Winckler, Anton (1821–1892), Mathematiker

Winckler Anton, Mathematiker. Geb. Riegel, Großhg.tum Baden (Riegel am Kaiserstuhl, D), 3. 8. 1821; gest. Maria Schutz (Schottwien, NÖ), 30. 8. 1892 (begraben: Riegel am Kaiserstuhl); röm.-kath. Sohn des Land- und Gastwirts Anton W. (geb. 1780; gest. 28. 10. 1842) und dessen 2. Frau Franziska W., geb. Wehrle (1779–1844); unverheiratet. – W. erhielt zuerst Privatunterricht und stud. ab 1838 Astronomie und Mathematik am Polytechnikum in Karlsruhe; 1844 Staatsprüfung und Ing.titel. Mittels eines Stipendiums des bad. Fonds für Künste und Wiss. setzte er seine Ausbildung zunächst an der Mannheimer Sternwarte und 1845–47 an der Univ. Berlin, u. a. bei den Mathematikern Carl Gustav Jacobi, Peter Gustav Lejeune-Dirichlet, mit dem ihn eine enge Freundschaft verband, und Enne Heeren Dirksen, beim Astronomen Johann Franz Encke und beim Geographen Carl Ritter, fort. Auch mit dem Mathematiker Gotthold Einstein trat er in Kontakt. 1847 erhielt W. ein Abgangszeugnis von der Univ. Berlin, ein im selben Jahr angebl. erworbenes Doktorat ist nicht nachweisbar. Ab 1847 suppl. W. die Fächer Höhere Mathematik und Höhere Geodäsie am Polytechnikum in Karlsruhe; 1851 entlassen. Bereits 1850 hatte sich W. in Österr. an diversen Univ., polytechn. Inst. und der Kriegsschule beworben. 1851 wandte er sich diesbezügl. an →Friedrich Gf. v. Thun u. Hohenstein. 1851–53 hielt W. in seiner Karlsruher Wohnung Vorträge über Mathematik und Mechanik, die sich großer Beliebtheit erfreuten und ihm auch ein Einkommen sicherten. 1853 folgte er dem Ruf als o. Prof. für Prakt. Geometrie und Situationszeichnen an die Techn. Lehranstalt in Brünn, ab 1859 wirkte er als o. Prof. für Mathematik am Grazer Joanneum, wo er auch Elementarmathematik suppl. und im Zuge der 1865 abgeschlossenen Umgestaltung zur TH einen neuen Lehrplan entwickelte. 1866 übernahm er die o. Professur für Mathematik am polytechn. Inst. in Wien. Eine 1873 angebotene Professur an der dortigen Univ. lehnte er ebenso ab wie den bereits 1862 erhaltenen Ruf an das Polytechnikum in Zürich. 1891 trat er i. d. R. W., der als vorzügl. Lehrer galt, erwarb sich große Verdienste um die Reorganisation der österr. TH, aber auch um das Mittelschulwesen in der Stmk. Erwähnenswert sind diesbezügl. „Die Reform der technischen Lehranstalten“ (in: Oesterr. Revue 1/3, 1863), „Die Reorganisations-Vorschläge des Wiener Polytechnikums, verglichen mit … Gratz und Prag“ (ebd. 2/4, 1864), „Bemerkungen über den gegenwärtigen Zustand der technischen Institute“ (ebd. 1/1, 1863) und „Bemerkungen über die technischen Mittelschulen und deren Reform“ (in: Oesterr. WS für Wiss., Kunst und öff. Leben 1, 1863). Darüber hinaus befasste sich W. vornehml. mit Problemen der Integralrechnung und der Theorie der Differenzialgleichungen, deren Fragestellungen v. a. in dem Stud. der Werke Leonhard Eulers wurzelten, wobei ihm der prakt. Nutzen seiner entdeckten Sätze und Formeln bes. wichtig war. 1865 konnte er die Ergebnisse von Carl Friedrich Gauß und Pierre-Simon Laplace generalisieren („Allgemeine Sätze zur Theorie der unregelmäßigen Beobachtungsfehler“, in: Sbb. Wien, math.-nat. Kl. 53, 2, 1866). Bereits 1851 war W.s erste Abh. „Nouvelle démonstration d’un théorème de Legendre“ im „Journal de mathématiques pures et appliquées“ erschienen, 1852 folgte „Transformation dreifacher Integrale durch Änderung der Integrationsfolge“ (in: Journal für die reine und angewandte Mathematik) und 1853 ebd. „Über die Reduction doppelter Integrale auf Quadraturen“. Monograph. erschienen Streitschriften gegen seinen Kollegen →Simon Spitzer, u. a. „Ueber die Integration linearer Differentialgleichungen zweiter Ordnung mittelst einfacher Quadraturen. … Kritische Beleuchtung der angeblichen Entdeckungen des Herrn Prof. Simon Spitzer in Wien“ (1876) oder „Die Integration linearer Differentialgleichungen und der Herr Prof. Simon Spitzer in Wien“ (1881). W. war ab 1861 k. M., ab 1863 w. M. der k. Akad. der Wiss. in Wien sowie ab 1876 Mitgl. der Kgl. böhm. Ges. der Wiss. Ab 1881 HR, erhielt er 1891 das Ritterkreuz des Leopold-Ordens.

Weitere W.: s. Ottowitz; Michels.
L.: Die Presse, 2., 3. (Lokalanzeiger) 9. 1892; Almanach Wien 43, 1893, S. 257ff.; Inauguration TH Wien 1891/92, 1892, S. 12f., 1892/93, 1893, S. 6f., 9; Wurzbach; E. Czuber, in: Monatshe. für Mathematik und Physik 3, 1892, S. 403ff.; Die k. k. TH in Wien 1815–1915, ed. J. Neuwirth, 1915, s. Reg.; A. Lechner, Geschichte der TH in Wien (1815–1940), 1942, s. Reg.; D. A. Binder, Das Joanneum in Graz ..., 1983, s. Reg.; N. Ottowitz, Der Mathematikunterricht an der TH in Wien 1815–1918, 1, 1992, S. 201ff. (m. B. u. W.); M. Michels, in: Schau-ins-Land 115, 1996, S. 159ff. (m. B. u. W.); P. Šišma, Matematika na německé technice v Brně, 2002, s. Reg.; Die Technik in Graz, ed. J. W. Wohinz, 2002, s. Reg. (m. B.); P. Šišma, Zur Geschichte der Dt. TH Brünn, 2009, S. 13f., 37, 107f., 191; B. Reismann, 125 Jahre Alte Technik …, 2013, S. 29, 31ff., 145; AVA, ÖAW, TU, alle Wien; Pfarre Maria Schutz, NÖ; TU, Graz, Stmk.; TU, Brno, CZ; UA, Berlin, UA, Kiel, beide D.
(M. Pesditschek)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 240f.
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