Wessely (Wesselý, Vesely), Josefine (Josefa) (1860–1887), Schauspielerin

Wessely (Wesselý, Vesely) Josefine (Josefa), Schauspielerin. Geb. Wien, 18. 3. 1860; gest. Karlsbad, Böhmen (Karlovy Vary, CZ), 12. 8. 1887 (begraben: Wien); röm.-kath., ab 1878 altkath. Tochter des Schneiders und Schuhmachers Josef W. (Vesely) (geb. 23. 2. 1829; gest. 21. 8. 1890) aus Mähren und der Winzerstochter Maria W. (Vesely), geb. Gruber (geb. Unterretzbach, NÖ, 23. 6. 1833; gest. 9. 12. 1879), Schwester des Schauspielers und Leiters des Passauer Stadttheaters (1914–26) Ludwig August W. (Künstlernamen Wessely-Wesselsky, Wesselsky) (geb. 4. 8. 1876; gest. 1. 10. 1955), Tante der Schauspielerin Paula W. (geb. Wien, 20. 1. 1907; gest. ebd., 11. 5. 2000). – Nach kurzem Privatunterricht bei →Carl Adolph Friese absolv. W. 1874–76 die neu gegr. Schauspielschule am KdM in Wien. Ihr erster öff. Auftritt erfolgte 1875 im Rahmen von Schulauff. als Franziska in →Heinrich Laubes „Die Karlsschüler“. Bei der abschließenden Concoursvorstellung gewann sie den 1. Preis sowie die silberne Ges.medaille. Bereits im Dezember 1875 engag. sie →August Förster für das Leipziger Stadttheater, wo sie in der Eröffnungsvorstellung der Dion. Förster im Juli 1876 als Luise in Schillers „Kabale und Liebe“ debüt. Für das Rollenfach der jugendl. sentimentalen Liebhaberin engag., begeisterte sie u. a. als Emilia Galotti in Lessings gleichnamigem Stück, als Clärchen in Goethes „Egmont“, als Marianne in „Die Geschwister“ oder als Marie Beaumarchais in „Clavigo“. Oft trat sie gem. mit →Josef Kainz auf, so etwa in „Kabale und Liebe“ oder in Grillparzers „Sappho“. Als Ensemblemitgl. spielte sie in Leipzig zuletzt im April 1879, danach folgten unter Förster bis 1882 noch jährl. Gastauftritte, einschließl. in dessen Abschiedsvorstellung. Bereits im Juli 1877 wirkte W. an einem Gastspiel der Hofschauspieler →Konrad Hallenstein, →Ernst Hartmann und →Josef Lewinsky am Berliner Nationaltheater mit und reüssierte als Emilia, Luise, Clärchen, Marie und Marianne. Im November jenes Jahres erhielt sie vom Hofburgtheater unter →Franz Frh. v. Dingelstedt einen Zehn-Jahres-Vertrag, der aber erst mit Juli 1879 beginnen sollte. Die ersten Auftritte am Hofburgtheater erfolgten im Rahmen einer Gastspielreihe im Februar 1878. Neben den bereits genannten Clärchen, Luise und Emilia gab sie an der Seite von →Adolf v. Sonnenthal, →Ludwig Gabillon, Charlotte Wolter, →Anton Friedrich Mitterwurzer, →Friedrich Krastel, Lewinsky und Hartmann Desdemona in Shakespeares „Othello“ und Margarethe in Goethes „Faust“. Ihre eigentl. Antrittsrolle spielte W. bereits im Mai 1879, die Titelpartie in Schillers „Johanna von Orleans“. Zu ihrem Repertoire zählten sämtl. Partien der jugendl. Sentimentalen. An neuen Rollen gab sie u. a. Julia in Shakespeares „Romeo und Julia“, Amalia in Schillers „Die Räuber“, Recha in Lessings „Nathan der Weise“, Chrysothemis in