Wittassek (Vitásek, Witassek, Wittasek, Wittaseck, Wittasseck), Johann (Jan) Nepomuk August (1770–1839), Komponist, Pianist, Lehrer und Kapellmeister

Wittassek (Vitásek, Witassek, Wittasek, Wittaseck, Wittasseck) Johann (Jan) Nepomuk August, Komponist, Pianist, Lehrer und Kapellmeister. Get. Hořin, Böhmen (Hořín, CZ), 23. 2. 1770; gest. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 7. 12. 1839. Sohn von Wenzel W., der als Kantor und Organist in Hořin, dem Landbesitz der Familie Lobkowitz, tätig war. – Die erste musikal. Ausbildung (Gesang, Violine, Klavier, Orgel und Generalbass) bekam W. von seinem Vater. Später stand er in Prag in den Diensten der adeligen Familien Lobkowitz (ab 1786, ab 1795 auch als Kanzlist) und Nostitz-Rieneck (ab 1798, als Konzertmeister, Vizekapellmeister und Haussekr.). In Prag stud. er Klavier bei Franz Xaver Dušek und Kontrapunkt bei →Leopold (Johann) Anton Koželuch. Wesentl. Einfluss auf seine musikal. Entwicklung hatte die persönl. Bekanntschaft mit Mozart in Prag 1787. 1814 einstimmig zum Kapellmeister des Prager Veitsdoms gewählt, bekleidete W. diesen Posten bis zu seinem Tod. Ab 1826 war er Vors. des Ver. der Kunstfreunde für Kirchenmusik in Böhmen, ab 1830 fungierte er als erster Dir. der Prager Orgelschule. Nachdem er 1824 erfolglos beim Wr. Hof um die vakante Stelle des Vizekapellmeisters angesucht hatte, ernannte ihn K. →Franz II. (I.) 1826 unerwartet doch zum Vizekapellmeister (das Amt war bis dahin noch nicht besetzt); aus Krankheitsgründen lehnte W. aber ab. W. arbeitete mit führenden Persönlichkeiten des Prager und Wr. Musiklebens wie →Johann Theobald Held, →Johann Ritter v. Rittersberg, →Ignaz v. Seyfried und mit Mozarts Biographen →Franz Niemetschek zusammen, weiters auch mit seinen Schülern →Robert Führer und →Wenzel Emanuel Horak. Als hervorragender Pianist war er in Prag seit Anfang der 1790er-Jahre geschätzt und als Interpret von Mozarts Werken anerkannt. Als Komponist machte er sich zuerst v. a. mit Tanz- und Klavierstücken einen Namen, von denen einige in Prag, Leipzig und Offenbach gedruckt wurden. Auf dem Gebiet der weltl. Vokalmusik kann W. ebenfalls als bedeutender Komponist angesehen werden, der den böhm. Landespatriotismus zum Ausdruck brachte. W. trug wesentl. zur Entwicklung des Gesangs in tschech. Sprache bei, vertonte jedoch auch dt. Texte. Nach seiner Ernennung zum Domkapellmeister komponierte er fast ausschließl. Kirchenmusik, die einen wichtigen Schwerpunkt seiner kompositor. Tätigkeit bildete. Sein kirchenmusikal. Schaffen ist seit 1797 belegt. Obwohl selten gedruckt, wurden seine Werke in den böhm. Ländern und im heutigen Österr. durch zahlreiche Kirchenchöre verbreitet. 1824 erregte W. die Aufmerksamkeit von K. Franz I. Im selben Jahr wurde sein Requiem Es-Dur sowohl bei der Totenmesse für Kn. →Maria Ludovica im Mai wie auch in der Wr. Hofburgkapelle zu Allerseelen aufgef. Die Missa solemnis B-Dur und die sog. Dritte Messe in C wurden in der Hofburgkapelle bis 1897 gleichfalls häufig gespielt. W. arbeitete zudem als Hrsg. (spätestens ab 1813 red. er die musikal. MS „Euphonia“ mit Kompositionen v. a. für Gesang und Klavier, ab 1832 war er Mithrsg. der Smlg. „Fugen und Präludien von älteren vaterländischen Compositoren“). Die Ges. der Musikfreunde in Wien ernannte ihn 1837 zum Ehrenmitgl. W.s Kompositionen, vorwiegend die Messen, sind in Tschechien (v. a. in Prager und Brünner Archiven und Bibl.), Österr. (Österr. Nationalbibl., Ges. der Musikfreunde in Wien, vereinzelt in Stifts- und Klostersmlgg.), Dtld. (v. a. Staatsbibl. zu Berlin) erhalten, einige Werke befinden sich in der Slowakei, in Ungarn, Polen und den USA.

Weitere W. (s. auch ČHS): David oder die Befreyung Israels (Urauff. Prag, 1810; nicht erhalten, nur die Szene Nr. 13 in Arrangement für Klavier); Kirchenmusik: 21 Messen, 6 Requiems, 5 Te Deum, ca. 20 Graduale und Offertorien, Pange linguae, Tantum ergo, Hymnen, Regina coeli, geistl. Arie; zahlreiche Menuette, Ländler, Dt. Tänze für Klavier. – Red.: Zpěwy duchownj k warhanám 1–4, 1832–38 (dt.: Kirchengesänge mit Orgelbegleitung 1–2, 1832–33).
L. (teils unter anderen Namensformen): ČHS (m. W.); Eitner; Fétis; Gräffer-Czikann; Grove, 2001; MGG I, II; Schilling; Wurzbach; E. Meliš, in: Dalibor 1, 1858, Nr. 2, S. 3, 6f., 11; V. J. Sýkora, F. X. Dušek, 1958, s. Reg.; M. Tarantová, in: Zprávy z Bertramky, 1960, S. 1ff., 1961, S. 3ff.; R. Quoika, in: Kirchenmusikal. Jb., 1961, S. 102ff.; B. Bajerová, Klavírní dílo J. A. N. V., phil. Diss. Brno, 1979; R. Steurer, Das Repertoire der Wr. Hofmusikkapelle im 19. Jh. 2, phil. Diss. Wien, 1995; J. Dvořáková, Život a dílo J. N. A. V. (1770–1839) ..., phil. Diss. Brno, 1996; J. Dvořáková, in: Stud. zur Musikwiss. 45, 1996, S. 167ff.; J. Perutková, in: Prof. J. Fukač. FS, ed. St. Bohadlo, 1998, S. 108ff.; J. Srb-Debrnov, Slovník hudebních umělců slovanských, o. J. (Ms., České muz. hudby, Praha, CZ).
(J. Perutková)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 287f.
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>