Winnerl, Joseph Thaddäus (1799–1886), Uhrmacher

Winnerl Joseph Thaddäus, Uhrmacher. Geb. Mureck (Stmk.), 25. 1. 1799; gest. Andrésy (F), 27. 1. 1886; röm.-kath. Sohn des Murecker Revisors Adalbert W. und seiner Frau Maria Anna W., geb. Lawantz; ab 1836 mit Adele-Celestine Vaucanu (gest. 1865) verheiratet. – W. absolv. bei Georg Fidel Schmidt in Graz eine Uhrmacherlehre und wurde 1816 freigesprochen. Er arbeitete daraufhin ab 1823 bei höchst renommierten Uhrmachern in ganz Europa und bildete sich dort weiter. Zu seinen Stationen gehörten die Werkstätten von Johann Heinrich Kessels in Altona, Urban Jürgensen in Kopenhagen sowie ab 1829 Paris, wo er u. a. bei Breguet et fils tätig war. 1832 machte er sich in Paris selbstständig und wurde neben Berthoud, Motel und Robert zu einer gefeierten Persönlichkeit auf dem Gebiet der Uhrmacherei. Abgesehen von seinen ausgeprägten prakt. Fähigkeiten beruhte W.s Stärke darin, stets die Verbesserung der Genauigkeit der Zeitmessung als Ziel seiner Arbeiten zu sehen. Als Präzisionsuhrmacher war er stark am techn. Fortschritt interessiert und arbeitete mit nicht zu übertreffender Gewissenhaftigkeit an der Verbesserung der Gangleistungen der Zeitmesser. Dazu gehörten bes. die Marinechronometer sowie feine Pendeluhren. Dabei gelangte er ohne tiefere theoret. Kenntnisse mit einem ausgesprochenen Gefühl für Feinmechanik zu überzeugenden Lösungen. Berühmt sind der 1838 präsentierte Schleppzeigermechanismus von W. für Taschenuhren, die 1844 veröff. Neuentwicklungen zu Pendeluhren und Sekundenzählern (z. B. mit seiner Kugelhemmung oder die Pendeluhren ohne Ankergabel) und seine Arbeiten über den Isochronismus von Pendelschwingungen im Zusammenwirken mit der Art der Aufhängefeder. Auch das Prinzip des heutigen Doppelchronographen geht auf eine Erfindung W.s zurück, und die erste Präzisionspendeluhr mit elektr. Kontakt für das Pariser Observatorium von 1868 stammt ebenfalls von ihm. Zahlreiche später namhafte Uhrmacher versuchten daher, bei W. als Lehrlinge oder Mitarb. in seiner Werkstatt zu arbeiten. Dazu gehörten u. a. Julien Hilaire Rodanet (1826–37), der später ebenfalls Marinechronometer baute, Adolph Ferdinand Lange, der spätere Gründer der Uhrenfabrikation in Glashütte bei Dresden (1835–40), der Chronometerhersteller Moritz Krille (gegen 1845), der in der Schweiz erfolgreiche Uhrmacher und Fabrikant Henri Robert Ekegrèn (um 1850) oder Victor Auguste Fénon (um 1860), einer der geschicktesten Arbeiter bei W. 1859–60 fungierte er als Präs. der französ. Société des Horlogers. Außerdem war W., der 1840 die französ. Staatsangehörigkeit erhalten hatte, 1859–70 als Stadtverordneter in Paris tätig. Nach dem Tod seiner Frau gab er 1870 seine Pariser Werkstatt auf und verkaufte diese an den Uhrmacher Bernard Callier. 1873 siedelte er in das Dorf Andrésy über, wo er aber bis ins hohe Alter weiter arbeitete. Unter seinen zahlreichen Ausz. befinden sich eine Goldmedaille der französ. Ind.ausst. 1839 und ein Grand Prix der Weltausst. 1855 in Paris. Er wurde 1844 Ritter, 1855 Off. der Ehrenlegion.

L.: L. Moinet, Nouveau traité général élémentaire … d’horlogerie … 2, 2. Aufl. 1853, S. 213f., 487ff.; Revue Chronometrique 3, 1859, S. 216ff.; Allg. Journal der Uhrmacherkunst 11, 1886, S. 76f.; C. Saunier, Lehrbuch der Uhrmacherei 3, 3. Aufl. 1905, S. 337f.; L’Horloger 4, 1908, S. 107; Die Uhrmacher-Woche 43, 1936, S. 47f. (m. B.); L. Tardy, Dictionnaire des Horlogers Français, 1971; Pfarre Mureck, Stmk.
(B. Huber)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 258f.
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