Wiethe, Camillo (Kamillo) (1889–1949), Oto-Rhino-Laryngologe

Wiethe Camillo (Kamillo), Oto-Rhino-Laryngologe. Geb. Wien, 24. 5. 1889; gest. ebd., 10. 7. 1949; röm.-kath. Sohn des Mediziners Johann Theodor W. (geb. Wien, 13. 6. 1851), der als ärztl. Statthalterei-Konz. wirkte und sich durch die Hrsg. von „Fromme᾽s österreichischem Medicinal-Kalender …“ verdient machte, und der Elisabeth W., geb. Schnitzer; ab 1931 verheiratet mit Eugenie W., geb. Pächter (geb. Wien, 15. 2. 1898; mos., ab 1927 altkath.). – Nach dem Besuch des Schottengymn. stud. W. ab 1907 Med. an der Univ. Wien; 1913 Dr. med. Im 1. Weltkrieg diente er als Arzt an der Ost- sowie an der Südfront, wo er schwer verwundet wurde. 1918–26 vertiefte er seine Kenntnisse als Hilfsarzt an der Hals-Nasen-Ohrenklinik in Wien bzw. an der Chirurg. Klinik unter →Anton Frh. v. Eiselsberg, 1927 erhielt er eine Ass.stelle an der Hals-Nasen-Ohrenklinik bei →Markusz Hajek; 1933 Habil. für Laryngo-, Rhino- und Otol. 1936–38 wirkte W. als Primararzt der Hals-Nasen-Ohren-Abt. im Spital der Wr. Kaufmannschaft. Daneben hatte er eine unbezahlte Stelle als Kursleiter für das Nebenfach Physiol. und Psychol. des Gesangsapparats an der Staatsakad. für Musik und darstellende Kunst, die er nach 1938 zunächst behalten durfte. 1938 wurde ihm die venia legendi entzogen bzw. legte er diese offiziell freiwillig zurück, da er sich weigerte, sich von seiner Ehefrau, die nach den NS-Rassengesetzen als Jüdin galt, scheiden zu lassen. Während der NS-Zeit betrieb er eine Privatpraxis in Wien 1. Mit Kriegsende erfolgte seine Wiedereinstellung an der Univ. Wien. 1946 wurde er zum ao. Prof. und Vorstand der II. Univ.-Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten ernannt. W. konnte die schwer beschädigte Klinik rasch wieder in Betrieb nehmen und internationale Verbindungen, u. a. nach Amerika, aufbauen. Er selbst galt als Spezialist für Erkrankungen des Kehlkopfs und zählte zahlreiche Sängerinnen und Sänger der Wr. Staatsoper zu seinen Patienten. Darüber hinaus gilt er als Bahnbrecher in der Anwendung des Ultraschalls bei Schwerhörigkeit in Europa. Mit →Erich Urbach beschrieb er eine seltene, angeborene Lipoidproteinose, welche als Urbach-W.-Syndrom bekannt wurde. Ebenfalls mit Urbach beschäftigte er sich mit allerg. bedingten Schleimhaut- und Hautveränderungen.

W.: Ueber lokale Hyalinablagerungen in den oberen Luftwegen, in: Acta Oto-Laryngologica 10, 1927; Lipoidosis cutis et mucosae, in: Virchow᾽s Archiv 273, 1929 (gem. m. Urbach); Allerg. Schleimhaut- und Hautveränderungen durch Einwirkung von Mehl und Bestandtle. äther. Öle, in: Münchener med. WS 78, 1931 (gem. m. Urbach); Experimentelle Untersuchungen bei einem nasal gegen verschiedene Mehlarten überempfindl. Bäcker, ebd. (gem. m. Urbach); Beitr. zur Klinik der Larynxdiphtherie, in: Z. für Kinderheilkde. 54, 1932; Ein abortiver Fall von Lipoidproteinose unter dem klin. Bilde von warzenartigen Excrescenzen (Lipoidkeratomen) an den Fingern, in: Archiv für Dermatol. und Syphilis 168, 1933 (gem. m. Urbach). – Ed.: Wr. Beitrr. zur Hals-, Nasen- und Ohrenheilkde. 1, 1948.
L.: Kleines Volksbl., 15. 7. 1949; Hdb. jüd. AutorInnen; Inauguration Univ. Wien 1949/50, 1949, S. 38f.; Österreicher der Gegenwart, bearb. R. Teichl, 1951; K. H. Tragl, Chronik der Wr. Krankenanstalten, 2007, s. Reg.; Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Univ. Wien 1938 (online, Zugriff 3. 4. 2019); Alservorstadtpfarre, Pfarre Votivkirche, UA, alle Wien.
(G. Vavra)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 201
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