Weyr, Emil (1848–1894), Mathematiker und Geometer

Weyr Emil, Mathematiker und Geometer. Geb. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 1. 9. 1848; gest. Wien, 25. 1. 1894 (begraben: Praha); röm.-kath. Sohn des Realschullehrers für Mathematik und Physik Franz W. (1820–1889) und der Marie Rumpl (1825–1889), ab 1850 verheiratete W., Bruder u. a. von →Eduard W., Friedrich W. (1853–1908), Chemiker und Zuckerfabriksdir. in Hullein, Anna W. (1854–1884), der Frau von →August Seydler, und Helena W. (1867–1955), Schwägerin von →Alfred Grünfeld, Vater u. a. von Franz W. (geb. Wien, 25. 4. 1879; gest. Brno, Tschechoslowakei/CZ, 29. 6. 1951), Richter und Prof. an der Univ. Brünn, Präs. des statist. Staatsamts und Mitarb. an der tschechoslowak. Verfassung von 1920; ab 1877 verheiratet mit Marie W., geb. Waniek Edle v. Domyslow (geb. Brünn, Mähren / Brno, CZ, 18. 8. 1860; gest. Pyšely, Tschechoslowakei/CZ, 5. 7. 1934). – W. besuchte 1859–65 die dt. Oberrealschule in Prag und erwarb sich auch Lateinkenntnisse. 1865–68 stud. er am polytechn. Inst. in Prag Mathematik, wo er bes. die Vorlesungen zur neueren Geometrie von Wilhelm Fiedler hörte. 1868–70 war W. Ass. der Höheren Mathematik bei Heinrich Durège (ab 1869 am dt. polytechn. Inst.), unter dem seine beiden einzigen Abhh. mit mathemat.-physikal. Inhalt entstanden. Danach wandte er sich immer mehr der neueren und darstellenden Geometrie zu; 1869 Dr. phil. an der Univ. Leipzig. 1869–70 diente er als Einjährig-Freiwilliger, war daneben aber weiter als Ass. tätig. Bereits 1870 habil. er sich, von →Ernst Mach ermutigt, für neuere Geometrie. Im selben Jahr vertiefte W. seine Kenntnisse über projektive und synthet. Geometrie am Polytechnikum in Mailand bei Luigi Cremona, mit dem ihn später eine lebenslange Freundschaft verband. 1871 reiste er erneut ans Mailänder Polytechnikum, weiters besuchte er die Univ. Padua, Bologna, Pisa, Florenz, Rom und Neapel, um bes. die akadem. Lehre kennenzulernen. Ab Oktober 1871 suppl. ao. Prof. für Mathematik am tschech. Polytechnikum, übernahm er im Dezember des Jahres eine ao. Professur. Daneben fungierte er als Priv.Doz. an der Univ. 1873 fuhr er erneut nach Italien, 1874 nach Frankreich. 1875 erhielt er einen Ruf als Prof. für Mathematik an die Univ. Wien. W. widmete sich bes. der projektiven Geometrie und der Theorie der Involutionen. Bis 1883 beschäftigten ihn dabei Kurven vom Geschlecht Null, danach Kurven vom Geschlecht Eins. Bereits 1880 erschienen seine „Beiträge zur Curvenlehre“. W. publ. gem. mit seinem Bruder Eduard die ersten Werke über Höhere Geometrie in tschech. Sprache („Základové vyšší geometrie“, 3 Tle., in: Živa. Sborník vědecký Mus. království Českého 8, 1871, 11, 1874, 12, 1878). Erwähnenswert sind auch seine Monographien „Die Elemente der projectivischen Geometrie“ (2 Bde., 1883, 1887) und „Über die Geometrie der alten Aegypter“ (1884). Weiters übers. er gem. mit Eduard W. Werke von Cremona ins Tschech. W. gründete 1890 gem. mit →Gustav v. Escherich die „Monatshefte für Mathematik und Physik“, die er mit diesem hrsg. und in denen er auch selbst publ. Darüber hinaus machte er sich um die Etablierung der Geometrie in Österr. als Unterrichtsfach verdient, wobei er eine Reihe von Schülern, u. a. Karl Carda, Robert Daublebsky v. Sterneck d. J., →Gustav Kohn, →Alfred Tauber und →Wilhelm Wirtinger, beeinflusste. Vielfach geehrt, war W. u. a. ab 1870 (Gründungs-)Mitgl. (ab 1872 Präses, ab 1874 ständiger Sekr. und ab 1875 Ehrenmitgl.) des Ver. böhm. Mathematiker Spolek pro volné přednášky z mathematiky a fysiky, der ab 1872 die Z. „Časopis pro pěstování mathematiky a fyziky“ und ab 1874 das von W. red. „Archiv mathematiky a fysiky“ hrsg.; ab 1870 ao. Mitgl., ab 1876 auswärtiges Mitgl. der Kgl. böhm. Ges. der Wiss., ab 1872 Mitgl. der Société mathématique de France in Paris, ab 1875 k. M., ab 1882 w. M. der k. Akad. der Wiss. in Wien, ab 1888 Mitgl. der Dt. Akad. der Naturforscher Leopoldina und 1890 o. (Gründungs-)Mitgl. der Böhm. K. Franz Joseph-Akad. der Wiss., Literatur und Kunst; 1893 HR. 1875 wurde der W.-Preis für geometr. Arbeiten gestiftet.

Weitere W.: s. Eisenberg; Poggendorff; Wurzbach; Pánek; Kohn; Peppenauer; Bečvář, 2006.
L.: Almanach Wien 44, 1894, S. 244ff. (m. B.); Eisenberg 2 (m. W.); Poggendorff 3–4 (m. W.); Wurzbach (m. W.); A. Pánek, in: Časopis pro pěstování mathematiky a fysiky 24, 1895, S. (161a ff.) (m. W.); G. Kohn, in: Jahresber. der dt. Mathematiker-Vereinigung 4, 1894–95, 1897, S. 24ff. (m. W.); V. Posejpal, Dějepis Jednoty českých mathematiků, 1912, bes. S. 32ff. (m. B.); H. Peppenauer, Geschichte des Stud.faches Mathematik an der Univ. Wien von 1848–1900, phil. Diss. Wien, 1953, S. 210ff., 367ff., 416ff. (m. W.); F. Veselý, 100 let Jednoty československých matematiků a fyziků, 1962, s. Reg.; J. Folta – L. Nový, in: Sto let České vysoké školy technické v Praze ..., 1969, S. 254ff.; J. Bečvář, in: Pokroky matematiky, fyziky a astronomie 39, 1994, S. 102ff.; J. Bečvář u. a., E. W. a jeho pobyt v Itálii …, 2006 (m. B. u. W.); M. Bečvářová, in: Von der Tontafel zum Internet, ed. Ch. Binder, 2006, S. 150ff.; M. Bečvářová, Česká matematická komunita v letech 1848 až 1918, 2008, s. Reg.; D. Trkovská, Historický vývoj geometrických transformací, 2015, s. Reg., bes. S. 63ff.; UA, Wien; Kostel sv. Štěpána, Praha, CZ.
(M. Pesditschek)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 166f.
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>