Whitehead, Robert (1823–1905), Techniker, Erfinder und Industrieller

Whitehead Robert, Techniker, Erfinder und Industrieller. Geb. Bolton-le-Moors (Bolton, GB), 3. 1. 1823; gest. Beckett (Shrivenham, GB), 14. 11. 1905 (begraben: Worth, GB). Sohn des Baumwollbleichers James W. und der Ellen W., geb. Swift, Neffe des Maschinenfabrikanten William Swift, Vater u. a. des Dir. der W.-Werft John W. (1854–1902) und der mit Georg Gf. Hoyos verehel. Alice W. (1851–1922), Großvater von Agathe W. (1891–1922), der 1. Frau von →Georg Ritter v. Trapp; verheiratet mit Frances Maria W., geb. Johnson (1821–1883). – W. besuchte 1837 eine techn. Privatlehranstalt und wurde Lehrling bei William Swift in Manchester. In seiner Freizeit absolv. er eine Ing.ausbildung an der dortigen Mechanicsʼ Institution. 1843 folgte er seinem Onkel nach Marseille und wurde später Konstrukteur in einer Werft in Toulon. 1847 ging W. nach Mailand, wo er als Konsulent mit Maschinen zur Seidenherstellung beschäftigt war, ehe er 1848 als Maschinenkonstrukteur zum Österr. Lloyd nach Triest wechselte. 1850 übernahm er die Leitung der Maschinenfabrik Strudthoff, die später in der Werft Stabilimento Tecnico Triestino (STT) aufging. Als Dir. des Stabilimento Tecnico Fiumano (STF) in Fiume befasste er sich ab 1856 mit dem Entwurf und der Konstruktion von Kesseln und Motoren für die österr. Marine. 1864 wurde W. durch das Marinetechn. Komitee in die Entwicklung des Torpedos von →Johann Luppis v. Rammer einbezogen, woraus 1866 der erste moderne, sog. Fischtorpedo resultierte. W. wandelte Luppisʼ durch Reep gelenktes Sprengboot mit zweidimensionaler Bewegungsfreiheit schrittweise in ein autonomes Unterwassergeschoß mit dreidimensionalem Wirkungsbereich um: Durch den Einbau des von ihm erfundenen Tiefenregulators (1868, später perfektioniert durch W.s sog. Secret) und eines Servomotors (1876) verbesserte er Lauf und Tiefgang des Torpedos entscheidend. Hochseetaugl. und treffsicher machten ihn der von Ludwig Obry entwickelte Geradlaufapparat zur Richtungskontrolle (1895/96) und das von W. geschaffene Unterwasser-Lancierrohr. Mit Luppis kam es indes zum Bruch. 1871 verkaufte W. die Torpedo-Lizenz an Großbritannien, da die österr. Marine auf den ausschließl. Erwerb verzichtete. Nach dem Bankrott des STF 1873 und dem Kauf der Insolvenzmasse gründete er zusammen mit Gf. Hoyos die Torpedofabrik Silurificio Whitehead di Fiume. Sie beschäftigte 1878 schon über 500 Mitarb. und konnte jährl. 500–600 Torpedos erzeugen. 1890 entstand eine Tochterges. in Weymouth, 1905 wurde die Fa. in eine AG umgewandelt. W. war ein vielseitiger, genialer und kreativer Ing. Mit dem Torpedo revolutionierte er den Seekrieg: Wegen der modularen Bauweise der Komponenten, deren stetiger Verbesserung, der Einfachheit seines Gebrauchs und des Abschusssystems eignete er sich als „force-equalizer“ auch für kleine Marinen. Seine Bedeutung im 19. Jh. gleicht jener der Weltraumrakete im 20. Jh. Entgegen W.s angebl. Leitgedanken, dass der Torpedo künftige Seekriege unterbinden sollte, entwickelte er sich jedoch zur heimtück. Waffe mit weltweitem Einsatz. W. wurde u. a. mit dem Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens (1868), dem Orden der Eisernen Krone III. Kl. (1869) und dem Ritterkreuz der Légion d’honneur ausgez.

L.: Die Presse, 22. 8. 1878; NFP, 15. 11. 1905; Wurzbach; G. E. Armstrong, Torpedoes and Torpedo-Vessels, 1896, passim; A. Stehlik, in: ZÖIAV 69, 1917, S. 449ff., 461ff.; Th. Braun, in: Marine-Rundschau 40, 1935, S. 503ff.; E. Gray, Die teufl. Waffe, 1975, s. Reg. (m. B.); E. Schwarzenberg, in: Fiume. Rivista di studi fiumani, 1975, S. 103ff.; A. Casali – M. Cattaruzza, Sotto i mari del mondo. La W. 1875–1990, 1990 (m. B.); R. Branfill-Cook, Torpedo, 2014, s. Reg.; H. W. Malnig, Die Torpedos in der k. u. k. Kriegsmarine, 2014, passim.
(H. W. Malnig)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 168f.
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