Österr. und gründete 1852 zusammen mit Friedrich Wiese eine Ges. zur Erzeugung feuerfester, einbruchsicherer Geld-, Bücher- und Dokumentenkassen. W. erwarb i. d. F. die Weinmeister’sche Gewerkschaft in Wasserleit und die Sensenwerke Himmelau in Ktn. Ab den 1870er-Jahren wurden Kassen aus Stahlblech erzeugt. Anlässl. der Fertigstellung der 20.000. Wertheimkasse 1869 komponierte →Josef Strauß die „Feuerfest-Polka“ für die Feier in der Wr. Gartenbauges.; im selben Jahr begleitete W. K. →Franz Joseph I. zur Eröffnung des Suez-Kanals. 1854–81 war W. Mitgl. in der HGK in Wien (Kammerrat), 1858–67 deren Vizepräs. Außerdem war er Präs. des nö. Gewerbever., Präs. des Kranken- und Unterstützungsfonds des Wr. kaufmänn. Ver., Regierungskoär. bei mehreren Weltausst. (u. a. Wien 1873, Paris 1878, Sydney 1879, Internationale Ausst. in Kapstadt 1877) und Kurator des Österr. Mus. für Kunst und Ind. 1861–72 gehörte W. dem Wr. Gmd.rat an. 1869 erhielt er ein Mandat für den nö. LT. W. wurde 1863 in den Ritter- und 1871 in den Frh.stand erhoben. Der Hoflieferant war k. Rat und erhielt 1871 den Orden der Eisernen Krone II. Kl. sowie zahlreiche ausländ. Ausz. (u. a. Off. der französ. Ehrenlegion, Off. des osman. Mecidiye-Ordens). W. besaß am Schwarzenbergplatz ein nach Plänen von →Heinrich Frh. v. Ferstel errichtetes Palais. Nach seinem Tod ging das Erbe an Gunst.

W.: Der Oesterr. Handel im Orient …, 1858; Verzeichnisse der bekanntesten Handels- und Gewerbefirmen, welche in … Städten der Levante und Egyptens etablirt sind …, 1860; Ber. über die Absatzfähigkeit österr. Weine in England …, 2 Bde., 1860–61; Werkzeugkde. zum Gebrauche für techn. Lehranstalten, 1869.
L.: Wurzbach; Österreichische Naturforscher und Techniker, 1950, S. 194f.; 100 Jahre W. 1852–1952, 1952; J. Mentschl, Österreichische Wirtschaftspioniere, 1959, S. 67ff.; J. Mentschl – G. Otruba, Österreichische Industrielle und Bankiers, 1965, S. 127ff.; G. Holzmann, Unternehmer aus NÖ, 1967, S. 99ff. (m. B.); F. Mathis, Big Business in Österr. 1, 1987, S. 352ff.; J. Kalmar – M. Waldstein, K. u. K. Hoflieferanten Wiens, 2001, S. 90ff. (m. B.); G. A. Stadler, Das industrielle Erbe NÖ, 2006, S. 688f.; Website Wertheim (m. B., Zugriff 12. 10. 2018); Zedhia, Zentraleurop. digitales wirtschafts- und gesellschaftshist. interaktives Archiv (online, Zugriff 12. 10. 2018); Techn. Mus., Wien; Pfarre St. Veit, Krems an der Donau, NÖ.
(S. B. Weiss)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 70, 2019), S. 142f.
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>