Wertheimer von Wertheimstein, Leopold Ritter (1801–1883), Bankier

Wertheimer von Wertheimstein Leopold Ritter, Bankier. Geb. Wien, 23. 10. 1801; gest. ebd., 7. 1. 1883; mos. Enkel des Bankiers Joseph Samuel Edler W. v. W. (geb. Wien, 1741 oder 1742; gest. ebd., 18. 1. 1811), der 1791 den Adelstitel „Edler von Wertheimstein“ erhalten hatte, Sohn des Großhändlers Karl (Samson) Edler W. v. W. (geb. Wien, 4. 2. 1773; gest. ebd., 7. 2. 1812) und von Fanny (Frumet, Veronika) Edle W. v. W., geb. Leidesdorfer (geb. Wien; gest. ebd., 17. 11. 1818), Vater von →Franziska Edle W. v. W. (s. u. Josephine Edle W. v. W.), Großcousin von →Samuel Edler W. v. W.; ab 1843 verheiratet mit →Josephine Edle W. v. W. – W. besuchte das Akadem. Gymn. in Wien. Ab 1820 arbeitete er 37 Jahre lang im Bankhaus von →Salomon Mayer Frh. v. Rothschild, in dem er zum ersten Prokuristen aufstieg. 1827 führte er die Konferenzen zwischen dem Haus Rothschild und Staatskanzler →Klemens Wenzel Fürst Metternich-Winneburg zur Sicherung des Vermögens der Familie Montenuovo. W. war 1832 am Zustandekommen einer Anleihe von 50 Mio. fl des Hauses Rothschild für Österr. beteiligt. Zudem wurde er zum Bevollmächtigten Rothschilds in sämtl. Eisenbahn-Angelegenheiten und unternahm 1830 mit →Franz X. Laurenz Riepl eine Stud.reise nach England. 1836 erhielt W. 25 Aktien vom Hauptaktionär Rothschild in Anerkennung seiner Leistungen bei der Gründung der AG zum Bau der K. Ferdinands-Nordbahn. Er gehörte deren erster Dion. und 47 Jahre dem Verwaltungsapparat an. Zudem hatte er auch großen Anteil an der Bildung der Dampfschifffahrtsges. des österr. Lloyd. 1845 wurde er vom Finanzmin. in eine Komm. zur Ausarbeitung eines neuen Börsengesetzes berufen. 1833–56 Zensor der Nationalbank, wirkte er zudem an der Errichtung der Österr. Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe mit, die 1855 von →Anselm Salomon Frh. v. Rothschild gegr. wurde. W. war deren Verw.R. und Vizepräs. und darüber hinaus Präs. der Versicherungsges. Donau sowie Zensor bei der k. k. priv. Ersten Österr. Brand-Versicherungs-Ges. Während der Revolution 1848 wurde er Mitgl. des prov. Bürgerausschusses sowie des prov. Ständ. Ausschusses und zum Deputierten ins Frankfurter Parlament gewählt. 1847 wurde er zum kgl.-bayer. Handelskonsul in Wien ernannt und blieb in dieser Funktion bis 1870. Zu W.s Freunden gehörte →Eduard v. Bauernfeld, dessen Aktiengeschäfte er verwaltete. Er war auch ein literar. aktives Mitgl. der Vereinigungen der Ludlams- und später der Gnomenhöhle um →Alexander Moritz Baumann, mit dem er 1853 eine Italienreise unternahm. Als begeisterter Cellist besaß W. sowohl ein Instrument von Amati als auch eines von Stradivari. Sein Freund →Josef Dessauer widmete ihm seine Sonate für Violoncello op. 58, →Josef Stransky sein op. 2 und →Heinrich Röver sein Œuvre 3. W. engag. sich viele Jahre in der jüd. Gmd. Wiens: ab 1826 als Tempel-Koär., dann bis 1863 als Präses des Vertreter-Kollegiums. 1832 wurde er zum Vertreter der IKG gewählt und war 1853–63 deren erster Präs. des Vorstands. 1865 erhielt er das Ritterkreuz I. Kl. und 1871 das Komturkreuz des Kgl. Verdienstordens vom Hl. Michael. Im selben Jahr zum kgl.-bayer. Geheimen Finanzrat ernannt, war er Träger des preuß. Roten Adler-Ordens III. Kl.; 1862 Ritter der Eisernen Krone III. Kl. und Erhebung in den Ritterstand.

L.: Die Presse, NFP, 8. 1. 1883 (Parten); WZ, 4. 1. 2013; Die Vorstadtpresse 10, 1883, S. 1f.; E. C. Corti, Der Aufstieg des Hauses Rothschild 1770–1830, 1927, S. 390; E. C. Corti, Das Haus Rothschild in der Zeit seiner Blüte 1830–71, 1928, passim; H. Jäger-Sunstenau, Die geadelten Judenfamilien im vormärzl. Wien, phil. Diss. Wien, 1950, S. 182f.; R. Holzer, Villa W., 1960, S. 18ff., 38ff.; R. Komanovits, Der Wirtschaftsadel unter K. Franz II. (I.) … 1792 bis 1815, 2, phil. Diss. Wien, 1974, S. 476f.; J. Bartl, Villa W. – Vom geistigen Treffpunkt zum musealen Gedenkraum, phil. DA Wien, 1990, S. 5ff.; K. Rossbacher, Literatur und Bürgertum, 2003, S. 65ff.; G. Gaugusch, Wer einmal war. A–K, 2011, S. 974, L–R, 2016, S. 1817; AVA, Jüd. Mus., beide Wien.
(R. Müller)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 70, 2019), S. 148f.
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