Sophokles’ „Elektra“, Elisabeth in Schillers „Don Carlos“, Isabel in Calderons „Der Richter von Zalamea“, Cordelia in Shakespeares „König Lear“, die Titelpartien in Hebbels „Agnes Bernauer“ sowie Halms „Griseldis“, Maria in Paul Lindaus „Maria Magdalena“ und Fanchon in Birch-Pfeiffers „Die Grille“. Des Weiteren stellten Rollen aus Grillparzerdramen einen wichtigen Tl. ihres Repertoires dar: Bertha aus „Die Ahnfrau“, Erny aus „Ein treuer Diener seines Herrn“ oder Hero aus „Des Meeres und der Liebe Wellen“. Auftritte in Lustspielen oder Komödien bildeten die Ausnahme, wie etwa Olivia in Shakespeares „Was ihr wollt“ oder Edrita in Grillparzers „Weh dem, der lügt“. 1880 wirkte W. in München am Gesamt-Gastspiel hervorragender dt. Bühnenmitgl. („Mustervorstellungen“) mit. Bereits 1883 wurde sie zur Hofschauspielerin ernannt. Als gesundheitl. Probleme auftraten und gleichzeitig die Rollenangebote abnahmen, stellte W. 1884 ein Entlassungsgesuch, das jedoch abschlägig beschieden wurde. Ihre letzte Premiere am Hofburgtheater spielte W. im Februar 1887 als Paula in Victorien Sardous „Georgette“, ihre letzte Vorstellung gab sie, bereits schwer von ihrer Krankheit gezeichnet, Anfang Mai 1887 in der Titelrolle von Alexandre Dumasʼ (Sohn) „Denise“. Eine Kur in Karlsbad sollte Genesung bringen, W. erlag jedoch bereits kurz nach der Ankunft ihrem chron. Leberleiden. Sie war Trägerin der kgl. bayer. Ludwigsmedaille für Kunst und Wiss. und wurde in unzähligen Porträts verewigt, so etwa von Eduard Charlemont, →Josef Huttary (Ehrengalerie des Burgtheaters), →Anton Ebert (Theatermus.) sowie →Alexander Demetrius Goltz (Wien Mus.). Der von Josef Fux gestaltete Hauptvorhang für das 1888 neu am Ring eröffnete Hofburgtheater zeigte sie als Genius zwischen Wolter als trag. sowie →Katharina Schratt als heiterer Muse.

L.: Prager Abendbl., 29. 8. 1887; Neues Wr. Journal, 18. 3. 1930; Amtsbl. der Stadt Wien, 28. 2. 1931; AZ, 12. 8. 1947; Österr. Neue Tagesztg., 18. 3. 1960; Alth, Burgtheater; Czeike; Eisenberg, Bühne; Ulrich; Wurzbach; Ber. des Conservatoriums … der Ges. der Musikfreunde in Wien, 1875, S. 42, 95f., 1876, S. 35, 60ff.; E. Schiff, in: Die Gartenlaube, 1877, S. 647ff. (m. B.); Dekamerone vom Burgtheater, 1880, S. (285)ff.; L. Meiche, Erinnerungen an J. W., 1887; G. H. Müller, Das Stadt-Theater zu Leipzig …, 1887, S. 159, 180; F. Schulze, Hundert Jahre Leipziger Stadttheater, 1917, S. 237; Dt. Bühnen-Jb. 65, 1957, S. 77; K. Bachler, Gemalte Theatervorhänge in Dtld. und Österr., 1972, S. (83)ff., 111f.; Gy. Sebestyén, Burgtheater-Galerie, 1976, S. 99f., 157 (m. B.); Ch. Blankenstein, Die Merk-würdigen von Gestern und ihre Spuren im Heute, 2011, S. 56f.; HHStA, Pfarre St. Josef ob der Laimgrube, Theatermus., Wienbibl. im Rathaus, alle Wien.
(C. Mayerhofer)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 70, 2019), S. 156f.
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