Wilhelm, Ignaz (1842–1921), Journalist

Wilhelm Ignaz, Journalist. Geb. Boskowitz, Mähren (Boskovice, CZ), 28. 1. 1842; gest. Wien, 18. 2. 1921; mos. Sohn des Schreibers der jüd. Gmd. in Boskowitz, Vater u. a. von →Richard W. und dem Journalisten Artur W. (geb. Wien, 14. 3. 1876; gest. ebd., 27. 8. 1911); ab 1869 verheiratet mit Franziska W., geb. Wahle (geb. 1848; gest. Wien, 3. 9. 1930). – Nach Besuch der Real- und Handelsschule in Brünn bzw. Wien stud. W. angebl. an den dortigen polytechn. Inst. Danach war er einige Zeit im Buchhandel tätig und führte 1863 erfolglos ein Unternehmen für Adressauskünfte. 1865 begann er seine journalist. Laufbahn bei der „Correspondenz Engel“, einer der ältesten Pressekorrespondenzen in Wien, und wurde bereits im September deren verantwortl. Red. Nach dem Ausscheiden Moriz Engels benannte er sie 1868 in „Korrespondenz Wilhelm“ um. Deren Nachrichtenvielfalt war anfangs bescheiden, wurde zu Beginn des Öfteren kritisiert, übertraf aber bald die Konkurrenz an Zuverlässigkeit in der Berichterstattung, wie auch die Polizeidion. erkannte. 1869 vereinbarte W. mit →Josef Frh. Strobach v. Kleisberg einen bevorzugten Zugang zu jenen Informationen, die im tägl. Polizei-Tagesrapport verdichtet wurden. Aus diesem siebte W. jene Nachrichten aus, die für die Presse von Interesse waren, und stellte sie, ergänzt um Vorkommnisse auch außerhalb Wiens, tägl. den Red. zur Verfügung. Dadurch zentralisierte die Polizeidion. den Nachrichtenfluss zu den Tagesztg., um unliebsame Nachrichten bzw. unautorisierte Auskünfte durch Subalternbeamte zu unterbinden. Wegen seiner Diskretion bedienten sich bald auch die Hofämter, hohe Angehörige des k. Hofs, Staats- und Militärbehörden, Letztere bes. während des 1. Weltkriegs, und später auch die nö. Statthalterei regelmäßig seiner Dienste. Die Korrespondenz – sie hatte ihren ersten Sitz in einem Kaffeehaus und später nahe der Polizeidion. – verfügte weiters über private Informanten, die sie aber stets diskret behandelte. Um ihre Aktualität zu steigern, erschien sie auch in einer Spätausg. Sie belieferte sämtl. Ztg., aus deren Gebühren sie sich größtenteils finanzierte, die Amtl. Nachrichtenstelle und später den Rundfunk mit Nachrichten über lokale Ereignisse, behördl. Mitt., Personalien und Hofnachrichten. „Der Wilhelm“ galt als Inbegriff der Authentizität in Lokalnachrichten und Verkörperung sachl. Parteilosigkeit. Zahlreiche später bekannte Lokaljournalisten wie →Julius Löwy, Ferdinand Klebinder oder Wilhelm Neumann arbeiteten im Zuge ihrer Laufbahn für W. Nach dem 1. Weltkrieg gestalteten sich die Existenzbedingungen schwieriger: Die Zahl der Korrespondenzen nahm zu bzw. die Lokalpresse übernahm selbst einige Agenden. W. war ab 1874 Mitgl. des Journalisten- und Schriftsteller-Ver. „Concordia“ (1898–1909 in dessen Ausschuss, 1912 wurde ihm zu Ehren der „Ignaz Wilhelm-Fonds“ zur Unterstützung von Waisen gegr.). Weiters war er stellv. Präs. des Verbands der Wr. Ztg.korrespondenzen, 1909 Mitbegründer des Wr. Journalistenverbands und 1917–21 Vorstandsmitgl. der gewerkschaftl. Organisation der Wr. Presse. 1890 erhielt W. den Titel k. Rat, weitere hohe Ausz. folgten 1898 (Ritter des Franz Joseph-Ordens) und 1907 (Orden der Eisernen Krone III. Kl.), 1916 wurde er zum Reg.Rat ernannt.

L.: NWT, 1. 1. 1889, 18. 2. 1921 (Abendausg.), Illustrierte Kronen Ztg., 27. (m. B.), 28. 1., 1. 2. 1912, 19. (m. B.), Pester Lloyd, 27. 2. 1921; NFP, 18. (Abendausg.), WZ, 18., 21. 2. 1921; Der Wr. Tag, 26. 1. 1937; Kosel 1; Nagl–Zeidler–Castle; Wr. Neueste Nachrichten 5, 1898, Nr. 45, S. 4f.; Öff. Sicherheit 10, 1930, H. 12, S. 5 (m. B.); AdR, AVA, HHStA, alle Wien; Nö. LA, St. Pölten, NÖ.
(Th. Venus)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 222f.
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