Winterholler, Gustav (1833–1894), Politiker

Winterholler Gustav, Politiker. Geb. Brünn, Mähren (Brno, CZ), 14. 4. 1833; gest. ebd., 29. 7. 1894; röm.-kath. Sohn des Kaufmanns Franz Moriz W. (gest. 1875), Vater des Juristen Gustav W. (1866–1907) und des mit →Anton Wildgans befreundeten Schriftstellers Friedrich W. (geb. Brünn, 30. 5. 1882; gest. Wien, 10. 2. 1945); verheiratet mit der Gastwirtstocher Antonie W., geb. Swoboda (1842–1897). – W. besuchte 1842–50 das Gymn. und stud. 1850–54 Jus an der Univ. Wien; 1856 Dr. iur. ebd. Ab 1856 arbeitete er als Konzeptsbeamter im Dienst der Stadt Brünn, war 1860–68 Stadtsekr. und erwarb sich als solcher Verdienste bei der Überwachung der Sicherheit in der von preuß. Militär besetzten Stadt. I. d. F. fungierte W. als enger Mitarb. des damaligen Bgm. →Karl Giskra und nach dessen Ernennung zum Innenminister 1867 als Konz. im Präsidialbüro des Innenmin. In dieser Funktion nahm er 1869 regen Anteil an der Schulreform. W., der ab 1869 bis zu seiner Beurlaubung 1880 Statthaltereirat in Brünn war, galt als Vertrauensmann der Regierung und Garant für die rasche Durchführung der Schulgesetze. In der mähr. Landesbehörde wurde er deshalb mit der Leitung des Dep. für Schulwesen betraut und 1870 nach der Konstituierung des Landesschulrats automat. dessen Mitgl. und Referent für die administrativen und ökonom. Schulangelegenheiten. 1870–94 war W. Mitgl. der Brünner Gmd.vertretung, 1880–94 Bgm. von Brünn. 1883–94 saß er zudem im RR und 1886–94 im mähr. LT. Polit. galt W. als ein Liberaler alter Prägung, der mit den Brünner jüd. großbürgerl. Unternehmerkreisen zusammenarbeitete und sich bemühte, die Gmd.vertretung von nationalist. und antisemit. Tendenzen freizuhalten. Im Parlament gehörte er zum weiteren Kreis der Liberalen, im AH war er Mitgl. des Klubs der Vereinigten Linken (1883–85), des Dt.-österr. Klubs (1885–88) und ab November 1888 der Vereinigten dt. Linken. Als Bgm. arbeitete W. eng mit seinem Stellv. Johann Alexander Herlth zusammen, was ihm die Unterstützung der bürgerl. Schichten sicherte und im Gmd.ausschuss die Genehmigung der für die Stadtmodernisierung notwendigen Kredite ermöglichte. Zu den wichtigsten Bauprojekten in W.s Amtszeit gehörten 1881–82 das Dt. Stadttheater (eines der ersten elektrifizierten in Europa), die Trinkwasserleitung, der Ausbau und die Modernisierung der Straßenbahn sowie der Brückenbau über die Schwarza im Stadttl. Schreibwald. W. gilt als Begründer der kommunalen Kindergärten für arbeitende Mütter, weiters setzte er die Adaptierung von Schloss Gurein zu einer Mädchenwaisenanstalt durch, ließ die allg. K.-Franz-Josephs-Versorgungsanstalt und das Bürgerversorgungshaus errichten und bemühte sich, die Wohnungsfrage der ärmeren Schichten zu lösen. Sein soziales Denken war jedoch vom patriarchalen Verständnis der Rolle des Arbeitgebers geprägt: Während der Textilarbeiterstreiks in Brünn stand er aufseiten des bürgerl. Unternehmertums und zögerte nicht, die städt. Polizei gegen die Streikenden einschreiten zu lassen. W. war 1881–94 Vizepräs. des patriot. Landes-Hilfsver. vom Roten Kreuz für Mähren, Obmann des (dt.) Männergesangsver. und der Dt. Lesehalle in Brünn, Ausschussmitgl. des Beamtenver. der österr. Monarchie und des Dt. Ver. 1892 erhielt er das Komturkreuz des Franz Joseph-Ordens.

L.: NFP, Tagesbote aus Mähren und Schlesien, 30. 7. 1894; Adlgasser; Heller 1; Lex. bedeutender Brünner Deutscher 1800–2000, ed. E. Pillwein – H. Schneider, 2000; A. Vyskočil, Slovník představitelů politické správy na Moravě v letech 1850–1918, 2011; J. Malíř u. a., Biografický slovník poslanců moravského zemského sněmu v letech 1861–1918, 2012 (m. B.).
(M. Klečacký)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 268f.
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