Wittmann, Hugo (1839–1923), Journalist und Schriftsteller

Wittmann Hugo, Journalist und Schriftsteller. Geb. Ulm, Württemberg (D), 16. 10. 1839; gest. Wien, 6. 2. 1923 (ab 1924 Ehrengrab: Zentralfriedhof); evang. AB. Sohn von Christoph W., Prof. am Ulmer humanist. Gymn., und Pauline W., Stiefvater von →Charles Weinberger; ab 1883 verheiratet mit der Sängerin Helene Weinberger (1839–1898). – W. stud. nach dem Abitur zuerst evang. Theol. am Seminar in Blaubeuren, wechselte aber dann zum Stud. der Phil. nach Tübingen. 1860 übersiedelte er nach Paris, wo zwei seiner Schwestern lebten, und begann eine Banklehre, die er allerdings bald abbrach, um sich dem Journalismus zu widmen. Er schrieb Kritiken und Feuilletons, u. a. für „Le Figaro“, die WS „La Cloche“ und das literar. Bl. „Le Nain Jaune“. 1869 wurde er Pariser Korrespondent der „Neuen Freien Presse“. Nach dem dt.-französ. Krieg 1870/71 verließ W. Paris und ging nach Wien, wo er 1872 das Angebot, Red. der „Neuen Freien Presse“ zu werden, annahm. Als Musik- und Theaterkritiker referierte W. v. a. über das Wr. Stadttheater (heute Ronacher). 1906 trat er die Nachfolge →Ludwig Speidels als Burgtheaterreferent in dieser Ztg. an, eine Position, die er bis zu seinem Tod behielt. Zudem publ. er Feuilletons über prominente auswärtige Bühnengäste wie Sarah Bernhardt und Eleonora Duse, auch seine Auslandsreisen nach Italien (Rom und Venedig), Russland und Amerika boten ihm Stoff für literar. Beitrr. Die Pariser Jahre prägten ihn zeitlebens, er schrieb über französ. Schriftsteller und sorgte dafür, dass zeitgenöss. französ. Literatur in Fortsetzungsromanen veröff. wurde. Insbes. setzte er sich für die Verbreitung der Werke von Émile Zola und Alphonse Daudet ein. Neben seiner journalist. Tätigkeit wandte er sich ab den 1880er-Jahren verstärkt dem Theater zu. Er verf. drei Bühnenstücke, davon „Die Wilddiebe“ (Urauff. 1889) und „Die Dame in Schwarz“ (Urauff. 1891) zusammen mit →Theodor Herzl, mit dem er in regelmäßigem Briefwechsel stand. Die zahlreichen Libretti entstanden oft gem. mit →Julius Bauer und Alois Wohlmuth für Operetten und Opern v. a. von →Karl Millöcker und Weinberger („Der Feldprediger“, Urauff. 1884; „Pagenstreiche“, Urauff. 1888; „Der arme Jonathan“, Urauff. 1890; „Die Uhlanen“, Urauff. 1891; „Das Sonntagskind“, Urauff. 1892; „Der Probekuß“, Urauff. 1894; „Adam und Eva“, Urauff. 1899). W. war einer der bedeutendsten bürgerl. Feuilletonisten, dessen Panorama weit über Theaterberr. hinausging, der literar., künstler. sowie musikal. Essays, Biographien, Reiseberr., aber auch vermeintl. Bagatellthemen, in hochwertigem schriftsteller. Stil seinem Publikum präsentierte („Musikalische Momente“, 1879; „Fabulirtes. Erzählungen und Skizzen“, 1880; „Die Hunds-Gräfin“, 1880; „Bilder aus der Schillerzeit“, 1884, gem. mit Speidel; „Feuilletons“, 1925). W. war ab 1875 Mitgl. des Journalisten- und Schriftsteller-Ver. „Concordia“. Sein Ehrengrab wurde von →Edmund v. Hellmer gestaltet.

Weitere W.: Das krit. Alter, 1887. – Libretti: Der Papagei, 1884 (Musik: A. Rubinstein); Heini v. Steier, 1884 (Musik: S. Bachrich); Der Hofnarr (gem. m. Bauer, Musik: A. Müller jun., Urauff. 1886); Der Botschafter (gem. m. Wohlmuth, Musik: E. Kremser, Urauff. 1886); Die sieben Schwaben, 1887 (gem. m. Bauer, Musik: Millöcker); Fürstin Ninetta (gem. m. Bauer, Musik: Johann Strauss, Urauff. 1893); Die Karlsschülerin (Musik: Weinberger, Urauff. 1895); Nordlicht (Musik: Millöcker, Urauff. 1896); Der Kongreß tanzt (gem. m. Bauer, Urauff. 1918).
L.: NFP, 6. (Abendbl.) – 9., 11., NWT, WZ, 7. 2. 1923; Brümmer; Czeike; Eisenberg 1; Giebisch–Gugitz; H. Cloeter, in: NÖB 5, S. 88ff. (m. B.); oeml; Wurzbach; G. Renner, Die Nachlässe in der Wr. Stadt- und Landesbibl., 1993; P. Leisching, in: Wr. Geschichtsbll. 48, 1993, S. 41ff. (m. B.); P. Leisching, in: Ztg. im Wr. Fin de siècle, ed. S. P. Scheichl – W. Duchkowitsch, 1997, S. 197ff.; Lex. zum Literatur- und Kulturbetrieb im Österr. der Zwischenkriegszeit (online, m. B., Zugriff 19. 11. 2019).
(W. Obermaier)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 294f.
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