Wimpffen, Simon Gf. von (1867–1925), Unternehmner

Wimpffen Simon Gf. von, Unternehmer. Geb. Vöslau (Bad Vöslau, NÖ), 21. 8. 1867; gest. Wien, 11. 4. 1925; röm.-kath. Enkel von →Franz Emil Lorenz Gf. v. W., Sohn von →Victor Gf. v. W. (s. u. Franz Emil Lorenz Gf. v. W.) und Anastasia Gfn. v. W., geb. Freiin v. Sina zu Hodos u. Kizdia (geb. Wien, 8. 10. 1838; gest. ebd., 24. 2. 1889), der Enkelin von →Georg Frh. v. Sina zu Hodos u. Kizdia, Bruder u. a. von Siegfried Gf. v. W. (s. u.); ab 1890 einige Jahre verheiratet mit Karoline Gfn. v. W., geb. Gfn. v. Széchényi (1869–1932). – Entgegen der Familientradition, eine Militärlaufbahn einzuschlagen – er brachte es ledigl. bis zum Oblt. des Husarenrgt. Nr. 11 –, verkehrte W., der als einer der reichsten Grundherren der Monarchie galt, vornehml. auf Pferderennbahnen, in Jockeyclubs, auf Bällen und in noblen Wr. Restaurants. Ab 1889 baute er auf seinem Gut Neuhaus im südl. Wr.wald eine luxuriöse Kuranstalt auf, welche u. a. aus einem vierstöckigen Kurhaus, dem Curhotel d’Orange, dem Hotel Stephanie, zahlreichen Villen, einem Teich, einem Bad, Tennisplätzen und einer Rollschuhhalle bestand. Ab 1910 verwaltete er sein Erholungszentrum selbst. Während des 1. Weltkriegs stellte W. das Hotel d’Orange unentgeltl. als Rekonvaleszentenheim zur Verfügung und sorgte für die Verpflegung der Verwundeten. Infolge des Kriegs wurde der Kurbetrieb jedoch ein Verlustgeschäft und W. musste zahlreiche seiner Güter verkaufen. Aufgrund des neuen Wohnungsgesetzes wurden seine Villen in Neuhaus nach dem Krieg Wohnsitz von Beamten der Berndorfer Metallwarenfabrik und das Hotel ein Erholungsheim für Wr. Beamte. 1920 überließ W. das Management des Kurzentrums einem Verwalter. 1920–21 initiierte er für Neuhaus noch die Installation einer Stromversorgung. Darüber hinaus war W. ein Anhänger des Pferdesports. Im nahe gelegenen Fahrafeld besaß er eine eigene Pferdezuchtstätte, wo er eine Rennbahn erbauen ließ, verkaufte das Gestüt allerdings nach dem Zusammenbruch der Monarchie an den Staat. Außerdem galt sein Interesse der Operette. Zuletzt lebte W., der als Dandy bekannt war und dessen Kleidung (Pepitahose, blauer Gehrock und graue schmalrandige Melone) Kultstatus erreichte, zurückgezogen teils im Palais Sina am Wr. Hohen Markt, teils in Mauer bei Wien. W. war Mitgl. des ung. Magnatenhauses. 1916 erhielt er das Großkreuz des Franz Joseph-Ordens. Sein Bruder, der Automobilist, Großgrundbesitzer und Unternehmer Siegfried Gf. v. W. (geb. Wien, 6. 9. 1865; gest. Ertsching/Ercsi, H, 26. 11. 1929; röm.-kath.), ab 1892 verheiratet mit Francisca Gfn. v. Stockau (geb. Wien, 9. 4. 1873; gest. Ercsi, 7. 12. 1933), der Nichte von →Helene Freifrau v. Vetsera, besaß zahlreiche Herrschaften und darüber hinaus Palais in Wien (Hoher Markt), Venedig und Budapest. Ein angebl. Stud. der Rechtswiss. und Nationalökonomie an verschiedenen ausländ. Univ. lässt sich nicht nachweisen. Siegfried W. initiierte die Errichtung von zahlreichen Kapellen, Kirchen, Schlössern, Schulen, Kindergärten u. a. 1901 gründete er in Ertsching ein Kloster und erhielt die Erlaubnis, Schwestern vom göttl. Erlöser dorthin zu bringen, die schon 1899 die von ihm und seiner Frau gegr. Schule betreuten. Im 1. Weltkrieg leitete er in seinem dortigen Schloss ein Kriegsspital. Im Widerspruch zu seinen karitativen Unternehmungen ließ er seine Untergebenen unter unmenschl. Bedingungen leben und arbeiten. 1903 streikten deshalb in Ertsching 90 seiner Saisonarbeiter, ein Jahr später bereits 1.500 Erntehelfer und Tagelöhner. I. d. F. kam es zu Verhaftungen und Entlassungen. Siegfried W., der als Kunstkenner und Kunstsammler galt, verbrachte seinen Lebensabend in Ertsching, wo er sich der Landwirtschaft widmete, die er mit modernen Maschinen betrieb. Darüber hinaus gründete er 1912 eine Zuckerfabrik, die erst 1998 geschlossen wurde. Bekanntheit erreichte Siegfried W. v. a. als Pionier des Automobilismus. 1892 erwarb er als Erster in der Monarchie nach Ablegung einer Prüfung, deren Ausschuss u. a. der Rektor der TH in Wien angehörte, die Fahrerlaubnis für ein Dampfautomobil. Sein Fahrzeug der französ. Fa. Serpollet war auch das erste in der Monarchie, das eine Nummerntafel erhielt. Siegfried W., Mitgl. des Wr. Jockeyclubs, war ab 1898 Mitgl. bzw. im Vorstand des Österr. Automobil-Clubs und ab 1905 Mitgl. des ung. Magnatenhauses; 1916 Geh. Rat.

W.: Siegfried v. W.: Zwei Dampfwagen: 1892–1902, in: Allg. Automobil-Ztg. 4, 1903, Nr. 9.
L.: NFP, 12., Neues Wr. Journal, 15. 4. 1925; Wr. Salonbl. 56, 1925, S. 8; Triestingtaler Wochen-Bl., 1925, Nr. 10, S. 4; Badener Ztg. 46, 1925, Nr. 32, S. 4; Die Bühne 2, 1925, S. 8ff. (m. B.); R. Sandgruber, Traumzeit für Millionäre, 2013, s. Reg. (auch für Siegfried v. W.); Pfarre St. Peter, Wien; Pfarre Gainfarn, NÖ. – Siegfried v. W.: NWT (Abendausg.), 10. 12. 1902; RP, 9. 12. 1914; Allg. Automobil-Ztg. 30, 1929, Nr. 24, S. 7ff. (m. B.); Wr. Salonbl. 60, 1929, Nr. 25, S. 12, 19 (Parte); J. Czabaun, Die Reaktionen der Bevölkerung auf den frühen Automobilismus in Österreich, phil. DA Wien, 2008, S. 39f., 53; Pfarre Votivkirche, Wien.
(G. Vavra)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 239f.
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