Weyr, Rudolf Ritter von; bis 1909 amtl. Wegr (1847–1914), Bildhauer

Weyr Rudolf Ritter von, bis 1909 amtl. Wegr, Bildhauer. Geb. Altlerchenfeld, NÖ (Wien), 22. 3. 1847; gest. Wien, 30. 10. 1914; röm.-kath. Sohn eines aus Böhmen zugewanderten Schusters, Bruder von Eduard W. (s. u.), Vater des Konz. der k. k. Staatsbahnen Dr. Caesar Ritter v. W. (geb. 27. 2. 1884), Onkel des Malers, Graphikers und Journalisten Siegfried W. (geb. Groß-Mosty, Galizien / Velyki Mosty, UA, 24. 4. 1890; gest. Wien, 21. 3. 1963), Schwager von →Frida Strindberg; ab 1882 verheiratet mit der Journalistin und Schriftstellerin Marie Uhl (geb. Wien, 8. 9. 1864; gest. ebd., 19. 4. 1903), Tochter von →Friedrich Uhl. – W. stud. nach der Oberrealschule 1864–72 an der Wr. ABK unter →Franz Bauer (1867 Füger-Preis, 1870 Reichel-Preis für eine Simson-und-Delila-Gruppe). Zusätzl. absolv. er die Ausbildung zum Res.off. Anschließend arbeitete er bis 1876 im Atelier des ihn schon seit der Schulzeit fördernden Josef Cesar, der mit ihm Stud.reisen nach Dtld., Italien und Paris unternahm. Durch ihn und den Architekten Bruno Gruber kam W. in Kontakt zu →Gottfried Semper, von dem er 1875 seinen ersten bauplast. Auftrag für die Hofmus. erhielt, an deren äußerer und innerer Ausstattung er i. d. F. maßgebl. mitwirkte. Rasch stieg W. zu einem der führenden und international tätigen Ringstraßenbildhauer auf und trug u. a. zur Dekoration des Parlaments, der Univ. und der Hofburg bei. Daneben war W. 1872–92 Lehrer des Modellierens an der gewerbl. Fortbildungsschule auf der Landstraße, ab 1878 Lehrer des Modellierens, 1885 tit. ao. Prof., 1897 ao. Prof., 1913 o.ö. Prof. an der TH Wien. 1881–82 beteiligte er sich an der plast. Dekoration der zugebauten Säle des Künstlerhauses (Büsten 1920 entfernt). Seine neobarocke Ausrichtung und seine spezielle Begabung für das Relief begünstigten eine umfangreiche bauplast. Tätigkeit, doch umfasst W.s weitgespanntes Œuvre alle Formate von kunstgewerbl. Entwürfen über Kleinplastik, Tafelaufsätze, Medaillen (u. a. gem. mit →Anton Scharff die Karl-Ludwig-Medaille, 1875), Porträts, Grabmäler bis zum monumentalen Denkmal. Mehrfach kooperierte W. mit der Silberschmiedfa. Klinkosch und der Glasfabrik Lobmeyr. Auch versuchte er sich in der Radierung. Im Makart-Festzug 1879 galt W.s Eisenbahnwagen als einer der Höhepunkte. Zu den markantesten bauplast. Leistungen zählen die tw. Ausstattung der Kuppelhallen in den Hofmus. (1888–90) und große Teile der Fassadendekoration des Hof-Burgtheaters, insbes. das Bacchuszug-Relief (1882), dessen Modell die Berliner Nationalgalerie erhielt (eine Kopie in Kupfer ausgeführt für das Palais Bleichröder in Berlin), ferner die im 2. Weltkrieg zerstörten Plafondskulpturen des Auditoriums und des Proszeniums (1885ff.) sowie der Brunnen „Österreichs Herrschermacht zur See“ (Michaelertrakt der Wr. Hofburg, 1895). Weiters fertigte er Saalausstattungen im Palais Kinsky (1879–83), Portalmedaillons im Palais Auersperg (um 1880), Türreliefs für das Palais Sturany, Reliefs, die Stock-im-Eisen-Sage darstellend, für die Türflügel des Palais Equitable (1891) und die Plastiken „Flora“ und „Diana“ für die Hermesvilla (Wien 13). 