Witos, Wincenty (Vincent) (1874–1945), Politiker

Witos Wincenty (Vincent), Politiker. Geb. Wierzchosławice, Galizien (PL), 21. 1. 1874; gest. Kraków (PL), 31. 10. 1945; röm.-kath. Sohn des Kleinlandwirts Wojciech W., Bruder des Politikers Andrzej W. (geb. Wierzchosławice, 8. 11. 1878; gest. Łódź, PL, 9. 3. 1973); ab 1898 verheiratet mit Katarzyna W., geb. Tracz. – W. absolv. nur die Volksschule und bildete sich anschließend autodidakt. weiter. Bereits in seiner Jugend näherte er sich der Volksbewegung an, die sich in den 1890er-Jahren in Galizien rege entwickelte. Ab 1893 wirkte er als Korrespondent der in Lemberg erscheinenden Wochenz. „Przyjaciel Ludu“, die sich dem von der kath. Kirche unterstützten konservativen Großgrundbesitz Galiziens widersetzte. 1899 in den Vorstand der 1895 gegr. Poln. Volkspartei gewählt, war W. 1908–14 Abg. des galiz. LT und 1911–18 RR-Abg. Nach der Aufsplitterung der Volksbewegung in Galizien 1913 war W. 1914 Mitorganisator und Vizepräs. der neuen poln. Mitte-rechts-Volkspartei Piast. Nach Ausbruch des 1. Weltkriegs stellte er sich zunächst auf die Seite der Anhänger der sog. austro-poln. Lösung, welche die Wiederherstellung eines poln. Staats im Rahmen des habsburg. Reichs anstrebte. Ab 1917 zählte er jedoch zu den Befürwortern einer völligen Unabhängigkeit Polens. Im Herbst 1918 Mitbegründer der poln. Liquidationskomm., war W. 1919–22 Mitgl. des poln. verfassungsgebenden Sejm und wurde 1920, während des poln.-sowjet. Kriegs, zum Premierminister an die Spitze einer nationalen Verteidigungsregierung berufen. 1921 trat er von diesem Amt zurück. 1923 gründete er eine Mitte-rechts-Koalition und wurde zum zweiten Mal Regierungschef. W. geriet nun in Konflikt mit Marschall Józef Piłsudski. Angesichts der wirtschaftl. und sozialen Schwierigkeiten scheiterte die Koalition und W. trat noch im selben Jahr zurück. 1926 erhielt er neuerl. einen Regierungsbildungsauftrag, allerdings wurde das Kabinett noch im Mai desselben Jahres durch einen von Piłsudski organisierten Militärputsch gestürzt. In den folgenden Jahren stand W. in Opposition zu Piłsudski und seiner Sanacja. 1928 wieder in den Sejm gewählt, war W. 1929–30 Mitorganisator des oppositionellen parlamentar. Blocks, der aus Zentrum-Gruppierungen und der gemäßigten Linken bestand. Er wurde deshalb gem. mit anderen Oppositionsführern 1930 inhaftiert und i. d. F. zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt, musste schließl. Polen verlassen und hielt sich 1933–39 in der Tschechoslowakei auf. Selbst von dort aus arbeitete W. mit anderen exilierten demokrat. Kräften gegen die Sanacja-Regierung zusammen. Nach der Besetzung der Tschechoslowakei durch die Wehrmacht kehrte W. nach Polen zurück. Nach Kriegsausbruch im September 1939 von der Gestapo verhaftet, lehnte W. den Vorschlag zur Gründung einer Regierung des nationalen Schulterschlusses entschieden ab. 1941–44 war er unter Aufsicht der Gestapo interniert, arbeitete jedoch mit dem poln. Widerstand zusammen. Nach der Besetzung Polens durch die Rote Armee verweigerte W. die Zusammenarbeit mit den neuen kommunist. Behörden. Im August 1945 wurde er erneut Vors. der Poln. Volkspartei, doch sein Gesundheitszustand verhinderte ein weiteres polit. Engagement. W. hinterließ umfangreiche Memoiren und zahlreiche Publ.

W.: Dzieła Wybrane, 5 Bde., 1988–2007.
L.: Adlgasser; Slavonic Enc., 1949; A. Zakrzewski, W. W., 1977; H. Tillmann, Biographien zur Weltgeschichte, 1989; Kto był kim w Drugiej Rzeczypospolitej, ed. J. M. Majchrowski u. a., 1994 (m. B.); J. Buszko, Polacy w parlamencie wiedeńskim 1848–1918, 1996, passim; K. Stauter-Halsted, The Nation in the Village, 2001, passim; K. Struve, Bauern und Nation in Galizien, 2005, passim; E. Podgajna, Myśl polityczna W. W. (1874–1945), 2018.
(D. Szymczak)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 285f.
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