Witkiewicz Stanisław Ignacy, Ps. Witkacy, Schriftsteller, Maler, Zeichner, Kunsttheoretiker und Philosoph. Geb. Warschau, Russland (Warszawa, PL), 24. 2. 1885; gest. Jeziory Wielkie, Polen (Velyki Ozera, UA), 18. 9. 1939 (Suizid). Sohn von Stanisław W. (s. u.) und der Musiklehrerin Maria Witkiewicza, geb. Pietrzkiewicza; ab 1922 verheiratet mit Jadwiga Unrug, der Enkelin →Juliusz Fortunat Kossaks. – W. wuchs im galiz. Zakopane auf und hatte durch seine Eltern schon früh Kontakt zu namhaften Künstlern und Gelehrten, die den Kurort aufsuchten. Er erhielt Privatunterricht und verf. bereits als Jugendlicher erste literar. und phil. Werke. Nach der Matura, die er in Lemberg ablegte, begann er ein Stud. an der Krakauer Kunstakad., das er jedoch bald abbrach. Nach mehreren kürzeren Auslandsaufenthalten u. a. in Wien, Paris und London folgte 1914 eine prägende Reise über Ceylon nach Australien und Neuguinea, gem. mit seinem Freund, dem Anthropologen Bronisław Malinowski. Nach einem Nervenzusammenbruch in Zusammenhang mit dem Freitod seiner Verlobten kehrte W. kurz nach Ausbruch des 1. Weltkriegs nach Europa zurück und rückte in ein Petersburger IR ein. Nachdem er die Revolution in Russland miterlebt hatte, kehrte er nach Kriegsende nach Polen zurück, wo er der Künstlergruppe der Formisten nahestand. W. verf. vier Romane, über 20 Theaterstücke (davon mehrere ins Dt. übers.) und führte eine ausgedehnte Korrespondenz, etwa mit den Philosophen Hans Cornelius und Roman Ingarden. In phil., ästhet. und theatertheoret. Schriften entwickelte er die „Theorie der Reinen Form“. Von seinem maler. Œuvre sind hunderte Gemälde und Zeichnungen erhalten geblieben, der Großteil im Besitz des Regionalmus. in Słupsk. Bekannt ist W. für seine difformen Porträts, die er mit chiffrierten Markierungen versah, welche auf Drogen- und Alkoholkonsum beim Malprozess hinweisen sollten. Nach dem dt. Überfall auf Polen meldete er sich freiwillig, wurde jedoch nicht in die Armee aufgenommen. Daraufhin floh er mit seiner Geliebten in den Osten des Landes und beging dort nach dem Einmarsch der Sowjettruppen Selbstmord. Sein Vater, der Maler, Architekt, Kunsttheoretiker und -kritiker sowie Schriftsteller Stanisław W. (geb. Poszawsze, Russland / Pašiaušė, LT, 8. 5. 1851; gest. Laurana, Istrien / Lovran, HR, 5. 9. 1915), ging 1868 nach St. Petersburg, wo er sich erfolglos um eine Aufnahme an der Kunstakad. bewarb. 1871 wechselte er nach München, wo er möglicherweise einen Vorbereitungskurs im Fach Historienmalerei besuchte. I. d. F. bildete er sich, wie bereits in St. Petersburg, autodidakt. weiter. Während seines Münchner Aufenthalts kam Stanisław W. in Kontakt mit bedeutenden poln. Malern wie Maksymilian und Aleksander Gierymski, Adam Chmielowski oder Józef Chełmoński. Nach seiner Rückkehr nach Warschau 1873 schrieb Stanisław W., der sich wiederholt krit. gegenüber dem akadem. Betrieb äußerte, Kunstkritiken für mehrere Z. 1890 ließ er sich in Zakopane nieder, wo er sich der theoret. und prakt. Entwicklung eines regionalen, von der Folklore der Goralen inspirierten Kunststils (Zakopane-Stil bzw. W.-Stil) widmete. Die von ihm entworfenen Villen zählen zu den Sehenswürdigkeiten des Orts. In seinen Schriften beschäftigte er sich mit Fragen der Kunst, Religion, Ethik sowie der poln. Identität, auch verf. er Einzelstud. über →Juliusz Fortunat Kossak (1900), →Jan Matejko (1903) und Aleksander Gierymski (1903). Sein Werk „Na przełęczy“ (1891) erlangte als sog. Tatra-Evangelium große Bekanntheit. Als Maler schuf er v. a. realist. Landschaften mit Motiven aus der Tatra sowie Szenen des Jänneraufstands von 1863.