Werthner, Adolf; eigentl. Nathan (1828–1906), Zeitungsherausgeber

Werthner Adolf, eigentl. Nathan, Zeitungsherausgeber. Geb. Breslau, Preußen (Wrocław, PL), 29. 5. 1828; gest. Wien, 26. 1. 1906; bis 1851 mos., dann röm.-kath. Sohn des Handelsmanns Josef W. (gest. Breslau, 21. 11. 1868) und der Johanna W., geb. Schweitzer (gest. Breslau, 16. 10. 1867), Vater u. a. von August W., Franz W., Max W. und Georg W. (1862–1906), Angestellter bei der „Neuen Freien Presse“, sowie von Dr. Rudolf W. (gest. Wien, 23. 1. 1931), Red. ebd.; ab 1852 verheiratet mit Maria Magdalena W., geb. Bauer (geb. 20. 5. 1831; gest. 4. 12. 1913). – W. absolv. die Kgl. Wilhelmsschule in Breslau, war danach kurze Zeit als Kaufmann tätig und versuchte sich als Opernsänger und Musiker. Anfang der 1850er-Jahre übersiedelte er nach Wien und trat 1851 in die Red. der Tagesztg. „Die Presse“ ein, die sich zu diesem Zeitpunkt in einer schwierigen Lage (tw. Verbot, Einschränkung der polit. Ber.erstattung bzw. der Pressefreiheit durch die Preßordnung von 1852 etc.) befand. Deshalb gab der Hrsg. August Zang wirtschaftl. Belangen mehr Raum. Zu W.s wichtigsten Aufgaben gehörten der Aufbau eines leistungsfähigen Vertriebs und die Pflege des Inseratenteils. Gem. mit Alexander Zeiß schuf er innerhalb eines Jahres ein dichtes Vertriebsnetz, das wenig später auch auf die Vorstädte Wiens ausgedehnt wurde. Eine noch größere Herausforderung stellte der rasche Versand der Ztg. in die Kronländer und ins Ausland dar, da der Ausbau des Eisenbahnnetzes erst in den 1850er-Jahren in großem Stil erfolgte. Der Inseratenteil der „Presse“ umfasste schon bald 3–4 Seiten tägl., auch die Aufl. stieg kontinuierl. und bereits nach kurzer Zeit übertrug Zang W. die gesamte wirtschaftl. Leitung der Ztg., die er bis 1864 innehatte. Im September 1864 gründeten →Max Friedländer, →Michael Etienne und W. die „Neue Freie Presse“, wobei die Neugründung von seiner Mitwirkung abhängig gemacht worden war. W. oblag beim neuen Bl. die gesamte Administration. Zwar waren Friedländer und Etienne nach außen hin die prägenden Figuren, zum wirtschaftl. Erfolg leistete W. aber einen erhebl. Beitr., weshalb er auch Miteigentümer wurde. Im Februar 1870 erwarb die Union-Bank das Bl.: Friedländer und Etienne verpflichteten sich, drei Jahre lang kein Konkurrenzbl. zu gründen und die drei Gründer wurden gleichberechtige Mithrsg. Gleichzeitig betrieben sie aber bis zum März 1873 die Umwandlung des Unternehmens in eine AG. Im Mai desselben Jahres wurde diese schließl. als Österr. Journal AG von der Anglo-Österr., der Union- und der Börse-Bank mit einem Aktienkapital von 15 Mio. fl gegr. und sie erwarb i. d. F. die Tagesztg. Etienne wurde Präs., W. Vizepräs. des Verw.R. der AG. Die Ztg. präsentierte sich bei der Wr. Weltausst. mit einem eigenen Pavillon als einzige Wr. Tagesztg. von überregionaler Bedeutung, da bereits ca. 60 % ihrer Aufl. außerhalb Wiens ihre Abnehmer fanden. Als die Börse-Bank im Dezember 1873 liquidiert wurde, erlangte zeitweilig →Moritz Frh. v. Hirsch die Aktienmehrheit an der Journal AG, die beträchtl. Gewinne abwarf und ihre Bankverbindlichkeiten bis Ende der 1880er-Jahre weitgehend tilgen konnte. Nach dem Tod Etiennes 1879 blieb W. vorübergehend alleiniger Hrsg. der „Neuen Freien Presse“. Ab April 1880 fungierte →Eduard Bacher als Mithrsg., ab Jänner 1881 auch der Leiter des Wirtschaftsteils →Moriz Benedikt. Als die neu gegr. Länderbank zu Beginn der 1880er-Jahre das Aktienpaket Hirschs übernehmen wollte, gelang es W., Bacher und Benedikt, von der Anglo-Österr. Bank einen Kredit zu erlangen, der vom Bankhaus Rothschild garantiert wurde, um die Gefahr einer polit. Einflussnahme durch die Regierung Taaffe im Wege der Länderbank abzuwenden. In den folgenden Jahren bestimmten zwar Bacher und Benedikt den polit. Kurs, als Verw.R.-Präs. der Österr. Journal AG konnte W. seinen Einfluss aber wahren und partizipierte als Aktionär an den hohen Gewinnen der Ztg. Mit Jahresende 1896 legte er die Leitung der Administration zurück, fungierte aber bis zu seinem Tod als Präs. der AG. Seine Söhne blieben als Verw.R. und Angestellte mit dem Ztg.verlag verbunden und wahrten so einen gewissen Einfluss der Familie auf das Bl.

L.: Klagenfurter Ztg., 26. 2. 1870; Neues Fremden-Bl., 11. 6. 1873, 18. 4. 1875; Morgen-Post, 19., 21. 5., Der Reporter, 15. 11. 1874; Das Vaterland, 20. 3. 1877, 18., 19. 11. 1880; NFP, 31. 12. 1896, 26. (Abendbl.), 27. 1. 1906; Neues Wr. Journal, 27. 1. 1906; Kosel 1; H. M. Richter, in: Wien 1848–88, 2, 1888, S. 441ff.; W. Pasteyrik, Die alte „Presse“ (1848–64), phil. Diss. Wien, 1948, S. 185ff., 243f., 253f., 290ff.; Ein Stück Österr. 150 Jahre „Die Presse“, ed. J. Kainz – A. Unterberger, 2. Aufl. 1998, s. Reg.; A. L. Staudacher, Jüd. Konvertiten in Wien 1782–1868, 2, 2002; Pfarre Schottenfeld, WStLA, beide Wien.
(Th. Venus)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 70, 2019), S. 150f.
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