Winiker, (Johann Heinrich) Karl (1807–1877), Buchdrucker und Verleger

Winiker (Johann Heinrich) Karl, Buchdrucker und Verleger. Geb. Göttingen, Kg.reich Westphalen (D), 24. 11. 1807; gest. Brünn, Mähren (Brno, CZ), 6. 11. 1877; evang. Sohn von Georg August W., Jurist in Göttingen, und Katharina Louisa W., geb. Heidelbach, Vater u. a. von Friedrich W. und Hermann W. (beide s. u.), Schwiegervater von Josef Alexander Palliardi; ab 1836 mit Mathilde W., Tochter eines Buchhalters, verheiratet. – W. besuchte das Gymn. in Hannover und Göttingen, absolv. anschließend eine Buchhändlerlehre bei Karl Ruprecht in Göttingen und gelangte 1833 über Bremen nach Brünn. Dort wurde er Geschäftsführer und 1835 Teilhaber der Fa. Seidel und Braumüller, die 1781 von Johann Thomas Trattner gegr. wurde und als älteste Buchhandlung Mährens gilt. W. übernahm die Fa. 1841 in sein Eigentum, nachdem er per Gubernialdekret die Bewilligung dazu erhalten hatte. Unter ihm kam es zum Aufschwung des Unternehmens, da er den Grundstein zu einer umfangreichen Musikalienleihanstalt (um 1890 umfasste sie rund 50.000 Nr.) legte und 1848 eine Druckerei auf dem Radwitplatz gründete. Ausgedehnt war auch die verleger. Tätigkeit der Fa. Sie umfasste u. a. Werke →Vinzenz Brandls, des Volksliedsammlers František Bartoš und zahlreiche Fachbücher in dt. und tschech. Sprache. Weite Verbreitung in Schulen fanden auch die sog. Pokorny’schen Schreibtheken, Behelfe für den Schreibunterricht. 1874 gründete W. mit František (Franz) Karafiat als stillem Teilhaber eine Buchhandlung in Brünn. Daneben wirkte er 1861–62 auch als Mitgl. des Stadtrats. Nach seinem Tod übernahmen 1878 sein Schwiegersohn Palliardi und der jüngere Sohn Hermann W. (geb. Brünn, 13. 5. 1851; gest. ebd., 8. 2. 1919) die Leitung der Buchhandlung, die 1881 den Hoftitel erhielt. Hermann W. heiratete 1891 die Försterstochter Gabriela W., geb. Zahajka. Er scheint 1915 als Presbyter der evang. Gmd. in Brünn auf. Ein weiterer Sohn W.s, Friedrich W. (geb. Brünn, 6. 6. 1840; gest. ebd., 23. 4. 1901), der ab 1876 mit der Fabrikantentochter Amalie W., geb. Jameck (Jamöck), verheiratet war, verlegte sich auf den Buchdruck. Er absolv. eine Lehre bei seinem Vater und ging 1859 zu Brockhaus nach Leipzig, wo er Lithographie, Kupferdruckerei, Stereotypie, Galvanoplastik und Schriftgießerei erlernte. Nach Abschluss seiner Ausbildung 1863 besuchte er weitere dt. Städte, um in den dortigen Druckereien neue Arbeitsweisen kennenzulernen. Nach Brünn zurückgekehrt (1864 Bürgerrecht), übernahm er die Leitung der väterl. Buchdruckerei und führte sie bis 1866. Ab 1866 leitete er als Konzessionär und Chef die ehemalige Georg Gastl’sche Buchdruckerei in Brünn unter der Fa. Březa, Winiker & Comp. und übernahm sie 1873 als Alleineigentümer. 1874 verband er sich mit Franz Karafiat, Teilhaber der neuen Fa. Friedrich Winiker, vormals Březa, Winiker & Comp., der jedoch nach einem Jahr austrat. Neuer Teilhaber wurde 1875 August Schickardt, später Ges. der Brünner Ölfabriks-Ges. Zusammen gründeten sie die nachmalige k. k. Hofbuchdruckerei Fr. Winiker & Schickardt, deren Teilhaber 1884 der Buchdrucker Oscar Schickardt wurde, jüngerer Bruder Augusts, welcher aus der Fa. ausschied. Das Unternehmen erfuhr einen weiteren Aufschwung und konzentrierte sich nicht nur auf die Hrsg. von Verlagswerken, sondern auch auf den Geschäftsdruck, um 1890 waren bereits 85 Mitarb. beschäftigt. Anlässl. der Kaiserjubiläums-Ausst. in Brünn 1888 erhielt die Fa. die Staats-Medaille. 1898 übernahm sie Oscar Schickardt als alleiniger Besitzer. Friedrich W. war ab 1888 Vorstand des Gremiums der Buchdrucker, Schriftgießer und Steindrucker in Brünn. 1877 erhielt er den Titel eines Hofbuchdruckers. Neben seiner berufl. Tätigkeit beteiligte er sich am Brünner Ges.leben.

L.: Heller 4; Oesterr. Buckdrucker-Ztg. 5, 1877, S. 295; B. Smutný, Brněnští podnikatelé a jejich podniky 1764–1948, 2012, S. 493f.; Moravský zemský archiv v Brně, Brno, CZ.
(B. Smutný)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 246f.
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