Wirer (Wirrer) von Rettenbach, Franz de Paula Ritter (1771–1844), Chirurg und Kurarzt

Wirer (Wirrer) von Rettenbach Franz de Paula Ritter, Chirurg und Kurarzt. Geb. Korneuburg (NÖ), 2. 4. 1771; gest. Wien, 30. 3. 1844 (Ehrengrab: Zentralfriedhof); röm.-kath. Sohn des Baders und Wundarztes Johann Wirrer (Wirer) (gest. 1783) und der Josepha Wirrer (Wirer), geb. Reißleitner; ledig. – W. besuchte bereits mit 16 Jahren med. Vorlesungen in Wien und folgte dem Aufruf Josephs II., aufgrund des 2. russ.-österr. Türkenkriegs sich zum Feldsan.dienst zu verpflichten. Nach einer erfolgreichen militärchirurg. Tätigkeit in Konstantinopel, den Niederlanden, Frankreich und Dtld. verließ W. die Armee als Garnisons-Chefarzt, absolv. 1797–99 an der Josephs-Akad. die Ausbildung zum Dr. chir. und wurde 1800 zum Dr. med. an der Univ. Wien prom. I. d. F. praktizierte er in Wien. W. erkannte die mit den Seebädern vergleichbare therapeut. Wirkung der Sole Ischls. Gem. mit dem Kurarzt Josef Götz betrieb er daher ab 1822 den Aufbau Ischls zum ersten österr. Solebad, indem er durch chem. Analysen die Salzkonzentration der Solequelle nachwies, Schwefelbäder mit Salzbädern kombinierte und deren heilende Wirkung durch Versuchsreihen an der örtl. Bevölkerung belegte („Ischl und seine Solebäder“, 1826). Da W. ein ganzheitl. Heilungskonzept vertrat, baute er Ischl – z. Tl. auf eigene Kosten – zu einem florierenden Kurort aus, indem er die Kuranlagen durch Dusch-, Dampf- und Schlammbäder, ein Spital (1827), Parks und ein Theater erweitern ließ und seine Wasserkuren mit Entspannungstherapien und gesunder Ernährung (Molkekuren) verband. Im Sinne der Aufklärung und seiner philanthrop. Haltung eröffnete W. in Ischl eine Kinderbewahranstalt und ließ für die Ausbildung mittelloser Jugendlicher eine Spinnschule (1832) errichten, ebenso behandelte er Bedürftige unentgeltl. Durch die Betreuung adliger Kurgäste, einschließl. K. →Franz II. (I.) und seiner Gemahlin sowie Erzhg. →Anton Viktor, avancierte W. rasch zu einem anerkannten Arzt. Wegen der erfolgreichen Behandlung von Erzhg. →Rudolf wurde W. Ende 1827 zu dessen Leibarzt und zum HR ernannt. 1836/37 fungierte er als Rektor der Univ. Wien. Er stiftete sämtl. Bezüge seines einjährigen Rektorats der Unterstützung bedürftiger Mitgl. der med. Fak. (ab 1838 Dr.-Franz-Wirer-Stiftung). Auch die Vorbereitung und Gründung der Ges. der Ärzte 1837 fällt in die Zeit seines Rektorats (ab 1837 Vizepräs.). Da W. bereits während seiner Militärzeit mit der Behandlung von an Pest erkrankten Soldaten und 1830 mit der Choleraepidemie in Wien befasst war, förderte er in der Ges. der Ärzte die systemat. Erforschung der Epidemiol. und Prävention von Infektionskrankheiten. Mit seiner Wahl zum Präs. der Ges. 1841 schrieb er eine Summe von 100 Golddukaten zur Beantwortung der Frage „Was haben Oesterreichs Aerzte in der praktischen Heilkunde seit van Swieten geleistet?“ aus. Da bis 1843 keine Schrift eingereicht wurde, setzte W. das Preisgeld für Untersuchungen zur Tuberkulose ein. Weiters veranlasste er den Bau eines Laboratoriums im AKH für Blutanalysen im Sinne der Krasenlehre von →Karl Frh. v. Rokitansky. Er förderte weiters die Erforschung der med. Anwendungen der Elektrizität, des Galvanismus und des Magnetismus. Seine über 3.000 Bde. umfassende Bibl. wurde der Ges. der Ärzte übereignet. W. war Mitgl. mehrerer europ. med. Ges. sowie Mitgl. der med. Fak. der Univ. Wien. 1836 erhielt er das Ritterkreuz des Leopold-Ordens, 1839 den kgl. dän. Dannebrog-Orden IV. Kl. 1837 wurde er mit dem Prädikat „von Rettenbach“ in den Ritterstand erhoben.

Weitere W.: Beyträge zur Badechronik von Ischl, 1836; Ueber Vaccination, Revaccination und den wahren Werth beider, 1842; Ischl und seine Heilanstalten, 1842; Dr. Wirers Büchlein vom Salz, ed. H. P. Einfalt, 2004.
L.: Allg. Theaterztg., 3., WZ, 18. 4. 1844; Wurzbach; J. Sterz, in: Z. der k. k. Ges. der Aerzte zu Wien 1/2, 1845, S. 468ff.; S. Hajek, Geschichte der Ges. der Ärzte, 1889, S. 23ff.; S. Kirchenberger, Lebensbilder hervorragender österr.-ung. Militär- und Marineärzte, 1913 (m. B.); E. Guggenberger, Oö. Ärztechronik, 1962; Nö. Ärztechronik, bearb. B. Weinrich, 1991; K. H. Tragl, Geschichte der Ges. der Ärzte in Wien seit 1838, 2011, s. Reg. (m. B.); Pfarre St. Peter, UA (m. B.), beide Wien; Pfarre Korneuburg, NÖ.
(B. Lohff)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 273f.
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