1905 vollendete W. das Canon-Denkmal (Stadtpark, Wien 1) und 1908 das Brahms-Denkmal (Karlsplatz, Wien 4, beide jeweils in reduzierter Form). Wiederholt kooperierte er mit anderen Künstlern, u. a. beim Gefallenen-Denkmal in der Wr. Neustädter Militärakad. (1880), beim Grabmal für die Opfer des Ringtheaterbrands (1886) auf dem Wr. Zentralfriedhof mit →Otto Hofer sowie mit →Carl Frh. v. Hasenauer und →Karl Kundmann beim Grillparzer-Denkmal (1889, Volksgarten, Wien 1). W. profilierte sich als einer der Hauptmeister des Neobarock und trug zusammen mit →Victor Tilgner wesentl. zur Verbreitung französ. Stileinflüsse bei. Namentl. in der entschiedenen Verräumlichung und szenar. Gestaltung des Reliefs kommt ihm eine führende Position zu. Zu seinen wichtigsten Schülern zählten →Johann Scherpe und →Franz Vogl, zu seinen Ateliermitarb. Josef Einspinner und Johann Karafiat. W. war ab 1872 Mitgl., 1898–1900 bzw. 1911–12 Vorstand, ab 1911 Ehrenmitgl. der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens (Künstlerhaus), 1888 Ehrenmitgl. der Wr. ABK. 1888 erhielt er den Orden der Eisernen Krone III. Kl., 1907 wurde er Komtur des Franz Joseph-Ordens und 1911 in den Ritterstand erhoben. Teilnachlässe befinden sich in der Österr. Galerie Belvedere und der ABK. Sein Bruder, der Off. Eduard W. (amtl. Wegr, geb. Wien, 18. 5. 1848; gest. ebd., 22. 3. 1891; röm.-kath.), war verheiratet mit Marie W., geb. Gfn. Reischach. Er erlernte das Schriftsetzergewerbe bei der „Wiener Zeitung“ und besuchte zwei Oberrealschulkl. 1866 verpflichtete er sich zum IR Nr. 71 und besuchte i. d. F. das Kadetteninst. des Prager Generalats und die Brig.-Off.schule in Güns; 1870 Kadett, wurde er zur Kav. versetzt und 1871 beim Dragonerrgt. Nr. 14 zum Lt. befördert; 1876 Oblt. Um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, machte sich der hervorragende Reiter in der Heranziehung von Pferden für die Kav. verdient. 1884 (Rtm. 2. Kl.) wurde er zum Ulanenrgt. Nr. 7 versetzt, 1888 Rtm. 1. Kl.

Weitere W.: Marie-W.-Denkmal, 1907 (Mondsee, 1938 abgebrochen und nur tw. erhalten); „Wein“, „Weib“, „Gesang“, „Tanz“, 1884 (Philipphof, Wien 1, nicht erhalten); K. Franz Joseph, 1895 (TU, Wien 4); Husarenstandbild, 1896 (Haus Kohlmarkt, Wien 1); Löwen des Nussdorfer Wehrs, 1897; Relief Karl der Große, 1906 (Peterskirche, Wien 1); Giebelgruppen des Sparkassengebäudes (Reichenberg); Marktbrunnen, 1907 (Tetschen); Mitarb. am Kronprinzenschrank, 1881 (MAK-Österr. Mus. für angewandte Kunst, Wien); diverse Grabmäler.
L.: WZ (Abendpost), 30., NFP, Neues Wr. Journal, 31. 10. 1914; Czeike; Die Wr. Ringstraße 1, 2, 4, 8/4, 9/1–3; Eisenberg 1; Thieme–Becker; Wurzbach; G. Kapner, Freiplastik in Wien, 1970, passim; Die Univ. am Ring 1884–1984, ed. H. Fillitz, 1984; W. Kitlitschka, Grabkult & Grabskulptur in Wien und NÖ, 1987, passim; B. Haubold, Die Grabdenkmäler des Wr. Zentralfriedhofs von 1874 bis 1918, 1990, S. 28f., 60f., 67f., 106f., 139, 158f.; B. Kriller – G. Kugler, Das Kunsthist. Mus., 1991, s. Reg.; R. Bösel – S. Krasa, Monumente, Wien 1994 (Kat.); The Dictionary of Art 33, 1996; Der Traum vom Glück, ed. H. Fillitz, Wien 1996 (Kat.); Wien, ed. R. Toman, 1999, s. Reg.; Geschichte der bildenden Kunst in Österr. 5, ed. G. Frodl, 2002, s. Reg.; W. Aichelburg, Das Wr. Künstlerhaus 1861–2001, 1, 2003, s. Reg.; St. Jovanovic-Kruspel, Das Naturhist. Mus. Wien, kulturwiss. Diss. Wien, 2007; I.-A. Ginthör-Weinwurm, Die plast. Fassadengestaltung des Naturhist. Mus. in Wien, phil. DA Wien, 2008, passim; R. Zeillinger, Das Grillparzer-Denkmal im Wr. Volksgarten, phil. DA Wien, 2013; W. Aichelburg, 150 Jahre Künstlerhaus Wien 1861–2011 (online, Zugriff 27. 10. 2018); ABK, Pfarre Altlerchenfeld, Pfarre Landstraße-St. Rochus, TU, WStLA, alle Wien. – Eduard W.: Kurier am Sonntag, 27. 6. 1953 (m. B.); WZ, 7. 7. 1957 (m. B.); S. Weyr, Wr. Leutʼ, Wr. Leid …, 1973, S. 88ff.; KA, Wien.
(W. Krause – P. Broucek)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 167f.
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