Wettstein von Westersheim, Friedrich (Fritz) Ritter (1895–1945), Botaniker

Wettstein von Westersheim Friedrich (Fritz) Ritter, Botaniker. Geb. Smichow, Böhmen (Praha, CZ), 24. 6. 1895; gest. Trins (Tirol), 12. 2. 1945; röm.-kath. Bis zur Trennung in eine österr. und ung. Linie nannte sich die Familie v. Westersheimb. Sohn von →Richard W. Ritter v. W. und Adelheid Elisabeth W. Edle v. W. (geb. Innsbruck, Tirol, 15. 3. 1863; gest. Wien, 30. 6. 1938), Tochter von →Anton Kerner v. Marilaun, Bruder des Zoologen Otto W. Ritter v. W. (geb. Wien, 7. 8. 1892; gest. ebd., 10. 7. 1967) und des Agrarbiologen Wolfgang W. Ritter v. W. (geb. Smichow, 22. 6. 1898; gest. Dobersberg, NÖ, 7. 2. 1984), Vater des Biologen Dietrich Holger (Diter) v. Wettstein (1929–2017); ab 1921 verheiratet mit Else Jesser (geb. Marburg, Stmk. / Maribor, SLO, 2. 7. 1897; gest. München, D, 3. 12. 1961). – Nach Besuch des Franz-Joseph-Gymn. in Wien stud. W. ab 1913, unterbrochen durch seine Kriegsdienstleistung, Botanik und Zool. an der Univ. Wien. Seine Diss. über den Mykorrhizapilz Geosiphon erschien bereits 1915 in der „Österreichischen botanischen Zeitschrift“; 1919 Dr. phil. 1919–25 Ass. am K.-Wilhelm-Inst. für Biol. in Berlin-Dahlem unter Carl Correns, habil. sich W. 1923 an der Univ. Berlin zum Priv.Doz. für allg. Botanik. 1925 zum o. Prof. der Botanik an die Univ. Göttingen berufen, wechselte er 1931 als Nachfolger des Botanikers Karl v. Goebel an die Univ. München. 1934 wurde W. schließl. als Nachfolger von Correns zum 1. Dir. des K.-Wilhelm-Inst. für Biol. nach Berlin berufen, gleichzeitig erhielt er eine o. Professur an der Univ. Seit früher Jugend naturwiss. interessiert, legte W. schon 1912 mit „Die Apidenfauna des Wiener botanischen Gartens“ (in: Mitt. des naturwiss. Ver. an der Univ. Wien 10) seine erste wiss. Publ. vor. Neben einigen eher traditionellen botan. Arbeiten, wie „Floristische Mitteilungen aus den Alpen“ (in: Österr. botan. Z. 68, 1919, und 70, 1921), zeigte sich jedoch bald sein Interesse für Genetik, die Erforschung allg. biolog. Gesetzmäßigkeiten in der Individualentwicklung und Fragen der Gestalt- und Artbildung. Seine grundlegende Veröff. über „Morphologie und Physiologie des Formwechsels der Moose auf genetischer Grundlage“ (in: Z. für induktive Abstammungs- und Vererbungslehre 33, 1924, Tl. 2 in: Bibliotheca genetica 10, 1928) machten W. in kürzester Zeit als Genetiker bekannt. In späteren Jahren zunehmend auch als Wiss.organisator tätig, gab er die Z. „Fortschritte der Botanik“ sowie die „Zeitschrift für induktive Abstammungs- und Vererbungslehre“ heraus und red. die 4. Aufl. des „Handbuchs der systematischen Botanik“ (1935) seines Vaters. Obwohl im eigentl. Sinn unpolit. und keiner Partei zugehörig, verstand es W. durch hervorragende Kontakte zum Reichsminister für Wiss., Erziehung und Volksbildung Bernhard Rust, dem K.-Wilhelm-Inst. für Biol. auch in schwierigen Zeiten erhebl. Forschungsgelder zu sichern. In der NS-Zeit forschte er weiter an der genet. Grundlage von Artbildung und Evolution, v. a. bei Moosen und Nachtkerzen. Mehrfach betonte er die fachl. Wichtigkeit der dt. Pflanzen- und Tiergenetik als bedeutenden Gegenpol zur personell sehr gut ausgestatteten amerikan. Forschung. W. war u. a. ab 1919 Mitgl. der Dt. Botan. Ges., ab 1928 o. Mitgl. der Akad. der Wiss. zu Göttingen, ab 1934 k. M. der Bayer. Akad. der Wiss., ab 1935 o. Mitgl. der Preuß. Akad. der Wiss., ab 1936 Mitgl. der Dt. Akad. der Naturforscher Leopoldina sowie ab 1939 k. M. der Akad. der Wiss. in Wien.

Weitere W.: s. Stubbe.
L.: Almanach Wien 95, 1947, S. 401ff.; Stafleu; Chronica botanica 1, 1935, S. 129f. (m. B.); F. W. Sansome, in: Nature 156, 1945, S. 328; A. Kühn, in: Z. für Naturforschung 1, 1946, S. 48ff.; O. Renner, in: Die Naturwiss. 33, 1946, S. 97ff.; O. Renner, in: Jb. der Bayer. Akad. der Wiss. 1944/48, 1948, S. 261ff.; F. Knoll, in: Österr. Naturforscher und Techniker, 1950, S. 114ff. (m. B.); H. Stubbe, in: Jb. der Dt. Akad. der Wiss. zu Berlin 1950/51, 1951, S. 168ff. (m. W.); H. Gams, in: Chronica botanica 12, 1951, S. 178f.; J. H. Barnhart, Biographical notes upon botanists 3, 1965; W. Plarre, in: Geschichte der Botanik in Berlin, 1990, S. 150ff. (m. B.); U. Deichmann, Biologen unter Hitler, 1992, s. Reg.; K. Skiebe, in: Sachsen-Anhalt – eine Wiege der Pflanzenzüchtung, 1998, S. 25ff. (m. B.); B. Gausemeier, Natürl. Ordnungen und polit. Allianzen, 2005, s. Reg. (m. B.); UA, Wien; Kostel sv. Václava, Praha, CZ; Mitt. Penny v. W.-Knowles, Værløse, DK.
(M. Svojtka)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 161f.
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