Wessicken (Wessiken), Josef (Joseph) Heinrich (1837–1918), Architekt

Wessicken (Wessiken) Josef (Joseph) Heinrich, Architekt. Geb. Salzburg (Sbg.), 10. 8. 1837; gest. ebd., 19. 10. 1918; röm.-kath. Enkel des Tischlers Matthias W. (geb. um 1739; gest. Salzburg, März 1815), Sohn des Möbeltischlers Joseph W. (1810–1899), der u. a. die Einrichtung des neugot. Schlosses Anif schuf; ab 1873 mit Therese Meichl, ab 1888 mit Rosina Buchta, geb. Bühlmayer (1845–1909), verheiratet. – W. entstammte einer Tischlerdynastie aus Westfalen, die sich zunächst in Urfahr und um 1800 in Salzburg etablierte. Nach Absolv. der Unterrealschule (1850) erlernte er das Tischlerhandwerk, entschloss sich aber schließl. zu einem Architekturstud., 1857 zunächst in München, 1858–60 an der Wr. ABK bei →Eduard van der Nüll und →August Sicard v. Sicardsburg. 1860 nahm ihn →Friedrich Frh. v. Schmidt in sein Atelier auf und beschäftigte ihn beim Neubau der Lazaristenkirche in Wien 7, ab 1862 als Bauleiter beim Wiederaufbau von Schloss Fischhorn in Bruck im Pinzgau. 1866 wurde W. erneut in Salzburg ansässig und im selben Jahr mit der Regotisierung des Turmhelms der Franziskanerkirche betraut. 1869 folgte er der Berufung zum Dombaumeister nach Mainz, ein mit zahlreichen Bauaufgaben verbundenes Amt, das er 1873 nach einem Zerwürfnis mit dem Domkapitel jedoch zurücklegte. Während dieser Zeit errichtete bzw. plante W. in unverputzten, reduzierten got. Stilformen Kirchenneubauten u. a. in Hessen (Froschhausen, Homburg vor der Höhe), Rheinland-Pfalz (Flonheim, Nieder-Saulheim, Mainz-Gonsenheim), außerdem das St. Vinzenz- und Elisabeth-Hospital und das Haus Schott in Mainz sowie das Konvikt in Dieburg. Bei der Neugestaltung der Schlosskapelle in Kleinheubach konnte er seine Fähigkeiten als Innenarchitekt unter Beweis stellen. Zurück in der Heimat, realisierte W. zwei anspruchsvolle Kirchenbauten mit Doppelturmfassade, die Dekanatskirche in St. Johann im Pongau (1876) und die St. Andrä-Kirche in Salzburg (1892–98, in rotem Backstein), die nur mehr stark verändert erhalten ist. Er wandte sich i. d. F. hauptsächl. der Profanarchitektur zu, wobei er einen zeittyp. Renaissancestil repräsentativen Zuschnitts zur Anwendung brachte. In der Stadt Salzburg errichtete er zwischen 1887 und 1894 die Villen Schmederer, Wessicken, Wöss/ Saullich, Griesberger und Gessele sowie den Generali-Hof, in Böckstein das Jagdschloss Czernin (1902–03), in St. Martin bei Lofer das Schloss Grubhof (ab ca. 1892). Bes. nachhaltig wirkte sich seine Tätigkeit in Bad Gastein aus. Beginnend mit der Villa Mühlberger 1876, umfasste sie mehrere große Hotelbauten, das Postamtsgebäude, drei Ärztevillen, das Kurcasino und die Wandelhalle (beide 1970 abgerissen). Diese Bauten, fast alle von der Baufa. seines Schülers Angelo Comini ausgeführt, betonen die spektakuläre Steillage von Bad Gastein und veränderten das Ortsbild entsprechend seinem Aufstieg zum mondänen Kurort. Daneben wirkte er ab 1876 als Fachvorstand und Prof. der baugewerbl. Abt. an der Staats-Gewerbeschule in Salzburg. W. wurde 1876 Landeskonservator und mit dem Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens ausgez.; 1881 Korrespondent der Zentralkomm. zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und hist. Denkmale, 1898 Baurat und 1902 Oberbaurat.

L.: Salzburger Chronik, 21. 10. 1918; Sbg. Nachrichten, 6. 10. 2018 (m. B.); Thieme–Becker; Wurzbach; L. Krisch, in: Mitt. der Ges. für Sbg. Landeskde. 144, 2004, S. 373ff. (m. B.); E. Rosenmayer, Der Architekt J. W. und sein Wirken in Salzburg, geisteswiss. DA Salzburg, 2006; A. Malle, Vom Tischlerhandwerk zur Architektur. Die Familie W. ..., phil. Diss. Salzburg, 2012, passim; Sbg. Kulturlex., ed. P. Mittermayr – H. Spängler, 2019; W. Thaler, Pongauer!, 2019, S. 143ff.; ABK, Wien; ABK, München, D.
(N. Schaffer)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 70, 2019), S. 159f.
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