Wiesberg, Wilhelm; ursprüngl. Bergamenter, amtl. Namensänderung 1884 (1850–1896), Volkssänger und Schriftsteller

Wiesberg Wilhelm, ursprüngl. Bergamenter, amtl. Namensänderung 1884, Volkssänger und Schriftsteller. Geb. Wien, 13. 9. 1850; gest. ebd., 25. 8. 1896; röm.-kath. Sohn von Wilhelmine Bergamenter (evang. AB), Schwager des Volkssängers Franz Schieferl; ab 1873 verheiratet mit Thekla Rost, Tochter eines Schottenfelder Seidenfabrikanten. – Der in einer kleinbürgerl. Familie aufgewachsene W. spielte bereits in Kinderkomödien am Theater in der Josefstadt mit. Schon früh zeigte er Talent in satir. Richtung. Mit zwölf Jahren sandte er Bilderideen für das Spottbl. „Kikeriki“ von O. F. Berg (→Ottokar Franz Ebersberg) ein, mit 13 Jahren kaufte ihm →Ignaz Nagel das Couplet „Wiener Herzen“ ab und bereits 1863 war er externer Mitarb. der Witzbll. „Figaro“, „Der Zeitgeist“, „G’rader Michel“ u. a. Nach dem Schulabschluss widmete sich W. dem Schreiben und wählte als Künstlernamen eine Kombination der Anfangssilben seiner Eltern (Wieser/Bergamenter). Seine erste Kinderkomödie „Fragaria, die Erdbeerenfee“ kam 1865 im Theater an der Wien zur Auff. Für die Volkssänger Nagel und →Anton Amon schrieb er gegen geringes Entgelt Couplets, Duette und kom. Szenen. Es folgten weitere Kinderkomödien („Rolands Knappen“, „Das tapfere Schneiderlein“ und „Peter Bloch“) für das Theater in der Josefstadt sowie ein Einakter mit Coupleteinlagen für das Fürst-Theater. Durch den Erfolg der Couplets ermutigt, wandte er sich dem Verfassen von Wr.liedern zu. 1870–73 war W. ständiger Mitarb. beim Witzbl. „Der Floh“, 1873–74 bei den „Humoristischen Blättern“. Nach dem Verlust seiner Anstellung entschied er sich, ermutigt durch seinen Schwager, für den Volkssängerberuf und erhielt durch den befreundeten Schriftsteller Josef Weyl rasch eine Gesangslizenz. Im Oktober 1874 hatte er seinen ersten Auftritt in der Singspielhalle Zum goldenen Widder in der Leopoldstadt bei „Schieferl und Porkert“. 1875 engag. ihn Amon für seine Singspielhalle als Hausdichter, Coupletsänger und Komödienspieler. Es entstanden unzählige Couplets, Lieder, Kostüm-Duette und Originalpossen, in denen W. die Liebhaberrollen darstellte. Ab 1879 in Partnerschaft mit →Wenzel Seidl, trat er in dessen neu gegr. Ges. im März jenes Jahres in der Gaststätte Zum Grünen Tor in der Lerchenfelder Straße erstmals auf. Nach ihrem ersten großen Erfolg mit dem Duett „Uns hab’n’s g’halten“ entwickelten „Seidl und Wiesberg“ sich zur erfolgreichsten Ges. der 1880er-Jahre und machten das in den 1870er-Jahren in Verruf geratene Wr. Volkssängertum wieder gesellschaftsfähig. Gesammelte kom. Szenen, Intermezzi und Couplets erschienen 1885 als Lieferungswerk „Mein’ Vaterstadt in Lied und Wort“. 1890 zog W. sich wegen eines Augenleidens zurück. Er widmete sich der schriftsteller. Tätigkeit und der Mitarb. bei den Ztg. „Illustrirtes Wiener Extrablatt“, „Wiener Spezialitäten“, „Sonn- und Montags-Zeitung“, „Vorstadt-Zeitung“ und „Neues Wiener Journal“. Neben Feuilletons, Skizzen aus dem Wr. Volksleben und Fortsetzungsromanen entstanden die Volksposse „Der Greißler und sein Hund“ (1891 Fürst-Theater), „Die zwölf Himmelszeichen“ (1892 Prater) sowie das Volksstück „Falscher Glanz und echte Wichs“ (1892 Rudolfsheimer Volkstheater). W., der ab 1894 Mitgl. des Journalisten- und Schriftsteller-Ver. „Concordia“ war, schuf mehr als 1.000 Couplets und Lieder, die meisten in Kooperation mit →Johann Sioly. Die populärste Nummer zu seinen Lebzeiten waren die „Es-dam-dam-Gstanzeln“, zu den bedeutendsten weiteren Liedern zählten „Das hat kein Goethe g’schrieb’n“, „D’ Hausherrnsöhnln“, „Die Mondscheinbrüder“, „Der erste Schnee“, „ʼs Herz in der Brust“, „Die Deutschmeister san da!“ (alle mit Sioly), „Der Frieden auf der Welt“, „Die Dankbarkeit“, „Was Oesterreich is!“ und „Unser Nachwuchs“ (mit →Johann Schrammel). Auch mit weiteren Komponisten wie z. B. Carl Wondra, Richard Leukauf, →Karl Kratzl, Karl Schmitter, Peter Baschinsky und Ludwig Prechtl arbeitete er zusammen. So wie Johann Baptist Moser (→Johann Müller) ein halbes Jh. zuvor stellte W. im Gegensatz zu den Pikanterien der „Brettlprimadonnen“ die bürgerl. Tugenden in lehrreicher Weise in den Mittelpunkt seiner Lieder, war ein Feind der Zote und bewegte sich vom heutigen Standpunkt aus an den Rand des Rührseligen. Neben unverdorbenem Volkshumor wird ihm gemütvolle Satire ohne falsches Wienertum zugeschrieben. Der Nachlass des als „Reformator des Volkssängertums“ und „Vater des politisch akzentuierten Wienerliedes“ Apostrophierten befindet sich in der Wienbibl. im Rathaus.

L.: Illustrirtes Wr. Extrabl., 25., 28. 8. 1896, 13. 1. 1921, 31. 3. 1922, 25. 8. 1926; Neues Wr. Journal, 3. 9. 1896, 18. 2. 1923, 7. 9. 1930; NFP, 26. 8. 1896; RP, 7. 9. 1930; Volks-Ztg., 23. 8. 1936; Biograph. Jb. 1, 1897, S. 345ff.; Czeike; Wurzbach; Wr. Bilder 1, 1896, Nr. 35, S. 11 (m. B.), 4, 1899, Nr. 50, S. 4 (m. B.); E. Merkt, Wr. Liederschatz, (1908); Radio-Wien 6, 1930, H. 49, S. 6f. (m. B.), 13, 1936, H. 1, S. 5 (m. B.); J. Koller, Das Wr. Volkssängertum …, 1931, s. Reg. (m. B.); A. M. Huber, W. W., phil. Diss. Wien, 1938; R. Holzer, Wr. Volks-Humor, 1947, S. 216ff. (m. B.); Wienerlied und Weana Tanz, ed. S. Schedtler, 2004, s. Reg.; E. Weber, in: Wien. Musikgeschichte. Volksmusik und Wienerlied, ed. E. Th. Fritz – H. Kretschmer, 2006, s. Reg.; K. Dieman Dichtl-Jörgenreuth, Schrammelmusik – Schrammelwelt, 2007, s. Reg. (m. B.); Pfarre Altlerchenfeld, Wien.
(E. Weber)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 191f.
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>