Widholz, Laurenz (Lorenz) (1861–1926), Politiker und Funktionär

Widholz Laurenz (Lorenz), Politiker und Funktionär. Geb. Frainspitz, Mähren (Branišovice, CZ), 2. 5. 1861; gest. Wien, 19. 11. 1926; röm.-kath. Unehel. Sohn der Magd Katharina W.; ab 1885 verheiratet mit Johanna W., geb. Gartner (geb. 9. 5. 1859). – W. absolv. eine Tischlerlehre und besuchte eine einschlägige Fortbildungsschule in Wien. Dort schloss er sich der Arbeiterbewegung an. 1889 war er an der Neugründung des Fachver. der Tischler Wiens beteiligt, zu dessen Kassier er bestellt wurde. Im Folgejahr wählte man ihn zum Obmann der Tischlergehilfen in der Wr. Tischlergenossenschaft. In dieser Funktion gehörte W. zu den Führern der Gewerkschaftsbewegung, die unter den erschwerten Bedingungen des Ausnahmezustands versuchte, soziale und polit. Rechte für die Arbeiterschaft durchzusetzen. W. regte die Wahl von Betriebsvertrauensleuten und die Einrichtung eines Streikfonds an und beteiligte sich am Wahlrechtskampf. Unter seiner Führung traten 1894 rund 13.000 Tischlergehilfen in einen Streik für verbesserte Arbeitsbedingungen, zahlreiche weitere Arbeitskämpfe folgten, u. a. zwei Aussperrungen der organisierten Tischlergehilfen 1905 und 1909, die schließl. zum Abschluss von Kollektivverträgen führten. 1891 fungierte W. als Mitbegründer der von →Franz Schuhmeier hrsg. sozialdemokrat. Ztg. „Volkstribüne“, als deren (Mit-)Eigentümer er bis 1903 aufschien. Für seine öff. Reden wurde er mehrfach verurteilt, u. a. 1901 zu drei Monaten Arrest wegen Herabwürdigung der Rechtsbegriffe über das Eigentum. W. trat ab 1896 mehrmals erfolglos als Kandidat der SDAP für den nach Kurienwahlrecht gewählten Wr. Gmd.rat bzw. nö. LT an. Bei den ersten freien und gleichen Männerwahlen zum RR 1907 errang W. ein Mandat für den Wahlkreis Simmering, das er 1911 verteidigte. Als Parlamentarier widmete er sich v. a. sozialpolit. Themen, etwa dem Ausbau der Sozialversicherung oder Gewerkschafts- und Krankenkassenfragen. 1893–1903 Vorstandsmitgl. der Nö. Arbeiter-Unfallversicherungsanstalt, war W. weiters Obmann der Tischlerkrankenkasse, ab 1896 Obmann des Verbands der genossenschaftl. Krankenkassen NÖ, Vors. der Reichskomm. der Krankenkassen Österr. sowie Mitgl. des ständigen Arbeitsbeirats im Handelsmin. 1918–19 gehörte er der prov. Nationalversmlg. an, 1919 erfolgte seine Wahl in die verfassungsgebende Nationalversmlg. (Ende Mai 1919 Niederlegung des Mandats). 1919–20 LHptm.stellv. von NÖ, saß er 1920–26 als Abg. im Nationalrat. Dort setzte sich W. weiter für den Ausbau der Sozialgesetzgebung (etwa die Versorgung von Kriegsinvaliden) und den Lehrlingsschutz ein. Ab 1919 stand er der Komm. zur Vereinheitlichung des Krankenkassenwesens vor, 1919–26 dem Fortbildungsschulrat, wodurch er u. a. für die Errichtung der 2. Wr. Gewerbl. Fortbildungsschule verantwortl. war.

W.: Denkschrift anläßl. des zwanzigjährigen Bestandes der Freien Organisation der Tischler in Wien, 1910; Die Zukunft der Krankenkassen nach dem Kriege. Die Versorgung der Militärhinterbliebenen. Reden von Dr. Leo Verkauf und L. W. … auf der Reichskonferenz der österr. Krankenkassen … 1916, 1916.
L.: AZ, 23. 3. 1901, 20. 11. 1926 (m. B.); Adlgasser; Czeike; Freund, 1911 (m. B.); Der Holzarbeiter 23, 1915; Der Sozialdemokrat 3, 1927, Nr. 1, S. 1 (m. B.); Pfarre Gumpendorf, Ver. für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung, WStLA, alle Wien; Pfarre Branišovice, CZ.
(G. Spitaler)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 176f.
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