Wieser, Wolfgang Frh. von (1887–1945), Röntgenologe

Wieser Wolfgang Frh. von, Röntgenologe. Geb. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 13. 6. 1887; gest. Wien, 22. 2. 1945. Sohn von →Friedrich Frh. v. W. und Marianne Freifrau v. W., geb. Wolf, Neffe von →Joseph Frh. v. W. – Nach dem Besuch des Gymn. in Prag und Wien stud. W. ab 1905 Med. an der Univ. Wien; 1911 Dr. med. Noch als Student war er am I. Anatom. Inst. bei →Julius Tandler als Demonstrator tätig, anschließend wirkte er dort bis 1913 als 1. Ass. Seine Ausbildung zum Röntgenologen erhielt er am Zentralröntgeninst. des AKH bei →Guido Holzknecht. Während des 1. Weltkriegs nahm er als Feldarzt zahlreiche röntgengestützte Operationen an Soldaten vor, wobei er sich erste Strahlenschäden an den Händen zuzog. Später wirkte er am Erzhg.-Rainer-Militärspital als stellv. chirurg. Chefarzt und schließl. als Leiter des Röntgenlabors, an dem er auch nach Ende des Kriegs verblieb. 1924 Reg.Rat, schied er aufgrund berufsbedingt erlittener gesundheitl. Schäden aus dieser Position aus. Ab 1920 unterhielt er zugleich ein privates Röntgeninst. am Rudolfinerhaus. 1932 habil. sich W. an der Univ. Wien für med. Radiol. und lehrte dort als Priv.Doz. 1935 folgte er Holzknecht zunächst als prov., 1936 als def. Vorstand des Zentralröntgeninst. am AKH nach. 1937 kam es aufgrund von Differenzen mit Leopold Arzt, die u. a. anhand der Frage der Bewertung der Radiol. als Hilfswiss. bzw. als eigenständige Disziplin aufbrachen, zur Kündigung. In seiner wiss. Arbeit befasste sich W. v. a. mit der therapeut. Wirkung der Röntgenstrahlung. So erprobte er in mehrjährigen Untersuchungszeiträumen durchgeführte Bestrahlungsverfahren zur Behandlung psychiatr. und neurolog. Erkrankungen, insbes. bei Kindern, von deren Einsatz in der Heilpädagogik er sich großen Nutzen versprach. W., der polit. den Christl.sozialen nahestand, zugleich aber großdt. eingestellt war und auch gewisse Sympathien für den Nationalsozialismus hegte, bekleidete im sog. Ständestaat eine Reihe von polit. und berufsständ. Funktionen. 1934–38 gehörte er dem innenpolit. Ausschuss des Staatsrats an. Außerdem war er als Fachbeirat der Ärzte im Gen.sekretariat der Vaterländ. Front sowie als stellv. Reichsführer des österr. Kriegsopferverbands und als Kuratoriumsmitgl. des Österr. Kriegsgeschädigtenfonds tätig. Im Verband der Wr. Fachärzte übte er 1934–38 die Funktion eines Obmanns aus. W. war 1923 Mitbegründer und ab 1934 Ausschussmitgl. der Wr. Ges. für Röntgenkde. und geschäftsführender Vizepräs. der Österr. Ges. für Röntgenkde. und Strahlenforschung. Der österr. Ges. für Heilpädagogik stand er als Präs. vor. Außerdem gehörte er der Ges. der Ärzte und der Dt. Röntgenges. an. W. war Mithrsg. der „Radiologischen Praktika“. Nach dem „Anschluss“ 1938 wurde W.s Lehrbefugnis an der Univ. Wien aufgrund seines Naheverhältnisses zum Dollfuß-Schuschnigg-Regime ruhend gestellt; eine Rehabilitierung missglückte trotz W.s Bemühungen, seine ehemalige Tätigkeit in den Ärzteorganisationen als pronationalsozialist. darzustellen. Fortan konnte er nur noch eine Privatpraxis betreiben. 1934 erhielt er das Ritterkreuz I. Kl. des österr. Verdienstordens.

W.: Zur Therapie der Drüsen mit innerer Sekretion in der Röntgenol., in: Acta Radiologica 7, 1926; Röntgentherapie des Schwachsinnes bei Kindern, 1928; Versuch einer Röntgentherapie bei psychiatr. und neurolog. Erkrankungen im Kindesalter, in: Strahlentherapie 31, 1929; Die Grundlagen der Behandlung der Erkrankungen des vegetativen Nervensystems mit Röntgenstrahlen, in: Therapie der Erkrankungen des vegetativen Nervensystems, 1930 (gem. m. H. Hoff); Zur Röntgentherapie des Zentralnervensystems, in: Radiolog. Rundschau 5, 1937; Röntgentherapie der Epilepsie, in: Strahlentherapie 62, 1938.
L.: Emődi; Fischer; Wer ist’s?, 1935; Ehrenbuch der Röntgenologen und Radiologen aller Nationen, ed. H. Holthusen u. a., 2. Aufl. 1959, S. 558; G. Enderle-Burcel, Mandatare im Ständestaat, 1934–38, 1991, S. 263f.; Hundert Jahre med. Radiol. in Österr., ed. H. H. Ellegast u. a., 1995, S. 230ff., 286; K. H. Tragl, Chronik der Wr. Krankenanstalten, 2007, s. Reg.; A. Huber, Rückkehr erwünscht, 2016, S. 101, 153, 296; Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Univ. Wien 1938 (online, m. B., Zugriff 27. 8. 2019); UA, Wien.
(Ch. Kanzler)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 195f.
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