Wiesthaler, Franz (1825–1890), Funktionär und Journalist

Wiesthaler Franz, Funktionär und Journalist. Geb. Marburg, Stmk. (Maribor, SLO), 25. 12. 1825; gest. ebd., 22. 10. 1890; röm.-kath., ab 1867 evang. AB. Sohn des Notars Franz W. und der Agnes W., geb. Knes; verheiratet mit Victoria W., geb. Thurnherr. – Nach dem Gymn. stud. W. Phil. in Graz, wechselte später zur Theol. in Wien und brach 1847 sein Stud. ab. 1848 begann er ein Jusstud. in Graz und wurde im selben Jahr Mitgl. der Akadem. Legion und Mitbegründer der progressiven Burschenschaft Freya. Nachdem er 1849 auf einem Verbrüderungsfest mit slaw. und italien. Studenten eine Rede anlässl. des Jahrestags der Märzrevolution gehalten hatte, musste er das Land verlassen. Zuerst ging W. nach München, später nach Genf, wo er in Kontakt mit Vertretern der Arbeiterbewegung kam. Nach seiner Begnadigung kehrte er 1862 nach Marburg zurück und wurde 1865 Chefred. des „Marburger Correspondenten“, ab 1866 der „Marburger Zeitung“. Wegen einer Klage des Bischofs →Jakob Maximilian Stepischnegg musste W. 1869 seine Funktion als Chefred. vorübergehend zurücklegen, bevor er sie 1871 wiedererlangte. 1867–71 Mitgl. im liberalen Marburger Ver. Fortschritt, kandidierte W. mehrmals erfolglos als Verfassungstreuer für den RR sowie für die Städtekurie des stmk. LT. Ab 1868 Mitgl. des Arbeiterbildungsver., fungierte er später auch mehrmals als dessen Vors. Als solcher organisierte er Kampagnen für die Belange der Arbeiter sowie Fortbildungsreferate. W. stand in Kontakt mit der I. Internationale und abonnierte das Bl. „Vorbote“, die Ztg. der dt.sprachigen Sektion. Über den Schweizer Sozialdemokraten Johann Philipp Becker lernte er Karl Marx kennen. Mit W. an der Spitze entwickelte sich die Marburger Arbeiterbewegung zu einer der stärksten der Stmk. 1874 wurde W. per Wahl zum Kongress der Sozialdemokrat. Partei entsandt, nahm jedoch nicht daran teil. Stattdessen wandte er sich wieder den Liberalen zu und wurde 1875 Mitgl. der dt.liberalen Partei. 1879 und 1880 folgten erneut erfolglose Kandidaturen für den RR. 1880 sowie 1882 wurde er in den Marburger Stadtrat gewählt. W. galt als liberaler Demokrat und Anhänger der Ideale von 1848. Seine Kritik richtete sich gegen die Kirche, gegen Papst und Zölibat, die Okkupation Bosniens und der Herzegowina. In der Schweiz, deren Föderalismus er propagierte, sah er ein Vorbild. In der Schrift „Stehendes Heer oder Volksheer“ (1870) forderte W. ein Milizheer nach schweizer. Muster. Anfangs den Slowenen gegenüber tolerant eingestellt, trat er später deren Vorstellungen von einem vereinigten Slowenien (Zedinjena Slovenija) entschieden entgegen.

L.: SBL; V. Melik, Volitve na Slovenskem 1861–1918, 1965, S. 387; J. Cvirn, in: Zgodovinski časopis 49, 1995, S. 196ff.; F. Rozman, in: Z. des Hist. Ver. für Stmk. 100, 2009, S. 523ff.; J. Cvirn, Das „Festungsdreieck“, 2016, S. 298; A. Hozjan, in: Studia Historica Slovenica 17, 2017, S. 771ff.; UA, Graz, Stmk.; Evang. Pfarre AB Maribor, Pfarre Maribor-Sv. Marija, beide SLO.
(R. Lampreht)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 200f.
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