Wilbrandt, Adolf (von) (1837–1911), Schriftsteller und Theaterdirektor

Wilbrandt Adolf (von), Schriftsteller und Theaterdirektor. Geb. Rostock, Mecklenburg (D), 24. 8. 1837; gest. ebd., 10. 6. 1911. Sohn des Prof. der Ästhetik und neueren Literatur sowie Rektors (1846/47) der Univ. Rostock Christian Ludwig Theodor W. (geb. Neuenkirchen, Mecklenburg/D, 15. 3. 1801; gest. Rostock, 25. 6. 1867) und der Charlotte W., geb. Wendhausen (geb. Scharstorf, Mecklenburg/D, 16. 3. 1807; gest. Rostock, 19. 4. 1878), Vater des Volkswirtschaftlers Robert W. (geb. Wien, 29. 8. 1875; gest. Marquartstein, D, 24. 2. 1954); ab 1873 verheiratet mit →Auguste Wilbrandt-Baudius. – W. stud. ab 1856 mit einem dreijährigen Stipendium zuerst Rechtswiss. in Rostock, die folgenden Jahre auch Germanistik, klass. Philol. und Universalgeschichte in Berlin und München. Wie Paul Heyse gehörte er zum Münchner Dichterkreis und war zudem journalist. tätig („Deutsches Kunstblatt“, „Süddeutsche Zeitung“); Prom.examen 1859 (Dr. phil. und Mag. art.). Neben literaturwiss. Arbeiten begann W. Lyrik, Prosa und v. a. Dramen zu verf. Seine Sophokles-Übers. von „Antigone“, „König Oedipus“ und „Oedipus in Kolonos“ wurden 1867 am Meininger Hoftheater aufgef. Ab 1868 hatte W. auch am Wr. Hofburgtheater erste Erfolge mit einaktigen Lustspielen („Unerreichbar“, 1868, „Jugendliebe“, 1870). 1871 kam er anlässl. der Erstauff. von „Die Vermählten“ (1868) nach Wien und verlegte i. d. F. seinen Wohnort dorthin. Seine Schauspiele wurden nun zum fixen langjährigen Bestandteil des Repertoires und erreichten hohe Auff.zahlen. „Arria und Messalina“ (1874) in der Darstellung von Charlotte Wolter („Wolter-Schrei“) wurde ein Serienerfolg und von →Hans Makart verewigt. „Die Tochter des Fabricius“ (1879) erreichte ab 1880 96 Auff. Bei den Proben seiner Dramen bewies W. auch dramaturg. Talent. 1881–87 Dir. des Hofburgtheaters, bearb. er zahlreiche klass. Dramen neu (Sophokles, Euripides, Calderon, Shakespeare). W. zog das moderne französ. Schauspiel den zeitgenöss. Dramatikern (Ibsen, Strindberg) vor. Wie die Formkunst der Münchner Schule sah W. das Epigonentum (Römerdramen) als zeitgemäßen künstler. Ausdruck. Das Publikum sollte durch die großen Dichter erzogen werden. W., der auch das Premieren-Abonnement einführte, zeigte 1883 erstmals beide Faust-Tle. als „Festspiel der deutschen Nation“. 1885/86 wurden anlässl. eines finanziellen Defizits und als W. aus Gesundheitsrücksichten einen zweimonatigen Urlaub in den Süden antrat, erstmals krit. Stimmen laut, die zu seinem Rücktritt führten. Bei seiner Abschiedsvorstellung feierten ihn seine Anhänger enthusiast. Auf eine lebenslange Anstellung und Pensionsanspruch verzichtete er. Mit seinem Sohn kehrte W. nach Rostock zurück, wo er nun zurückgezogen lebte und schriftsteller. tätig war. Als sein Hauptwerk gilt „Der Meister von Palmyra“ (1889), das er 1892 am Burgtheater uraufführte. W. verf. mehr als 50 Romane und Novellen (viele in mehreren Aufl.), ähnl. viele dramat. Dichtungen (darunter auch Lustspiele) und veröff. zudem Gespräche und Monologe. In den 1880/90er-Jahren nahm er eine dominierende Stellung unter den dt.sprachigen Dramatikern ein, fast alle bedeutenden dt. oder österr. Bühnen hatten zumindest ein Stück von ihm im Repertoire. In Wien wurden in vier Jahrzehnten 31 seiner dramat. Werke (22 eigene, neun Übers. und Bearb.) an 648 Abenden am Burgtheater gezeigt. W. erhielt den Grillparzer-Preis (1875), den Schiller-Preis (1878) sowie den kgl. bayer. Maximiliansorden für Wiss. und Kunst (1884).

Weitere W.: H. von Kleist. Literar.-hist. Stud., 1863; Erinnerungen, 1905, 1907. – Romane: Geister und Menschen, 1864; H. Ifinger, 1892; J. Ohlerich, 1910. – Dramen: Durch die Ztg., 1869; Die Maler, 1872; Der Unterstaatssekr., 1890. – Hist. Dramen: Gracchus, der Volkstribun, 1872.
L.: FB, 26., Wr. Allg. Ztg., 29. 6. 1887; Die Presse, 11., WZ, 13. 6. 1911; NFP, 16. 8. 1927; Die Presse, 2. 9. 1962; Biograph. Jb. 18, 1917, S. 243ff.; Wer ist’s?, 1909; Wurzbach; A. W. Zum 24. August 1907, 1907; V. Klemperer, A. W., 1907; M. Geißler, Führer durch die dt. Literatur der Gegenwart, 1913, S. 618; O. Hipp, Alt-Wr. Portraits, 1927, S. 239ff. (m. B.); R. Wilbrandt, Mein Vater A. W., 1937; C. E. Hirt, Erinnerungen an A. W., 1937; H. Glücksmann, in: Jb. der Grillparzer-Ges., 1937; E. Reimer-Haala, A. W. und die letzten Tage des alten Burgtheaters, phil. Diss. Wien, 1947; G. Schäble, Burgtheater und Gebrauchsdramatik 1881–1910, phil. Diss. Wien, 1962; S. Siebert, A. W., 2013.
(E. Großegger)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 204f.
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