Wiesbaur, Johann Baptist (1836–1906), Naturwissenschaftler, Lehrer und Geistlicher

Wiesbaur Johann Baptist (SJ), Naturwissenschaftler, Lehrer und Geistlicher. Geb. Wallnstorf (Oberösterreich), 15. 6. 1836; gest. Schloss Leschna, Mähren (Zámek Lešná, CZ), 8. 11. 1906; röm.-kath. Sohn des Bauern Joseph Wiesbaur (gest. Wallnstorf, 12. 7. 1883) und der Maria Wiesbaur, geb. Hauwirth. – Nach dem Besuch des Gymnasiums in Linz trat W. 1858 in Baumgartenberg in die Gesellschaft Jesu als Novize ein und erhielt seine Ausbildung bis 1861 am Linzer Freinberg, 1862–63 in Kalksburg bei Wien, 1864 kurzzeitig in Pressburg, 1865–66 wieder in Linz und 1867–69 erneut in Pressburg. Teilweise leistete er auch Unterstützung beim Unterricht in Naturgeschichte. 1870 zum Priester geweiht, war er zunächst bis 1871 in St. Andrä im Lavanttal als solcher tätig. 1872–82 unterrichtete er als Professor Naturgeschichte am Jesuitenkollegium in Kalksburg. 1883 in gleicher Funktion nach Mariaschein versetzt, lehrte er dort bis 1897. Aus dem Jesuitenorden ausgetreten, fungierte W. nun als Weltpriester und unterrichtete ab 1898 Naturgeschichte, Physik und Mineralogie sowie Geographie und Mathematik am Gymnasium von Duppau. 1903 trat er in den Ruhestand, betreute in der Folge die naturgeschichtlichen Sammlungen der Grafen von Seilern und Aspang auf Schloss Leschna und wirkte als Schlosskaplan. W. widmete sich an seinen verschiedenen Aufenthaltsorten intensiv dem Studium der lokalen Flora sowie Mineral- und Gesteinsvorkommen. Zunächst beschrieb er „Fossile Pflanzen im marinen Tertiär Conglomerate zu Kalksburg bei Wien“ (in: Verhandlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt, 1874) und gab mit „Oesterreichische Scleranthus“ (in: Österreichische botanische Zeitschrift 26, 1876) eine Übersicht der heimischen Knäuelkräuter. Später folgten zahlreiche kleinere Aufsätze zur Pflanzengeographie, wie „Zwei für Oberösterreich neue Veilchen“ (ebd. 27, 1877), „Kleine Notiz über die mitteleurop. Misteln“ (in: Deutsche botanische Monatsschrift 2, 1884) und „Verbreitung der Veronica agrestis in Österreich“ (ebd. 5, 1887 und 6, 1888), sowie zu Mineralvorkommen, wie beispielsweise „Das Vorkommen von Pyropen um Krendorf bei Laun“ (in: Verhandlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt, 1893) und „Theralith im Duppauer Gebirge“ (in: Lotos 49, 1901). Zusammen mit Michael Haselberger und →Josef Edler von Keller veröffentlichte W. die wichtigen „Beiträge zur Rosenflora von Oberösterreich, Salzburg und Böhmen“ (in: Bericht über das Museum Francisco-Carolinum 49, 1891). Mit „Unsere Misteln und ihre Nährpflanzen“ (in: 2. Jahresbericht des Privat-Untergymnasiums zu Duppau in Böhmen … 1898–99, auch separat erschienen) sowie der dreiteiligen Arbeit „Systematische Aufzählung der im Schulgarten des Duppauer Gymnasiums kultivierten Pflanzen“ (in: Jahresbericht des Privatgymnasium zu Duppau in Böhmen … 1901–02, 1902–03 und 1903–04) verfasste er botanisch wichtige Programm-Aufsätze. Für die „Flora exsiccata Austro-Hungarica“ des →Anton Kerner von Marilaun als Sammler tätig, legte er mit „Österreichisch-ungarisches Herbar“ (in: Natur und Offenbarung 36, 1890) auch eine gemeinverständliche Darstellung der Unternehmung vor. Sein Herbarium vermachte er dem katholischen Universitätsverein Salzburg. W. war u. a. 1858–88 Mitglied der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Wien, ab 1895 korrespondierendes Mitglied der Regensburgischen Botanischen Gesellschaft und ab 1898 Korrespondent der Geologischen Reichsanstalt in Wien. Nach ihm wurden u. a. 1879 ein Habichtskraut Hieracium wiesbaurianum, 1885 ein Veilchen Viola wiesbauriana und 1890 eine Minze Mentha wiesbaurii benannt.

Weitere W. (s. auch Dalla Torre – Sarnthein 1900, 1913): Die Veilchen des Bisamberges bei Wien, in: Österreichische botanische Zeitschrift 30, 1880; Zur Flora des Eisenburger Comitates, ebd. 33, 1883; Nowacks Wetterpflanze, in: Natur und Offenbarung 41, 1895; Meteore, beobachtet im nordwestlichen Böhmen in der Nacht vom 8. auf den 9. November 1898, in: Lotos 46, 1898; Exotische Blöcke und Lias in Mähren, in: Verhandlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt, 1904.
L.: Linzer Volksblatt, 10., Čech, 19. 12. 1906; Stafleu; Personalstand der Geistlichkeit in der Diözese Linz auf das Jahr 1859, 1859, S. 52; I. Dörfler, Botaniker-Adressbuch, 1896, S. 121, 2. Aufl. 1902, S. 166; K. W. v. Dalla Torre – L. v. Sarnthein, Flora der gefürsteten Grafschaft Tirol, des Landes Vorarlberg und des Fürstenthumes Liechtenstein 1, 1900, S. 326f., 6/4, 1913, S. 208 (beide mit W.); Botanik und Zoologie in Österreich … 1850 bis 1900, 1901, s. Reg.; V. Maiwald, Geschichte der Botanik in Böhmen, 1904, s. Reg.; Österreichische botanische Zeitschrift 56, 1906, S. 455; Teplitz-Schönauer Anzeiger 46, 1906, Nr. 137, S. 5; Verhandlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt, 1907, S. 6; R. Keller, Synopsis rosarum spontanearum Europae mediae, 1931, S. 749; J. H. Barnhart, Biographical notes upon botanists 3, 1965; H. Zapfe, Index Palaeontologicorum Austriae, 1971, S. 130; Pfarre Gunskirchen, Oberösterreich; Mitteilung Wolfgang Ilg, Isny im Allgäu, D.
(M. Svojtka)   
Zuletzt aktualisiert: 20.12.2021  
PUBLIKATION: ÖBL Online-Edition, Lfg. 10 (20.12.2021)