Wetzer, Leander von (1840–1904), Archivar, Historiker und Offizier

Wetzer Leander von, Archivar, Historiker und Offizier. Geb. Freiburg im Breisgau, Großhg.tum Baden (D), 17. 2. 1840; gest. Wien, 10. 3. 1904; röm.-kath. Sohn des Orientalisten an der Univ. Freiburg Heinrich Joseph W. (geb. Anzefahr, Erzbistum Mainz/D, 19. 3. 1801; gest. Freiburg im Breisgau, 5. 11. 1853) und der Amalie W., geb. Schindler; ab 1875 verheiratet mit Leontine v. W., geb. Freiin v. Sacken (gest. Wien, 26. 2. 1917). – Nach Absolv. des Lyzeums besuchte W. 1854–57 die Pionierschule in Tulln, von wo er als Korporal zum Pionierkorps (ab 1867 Pionierrgt.) ausgemustert wurde. 1859 Lt., machte er den Feldzug in Italien mit und wurde v. a. im Brückenbau eingesetzt. 1865 zum Oblt. befördert, zeichnete er sich 1866 im Krieg gegen Preußen aus. Nach Abschluss der Kriegsschule kam W. 1868 als Gen.stabsoff. nach Krakau. Seine dort entstandenen ersten kleineren fachschriftsteller. Versuche zeigten nicht nur sein wiss. Interesse, sondern ließen auch den Gen.stab auf W. aufmerksam werden. Nach einer kurzen Verwendung im Reichskriegsmin. in Wien transferierte man W. 1871 in das Kriegsgeschichtl. Bureau des Gen.stabs, wo er 1872 zum Hptm. avancierte und an dem ab 1876 erscheinenden Werk über die „Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen“ (21 Bde.) mitarbeitete, das er 1892 zum Abschluss brachte. 1875–80 unterrichtete W. Heeresadministration und administrativen Gen.stabsdienst an der Kriegsschule in Wien (1879 Mjr.), 1880 wurde er als Baon.kmdt. zum IR Nr. 41 nach Znaim, 1882 als Gen.stabschef der 19. Inf.-Truppendiv. nach Pilsen versetzt. 1883 Obstlt., kehrte er 1884 in die kriegsgeschichtl. Abt. des KA nach Wien zurück, deren Leitung er – zum Obst. befördert – 1886 übernahm. 1888 erhielt W. den Posten des Dir. des gesamten KA, das er durch eine Reorganisation zu einer Musterinstitution ausgestaltete. Er ordnete die Akten-, Karten- und Büchersmlgg. neu, förderte das Personal durch Weiterbildungen am Inst. für österr. Geschichtsforschung und öffnete das Archiv für die Wiss. Seine „Dienstvorschrift für das k. u. k. Kriegsarchiv“ (1899) hatte in ihren Grundlagen (z. B. Methoden der Forschung, Archivordnung) noch weit bis ins 20. Jh. Gültigkeit. 1892 GM, 1895 FML, trat W. 1901 als FZM ad honorem i. d. R. W. verstand es, die Kluft zwischen allg. Geschichtsschreibung und Militärgeschichte zu überwinden, und betonte, dass nur die Gesamtbetrachtung des Heerwesens in Verbindung mit Politik, Wirtschaft, Verkehr, aber auch mit anderen Bereichen des öff. Lebens zu einer wahrheitsgetreuen Analyse hist. Ereignisse führen kann. Insbes. legte er Wert darauf, neben den in- v. a. ausländ. Archivquellen für seine Forschungen auszuwerten. 1870 war er Mitbegründer des „Organs des Wiener militär-wissenschaftlichen Vereines“, ab 1886 gab er die „Mitteilungen des k. u. k. Kriegsarchivs“ heraus. W. war Mitgl. des Archivrats im Min. des Innern, ab 1899 der Komm. für neuere Geschichte Österr. und des Kuratoriums des k. u. k. Heeresmus. Er erhielt u. a. 1875 das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens, 1892 jenes des Leopold-Ordens und 1896 das Ehrenzeichen für Kunst und Wiss. 1892 wurde er zum k. M., 1899 zum w. M. der k. Akad. der Wiss. in Wien gewählt; 1887 nob., 1901 w. Geh. Rat.

Weitere W.: s. Almanach; Broucek – Peball.
L.: NFP, WZ, 12. 3. 1904; Almanach Wien 54, 1904, S. 379ff. (m. B. u. W.); Biograph. Jb. 10, 1907, S. 327ff.; Mitt. des k. u. k. KA 3, 1904, S. VIIff.; P. Broucek – K. Peball, Geschichte der österr. Militärhistoriographie, 2000, s. Reg. (m. W.); F. Fellner – D. A. Corradini, Österr. Geschichtswiss. im 20. Jh., 2006; KA, Pfarre Votivkirche, UA (m. B.), alle Wien.
(D. Angetter)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 163f.
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