Wildberg (Dickinson-Wildberg), Bodo (Heino Ludwig von); eigentl. Dickinson Heinrich Ludwig Ritter von (1862–1942), Schriftsteller

Wildberg Bodo (Dickinson-Wildberg Heino Ludwig von), eigentl. Dickinson Heinrich Ludwig Ritter von, Schriftsteller. Geb. Lemberg, Galizien (Lʼviv, UA), 7. 8. 1862; gest. Berlin, Dt. Reich (D), 31. 1. 1942; röm.-kath. Aus einer engl.-österr. Familie stammend, die auf Edmund Dickinson, einen Arzt und Alchemisten am Hof Charles II., zurückgeführt werden kann. Sohn des in österr. Diensten stehenden und an einer in der Schlacht bei Königgrätz erlittenen Verwundung verstorbenen Mjr. Heinrich (Henry) August Dickinson (geb. Rom, Kirchenstaat / Roma, I, 1822; gest. Dresden, Sachsen/D, 10. 8. 1866; anglikan.) und dessen Frau Maria Theresia Dickinson, geb. Freiin v. Hennet, verwitwete Freifrau v. Escherich (geb. 20. 4. 1828; röm.-kath.), der Tochter des Präs. des Oberlandesgerichts in Prag und HH-Mitgl. Leopold Ottomar Frh. v. Hennet, Bruder des Off. Paul Heinrich (Heinrich Maria Noël Paul) Ritter v. Dickinson (geb. Teplitz, Böhmen / Teplice, CZ, 23. 9. 1866; gest. 1927); ab 1898 verheiratet mit Hedwig v. Dickinson, geb. Drechsler. – W. besuchte zuerst das Vitzthumsche Gymn. in Dresden und ab 1876 das Wr. Theresianum. I. d. F. stud. er in Wien 1882–83 Rechtswiss., um sich dann in Prag dem Stud. der Phil. und Philol. zu widmen. 1895–1907 lebte er als Feuilleton-Red. und Schriftsteller in Dresden, ab 1907 als freier Red. und Schriftsteller in Berlin. W. verf. Ged.bde. („Auf der Woge des Lebens“, 1882; „Helldunkle Lieder“, 1897), Theaterstücke („Die Maid von Mirogh“, 1888; „Sita“, 1888), Romane („Roller Sahib“, 1914; „Othmar Webers Flucht aus Indien“, 1917) und Erz. Er wusste v. a. in der phantast. Kurzgeschichte zu überzeugen. Mit der ersten einschlägigen Smlg. „Tötliche Triebe“ (1894) läutete er noch vor →Karl Hans Strobl und Hanns Heinz Ewers die dt. Neoromantik ein. Der Bd. mit drei Erz. um Seelenzustände an der Grenze von Bewusstem und Unbewusstem fand positive Aufnahme bei der Kritik. W. verknüpfte natürl. Vorgänge mit seel., allerdings sollte das Übernatürl. nur wie ein Schatten darüber schweben. Der Einfluss der klass. dt. Romantik von E. T. A. Hoffmann bis Ludwig Tieck ist in diesen frühen Erz. unverkennbar. Den Großteil seiner phantast. Geschichten schrieb W. zwischen 1905 und 1915, gesammelt in den Bde. „Dunkle Geschichten“ (1910), „Schlangenhaut und andere seltsame Novellen“ (1911), „Der sechste Panther und andere Novellen“ (1912) und „Die Hunde von Romanowo“ (1927). In seinen exot.-phantast. Kurzgeschichten werden nicht selten absurde Zivilisationen in unerforschten Weltgegenden erschaffen. Wie Edgar Rice Burroughs in seinen Tarzan-Romanen findet der Autor in jedem Dschungel eine neue, die Evolutionstheorie entkräftende menschl. oder quasi-menschl. Kulturform. Bes. einfallsreich erweist sich W. in seinen verschiedenen Sprachen nachempfundenen Wort- und Namensschöpfungen. Bizarre Ideen werden aufeinandergetürmt, ohne dass die Geschichte zur ins Groteske übersteigerten Phantasie des Schreckens mutiert. W.s Erzähler sind respektable, glaubwürdige Zeugen, die oft nur als Vermittler für Berr. über unerhörte Dinge in weit entfernten Ländern dienen. 1870 wurden W. und sein Bruder aufgrund des ihrem Vater posthum verliehenen Ordens der Eisernen Krone III. Kl. in den Ritterstand erhoben.

Weitere W.: Alpen-Novellen, 1894; Die Sehnsüchtigen, 1900; Stunden und Sterne, 1903; Neben der Welt und andere Erz., 1911; Der blaue Hummer, 1917; Novellen aus Dt.-Österr., 1920; Die heiml. Krone, 1920.
L.: Giebisch–Gugitz (s. Dickinson-W.); Kosch (s. Dickinson-W.); R. N. Bloch, in: Werkführer durch die utop.-phantast. Literatur, 1992ff.; R. N. Bloch, in: Traditionslinien der dt. Phantastik, ed. R. G. Gaisbauer, (1996); R. N. Bloch, B. W., 1999; AVA, UA, beide Wien; Pfarre Teplice, CZ.
(R. N. Bloch)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 213
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