Wiedenfeld, Wilhelm Heinrich Ritter von (1788–1874), Unternehmer

Wiedenfeld Wilhelm Heinrich Ritter von, Unternehmer. Geb. Aachen, Freie Reichsstadt (D), 23. 5. 1788; gest. Troppau, Schlesien (Opava, CZ), 29. 11. 1874; evang. HB, später röm.-kath. Sohn eines Tuchfabrikanten aus Burtscheid, der Handel in Frankreich und den Niederlanden trieb sowie ab 1786 Logenmeister und 1799–1807 Großmeister der Freimaurer in Aachen war, Vater von Otto Frh. v. W. (s. u.) und dem Hof- und Gerichtsadvokaten Eduard Ritter v. W. (geb. Troppau, 6. 3. 1817; gest. Wien, 20. 1. 1892; röm.-kath.), Großvater von →Hugo Ritter v. W.; ab 1815 verheiratet mit Johanna W., geb. Engelmann (geb. Troppau, 1. 5. 1796; gest. ebd., 30. 5. 1862). – W. arbeitete ab 1804 in Handelshäusern in Wien. Später beteiligte sich der Kaufmann an Tuchfabriken. 1816 gründete er einen Großhandel für Tuche und Wollwaren in Troppau, der insbes. den lombard. und schweizer. Markt für schles. Textilwaren erschloss. W. förderte v. a. die Produktionsausweitung und Qualitätssteigerung der Stoff- und Textilherstellung in der Region Jägerndorf. 1850–67 Präs. der schles. HGK, leitete er 1854–72 auch die Troppauer Filiale der Österr. Nationalbank. W. gehörte dem Vorstand von Versicherungen und Banken an und setzte sich über Jahrzehnte hinweg für den Ausbau des schles. Eisenbahnnetzes sowie des Troppauer Schulwesens (Gründung des Realgymn. und der Handelsschule) ein. 1851 initiierte und organisierte er die Schles. Ind.ausst. in Troppau. Ab 1851 gehörte er als Vizepräs. dem Landeskomitee zur Verhinderung des Notstands an und beteiligte sich 1867 an der Landeskomm. zur Regelung der Kriegsschäden. 1855 nahm er an den polit. Beratungen zum schles. Landesstatut und 1860 zum Gmd.statut von Troppau teil. Als führender Wirtschaftsvertreter Schlesiens mit guten Kontakten in die Reichshauptstadt beeinflusste W. für zwei Jahrzehnte die regionale ökonom. Struktur und Entwicklung. Ausgez. mit dem Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens 1860 und mit dem Orden der Eisernen Krone III. Kl. 1868, wurde er im selben Jahr in den Ritterstand erhoben. Sein Sohn Otto Frh. v. W. (geb. Troppau, 17. 11. 1818; gest. Altaussee, Stmk., 5. 8. 1877; röm.-kath.), der 1850 Sophia Straschiripka, die Schwester →Johann Straschiripkas (Hans Canon) heiratete, besuchte das Gymn. in Troppau und das Theresianum in Wien. Nach Absolv. der phil. Jgg. 1833–35 stud. er bis 1839 Jus an der dortigen Univ. Im selben Jahr trat er in den Dienst der nö. Landesverwaltung und übernahm zeitweise auch Beamtenstellen in der Hofkanzlei bzw. ab 1849 im Min. des Innern. Er wirkte als Sekr. der Grundentlastungs-Landeskomm., gehörte als Statthaltereirat der Wr. Baukomm. an und war an den Konzeptionen zur Gestaltung der Wr. Ringstraße beteiligt. Als Sektionsrat im Min. des Innern wurde er 1869 zum Statthalterstellv. in die nö. Landesregierung berufen. 1870–72 Sektionschef des Ackerbaumin., amtierte er in der Übergangsregierung unter →Ludwig Frh. v. Holzgethan im Herbst 1871 als Interimsminister. Ab 1872 war er bis zu seinem Tod Statthalter von Österr. ob der Enns und leitete u. a. auch die Finanzdion., die Grundlasten-Ablösungs- und Regulierungskomm. sowie den Landesschulrat. 1865 mit dem Orden der Eisernen Krone III. Kl. und 1874 mit dem Komturkreuz des Leopold-Ordens sowie mit dem preuß. Kronen-Orden II. Kl. mit dem Sterne ausgez., wurde der liberal-verfassungstreue, persönl. aber kath.-konservative Verwaltungsfachmann 1865 in den Ritter- und 1874 in den Frh.stand erhoben.

L.: Troppauer Ztg., 30. 11., 3. 12., WZ, 1. 12. 1874; Wurzbach; Silesia. Kal. für das Hg.thum Schlesien … 2, 1865, S. 58 (m. B.); Die Urne. Jb. für allg. Nekrol. 2, 1874, S. 181; H. F. Macco, Aachener Wappen und Geneal. 2, 1908, S. 238f.; P. Buhl, Troppau von A bis Z, 1973; A. Blömer, Die ref. Familie W., 1984, S. 58; Biografický slovník Slezska a severní Moravy 2, 1994. – Otto v. W.: NFP, WZ (Abendbl.), 6. 8., Die Presse (Abendbl.), 7. 8. 1877; Wurzbach; O. Knauer, Österreichs Männer des öff. Lebens, 1960, S. 100; H. Slapnicka, OÖ – Die polit. Führungsschicht 1861–1918, 1983; R. Lehr, LandesChronik OÖ, 2004, s. Reg.; Biografický slovník Slezska a severní Moravy, Suppl. 1, 2011; Almanach českých šlechtických a rytířských rodů 2025, 2015, S. 475; UA, Wien.
(R. Luft)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 181f.
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