Wertheimer, Paul (1874–1937), Schriftsteller, Journalist und Rechtsanwalt

Wertheimer Paul, Schriftsteller, Journalist und Rechtsanwalt. Geb. Wien, 4. 2. 1874; gest. ebd., 19. 3. 1937; mos. Sohn des Kaufmanns Samuel W. und der Katharina W., geb. Weiss; ab 1913 verheiratet mit der Schauspielerin Anna Maximiliane Julie W., geb. Kleiter, Künstlername Mia Evers (geb. 21. 3. 1886; gest. 1961). – W. legte 1892 am Akadem. Gymn. die Matura ab und stud. 1892–96 an der jurid. Fak. der Univ. Wien (1898 Dr. iur.). Danach praktizierte er als Rechtsanwalt, wandte sich aber zunehmend der Schriftstellerei und dem Journalismus zu. Seine Ged., Kurzgeschichten, Literaturrezensionen und Feuilletons erschienen in zahlreichen Kunstz. wie „Die Zeit“, „Der Merker“ oder „Pan“ sowie in österr. Tagesztg. Ab 1921 gehörte er der Red. der „Neuen Freien Presse“ an und wurde einer der bekanntesten Vertreter des Wr. Feuilletons. W. zählte zum literar. Zirkel Jung-Wien um →Hermann Bahr und legte 1896 seinen ersten Ged.bd. vor. In seinem lyr. Werk beschwört er das Bild eines bereits untergegangenen idyll. Wien herauf („Das war mein Wien. Verliebtes, Verspieltes, Verklungenes“, 1920; „Sommerhaidenweg. Neue Gedichte“, 1921). Einige seiner Ged. wurden vertont, u. a. von Alexander Zemlinsky. Hauptsächl. als Lyriker anerkannt, war W. auch als Dramatiker tätig. Erfolg, v. a. an dt. Bühnen, hatte er mit seiner Komödie „Die Frau Rat“ (1920 am Theater an der Wien uraufgef.), in deren Mittelpunkt die Persönlichkeit von Goethes Mutter zur Zeit der französ. Besetzung Frankfurts steht. Dagegen ist „Menschen von heute“ (1924 am Dt. Volkstheater uraufgef.) in der Zeit der Nachkriegsinflation angesiedelt und spielt im Milieu des verarmten Mittelstands. Für seine 1930 am Dt. Volkstheater uraufgef. volkstüml. Komödie „Stadtpark“, in der die Lebenswege von Wr. Kindern aus unterschiedl. sozialen Schichten nachgezeichnet werden, erhielt er einen Anerkennungspreis dieser Bühne. Die 1914 erschienene Novellensmlg. „Der Brand der Leidenschaften“ verschaffte ihm auch als Prosaschriftsteller Beachtung. Seine Essaybde. „Kritische Miniaturen. Essais zur modernen Literatur“ (1912) und „Brüder im Geiste. Ein Kulturbilderbuch“ (1923) versammeln Schriftstellerporträts von der Antike bis zur Gegenwart. W. war außerdem Hrsg. kultur- und theaterhist. Werke („Alt-Wiener Theater“, 1920) und Übers. (Oscar Wilde, „Der Sozialismus und die Seele des Menschen“, 1906). Einem größeren Publikum wurde er durch die „Volkstümlichen Vorträge“ an Wr. Volksbildungshäusern und bei Radio Wien bekannt. 1923 wurde er in die Rechtsschutzkomm. des Schutzverbands dt. Schriftsteller in Österr. berufen. Für sein literar. Werk erhielt W. 1919 den Bauernfeld-Preis. Er war ab 1903 Mitgl. des Journalisten- und Schriftsteller-Ver. „Concordia“.

Weitere W.: Die Frau des Raja, 1906; Wenn zwei dasselbe tun, 1909; Goldreifchen, 1909 (Libretto, gem. m. M. Evers, Musik: R. Fall); Im Lande der Torheit, 1910; Joujou und andere lustige Geschichten, 1912; Der Triumphzug des Eros, 1926; Respektlose Geschichten, 1930; Welt- und Weiberspiegel, 1931. – Ed.: F. Gräffer, Alt-Wr. Guckkasten … 1785–1852, 1912.
L.: NFP, 19., 21. (Parte), WZ, 21. 3. 1937; Jb. der Wr. Ges.; Killy; Kosch; Nagl–Zeidler–Castle 4, s. Reg.; H. Kraszna, Advokatenporträts, 1920, S. 71ff.; Die österr. Literatur … (1880–1980) 1, ed. H. Zemann, 1989, S. 145; G. Steinberger, Vernichtung, Vertreibung, Anpassung und Aufstieg von Journalisten im „Ständestaat“ und im „Dritten Reich“ 2, phil. DA Wien, 1990, S. 441; IKG, UA, WStLA, alle Wien.
(Ch. Kanzler)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 70, 2019), S. 146f.
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