Wilhelm, Gustav (1869–1949), Philologe und Lehrer

Wilhelm Gustav, Philologe und Lehrer. Geb. Graz (Stmk.), 8. 10. 1869; gest. Wien, 23. 3. 1949; evang. AB. Sohn von →Gustav Friedrich W. (s. u. Karl Adolf W.), Bruder von →Adolf W., Neffe von →Karl Adolf W. – Nach der Matura stud. W. 1887–92 an der Univ. Graz dt. und klass. Philol. (u. a. bei →Bernhard Joseph Seuffert). 1893 wurde er mit der Arbeit „Johann Baptist Alxingers Doolin von Mainz“ prom. und legte 1894 die Lehramtsprüfung für klass., 1895 jene für dt. Philol. ab. 1895 folgte ein Stud.aufenthalt in Berlin, den W. nach dem Tod seines Vaters abbrach, um nach Graz zurückzukehren. 1896 erfolgte W.s Eintritt in den Schuldienst, zunächst als Supplent am Dt. Staatsgymn. in Pola. 1896–99 wirkte er als Hilfslehrer an der dortigen Marine-Unterrealschule, 1899–1903 am Dt. Staatsgymn. in Triest. In diesen Jahren unternahm W. wiederholt Fahrten nach Dalmatien, 1901/02 ermöglichte ihm ein Stipendium eine halbjährige Reise durch Italien und Griechenland. 1903 an das Währinger Staatsgymn. in Wien versetzt, war er dort bis 1919 als Prof. tätig, ehe er bis zu seiner Pensionierung 1925 als Dir. des Akadem. Gymn. in Wien fungierte. Bes. Bedeutung kommt W. als Hrsg. zu. Nachdem er 1899 bereits die Briefe Johann Baptist Alxingers veröff. hatte, erhielt er 1907 vom Berliner Verlagshaus Bong & Comp. den Auftrag, im Rahmen der „Goldenen Klassiker Ausgabe“ eine Auswahled. der Werke →Adalbert Stifters zu bearb., die 1910 in sechs Tle. erschien. 1913 konnte →August Sauer W. als Mitarb. der (sog. Prager) hist.-krit. Stifter-Ausg. (ab 1901 publ.) gewinnen. W. steuerte, teils in der Nachfolge →Adalbert Horčičkas, mehrere Bde. zum Unternehmen bei, v. a. die „Vermischten Schriften“ (Bde. 14–16 bzw. Bd. 14 in der 2. Aufl.) und die Briefe von und an Stifter (Bde. 17–24). Die Arbeiten zu den ebenfalls von W. vorbereiteten Bde. 13/1–2 („Erzählungen“) gingen vor ihrer Drucklegung 1943 bei einem Bombenangriff verloren und wurden kurz vor W.s Tod wieder aufgefunden und erst nach seinem Ableben veröff. (1958 bzw. 1960). Für die ebenfalls von Sauer initiierte hist.-krit. Gesamtausg. der Werke →Franz Grillparzers verantwortete W. drei Briefbde. und einen Dramenbd. (u. a. mit „Weh dem, der lügt!“). In der R. „Gräsers Schulausgaben klassischer Werke“ gab er Texte von Stifter, Grillparzer und →Marie Freifrau Ebner v. Eschenbach heraus. Der Großteil seiner dem Positivismus verpflichteten literaturwiss. Arbeiten galt Stifter, um dessen Werk er sich auch als Gründungsmitgl. (1918) der Wr. Stifter-Ges., der er ab 1945 vorstand (1937 Ehrenmitgl., 1944 Ehrenvors.), große Verdienste erwarb. W. war zudem k. M. der Dt. Ges. der Wiss. und Künste für die Tschechoslowak. Republik (ab 1926) und der Akad. der Wiss. in Wien (ab 1941); 1929 HR.

Weitere W. (s. auch Internationales Germanistenlex.): A. Stifter, in: Dt.-österr. Literaturgeschichte 2, ed. J. W. Nagl – J. Zeidler, 1914; Begegnungen mit Stifter, 1943 (m. W.). – Ed.: A. Stifter, Der Condor. Jubiläumsausg. des Erstdrucks, 1940; A. Stifter und P. Rosegger. Ein Weihnachtsbuch, 1947; A. Stifter, Jugendbriefe (1822–39), 1954.
L.: WZ, 27. 3. 1949; Almanach Wien 99, 1949, S. 250ff. (m. B.); M. Stefl, in: Mitt.bl. der A. Stifter-Ges. München, 1950, S. 12ff.; Österreicher der Gegenwart, bearb. R. Teichl, 1951; F. Glück, in: A. Stifter-Almanach für 1953, S. 9ff.; O. Jungmair, G. W., 1956; Internationales Germanistenlex. 1800–1950, 3, 2003 (m. W.); UA, Graz, Stmk.
(G. Hofer)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 221f.
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