Wilczek, Johann (Hans) Nepomuk Gf. (1837–1922), Polarforscher, Großgrundbesitzer und Mäzen

Wilczek Johann (Hans) Nepomuk Gf., Polarforscher, Großgrundbesitzer und Mäzen. Geb. Wien, 7. 12. 1837; gest. ebd., 27. 1. 1922 (begraben: Burg Kreuzenstein, NÖ); röm.-kath. Sohn des Herrschaftsbesitzers Stanislaus Gf. W. (geb. Wien, 24. 11. 1792; gest. ebd., 23. 3. 1847) und der Gabriele Gfn. W., geb. Freiin v. Reischach (geb. Wien, 21. 7. 1802; gest. ebd., 11. 7. 1890); ab 1858 mit Emma Gfn. W., geb. Gfn. Emo-Capodilista (geb. Padua, Lombardo-Venetien / Padova, I, 18. 8. 1833; gest. Wien, 26. 8. 1924), einer Hofdame von Erzhgn. →Sophie, verheiratet. – Seine Jugend verbrachte W. in Schloss Seebarn bei Harmannsdorf, wurde zunächst privat unterrichtet und besuchte dann das Schottengymn. in Wien. 1855–56 stud. er als ao. Hörer Rechtswiss. an der Univ. Wien. W. zeigte schon sehr früh Interesse an Archäol., Natur- und Kunstgeschichte, hist. Bauwerken sowie Entdeckungsreisen. Um ethnograph. und geograph. Stud. durchzuführen, bereiste er 1863 Südrussland, die Krim und den Kaukasus. 1866 nahm er als einfacher Soldat freiwillig im 9. Jägerbaon. am preuß.-österr. Krieg teil. 1868 und 1870 bereiste er Afrika. Als Großgrundbesitzer und Eigentümer eines der größten Kohlebergwerke der Monarchie galt er als vermögender Unternehmer, der u. a. in Forschungsreisen investierte. 1872 finanzierte W. die Ausrüstung sowie das Forschungsschiff „Admiral Tegetthoff“ für die Österr.-Ung. Nordpolarexpedition von →Julius v. Payer und →Carl Weyprecht. Er selbst leitete die 2. Isbjörn-Expedition, die als Vorexpedition die Versorgung der Besatzung der „Admiral Tegetthoff“ mit Kohle und Lebensmitteln sicherstellen sollte. Im August 1872 trafen die beiden Schiffe in der Nähe der Pankratjew-Inseln aufeinander, im September verließ W. die „Isbjörn“, um auf dem Landweg bzw. auf den Flüssen Petschora und Wolga durch Russland zu reisen. 1882 begleitete W. eine Expedition auf die Insel Jan Mayen und stattete die dortige österr. Beobachtungsstation mithilfe eigener Geldmittel aus. Als Kunstmäzen ließ er die Burg Kreuzenstein renovieren und richtete in ihr ein mittelalterl. Mus. ein. Auch die Burg Liechtenstein erfuhr durch seine Initiative einen Wiederaufbau. 1879 arrangierte W. mit →Hans Makart dessen berühmten Festzug anlässl. der Silberhochzeit des K.paars. 1894–1918 stand er als Präs. dem Kuratorium des Heeresmus. vor. 1900 rief W. die Ges. der Wr. Kunstfreunde ins Leben. Zudem engag. er sich als Präs. der Ges. Alt-Wien für die Erhaltung des hist. Stadtbilds sowie für die Ausarbeitung eines Denkmalschutzgesetzes. An dem 1886–1902 erschienenen sog. Kronprinzenwerk „Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild“ war er durch seine Mitarb. im Finanz- und Künstlerkomitee beteiligt. W. gilt zudem als Mitbegründer der Wr. freiwilligen Rettungsges. (1881). Zusammen mit →Theodor Billroth gründete er das Rudolfinerhaus in Wien 19 und stand 1879–1914 dem Rudolfiner-Ver. als Präs. vor. 1861–1918 war er Mitgl. des HH (Verfassungspartei). Sportl. aktiv, galt W. als begeisterter Jäger, Reiter sowie als einer der besten Läufer seiner Zeit, nahm an Ruderregatten teil und gründete einen Ruderver. In Leipzig gewann er ein international besetztes Hochsprungturnier. W. war u. a. ab 1857 ao. Mitgl., ab 1872 Ehrenmitgl., 1882–89 Präs. und ab 1889 Ehrenpräs. der Österr. Geograph. Ges., ab 1870 Mitgl. der Anthropolog. Ges. in Wien, ab 1881 Mitgl. der Numismat. Ges. in Wien, ebenfalls ab 1881 Korrespondent für NÖ, ab 1911 Ehrenmitgl. der Zentralkomm. für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und hist. Denkmale, ab 1884 Ehrenmitgl. der k. Akad. der Wiss. in Wien sowie Mitgl. des Österr. Mus. für Kunst und Ind. in Wien. 1858 wurde W. k. k. Kämmerer und 1874 Geh. Rat. 1873 Kommandeur des Leopold-Ordens, erhielt er 1884 den Orden der Eisernen Krone I. Kl. sowie 1916 den Orden vom Goldenen Vlies. 1907 wurde ihm die Franz v. Hauer-Medaille verliehen. Nach ihm sind u. a. die W.-Insel sowie das W.-Land innerhalb der Inselgruppe des Franz-Josef-Lands benannt.

W.: Vorläufiger Ber. über meine Fahrt nach Spitzbergen und Novaja-Semlja, in: Mitth. der k. kgl. geograph. Ges. in Wien 15, 1872; Donau-Oder-Canal, 1896; Erinnerungen eines Waffensammlers, 1903, 2. Aufl. 1908; Meine Ansichten über Konservierung und Restaurierung alter Kunstwerke, 1908; Hans W. erzählt seinen Enkeln Erinnerungen aus seinem Leben, ed. E. Kinsky-W., 1933 (m. B.).
L.: NFP, 11. 12. 1902; WZ, 7. 12. 2012; Adlgasser; Almanach Wien 72, 1922, S. 146; Czeike; A. F. Seligmann, in: NÖB 3, S. 119ff. (m. B.); Wurzbach; H. Hassinger, Österr. Anteil an der Erforschung der Erde, 1949, s. Reg.; H. Spitaler, J. N. Gf. W., phil. Diss. Wien, 1951 (m. B.); H. Mayer – D. Winkler, Rot-weiß-rote Weltreisen, 1998, S. 68ff.; H. Egghardt, Österreicher entdecken die Welt, 2000, S. 240f.; Th. Brückler – U. Nimeth, Personenlex. zur Österr. Denkmalpflege, 2001; Österr. in der Welt, die Welt in Österr., ed. I. Kretschmer – G. Fasching, 2006, S. 38, 170 (m. B.); H. Hambrusch, Kreuzenstein: Geschichte der Urburg und Neuaufbau des Gf. J. N. W. ..., Masterarbeit Wien, 2014, bes. S. 12ff. (m. B.); R. Kostka, in: Mitt. der Österr. Geograph. Ges. 158, 2016, S. 320ff.; Pfarre St. Michael, UA (m. B.), beide Wien.
(P. Svatek)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 207f.
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