Wlislocki, Heinrich Adalbert von; Wlisloczki (1856–1907), Tsiganologe, Ethnologe und Übersetzer

Wlislocki Heinrich Adalbert von, Tsiganologe, Ethnologe und Übersetzer. Geb. Kronstadt, Siebenbürgen (Brașov, RO), 9. 7. 1856; gest. Klosdorf, Siebenbürgen (Sînmiclăuș, RO), 19. 2. 1907 (begraben: Sebeș, RO); evang. AB. Sohn des kath. Finanzbeamten aus Galizien Michael W. und der evang. Siebenbürger Sächsin Katharina W., geb. Roth; verheiratet mit Anna Dörfler. – W. besuchte das evang. Honterus-Gymn. in seiner Heimatstadt und stud. 1875–79 an der Univ. von Klausenburg Germanistik, Phil. und Sanskrit; 1880 Dr. phil. mit der Diss. „Hapaxlegomena az Atlamál-ban“. Schon während des Stud. befasste er sich mit moderner und klass. Philol., betrieb vergleichende Sprachforschung und beschäftigte sich mit Sprache und Kultur der Roma. 1883–90 hatte er seinen Wohnsitz in Mühlbach und entfaltete in dieser Zeit eine intensive folklorist. Sammeltätigkeit. 1893–96 war er in Budapest Mitarb. bei den von →Anton Herrmann hrsg. „Ethnologischen Mitteilungen aus Ungarn“ und 1896–98 lieferte er Beitrr. für Hans F. Helmolts „Weltgeschichte“. Danach folgte eine Zeit körperl. und geistigen Verfalls, in der ihn seine Frau, Lehrerin in Klosdorf, pflegte. Der Schwerpunkt von W.s wiss. Tätigkeit war die Erforschung der Sprache, der Sitten, Bräuche und Volksliteratur der siebenbürg. Roma, doch widmete er auch den anderen Ethnien Siebenbürgens (Rumänen, Magyaren, Sachsen, Armenier) Stud. Als vorrangige Aufgabe der einheim. Ethnol. betrachtete er die Untersuchung der „unverfälschten“ Lebensformen aller Volksgruppen dieses Landesteils. W. gilt als einer der Pioniere der modernen Tsiganol. und als bester Kenner der siebenbürg. Roma. Er veröff. 80 einschlägige Arbeiten, darunter „Haideblüten. Volkslieder der transsilvanischen Zigeuner“ (1880), „Eine Hildebrands-Ballade der transsilvanischen Zigeuner“ (1880) und „Die Sprache der transsilvanischen Zigeuner“ (1884). 1883 beschloss er, mit den „Zeltzigeunern“ durch Südsiebenbürgen und die südöstl. Teile Ungarns mitzuwandern, lernte deren Sprache, erkundete ihre Bräuche und betrieb eine intensive Sammeltätigkeit sowie Feldstud. bei siebenbürg. „Wanderzigeunern“. Seine Forschungsergebnisse und Interpretationen fanden ihren Niederschlag auch in Fachpubl. wie „Zeitschrift für deutsche Philologie“, „Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft“, „Ungarische Revue“ u. a. W.s Übers.tätigkeit umfasst neben Übertragungen der Volksdichtungen der Roma (Märchen, Sagen, Ged., Kinderreime) ins Dt. die Übers. von Werken →Sándor Petőfis ins Isländ. sowie →János Vajdas ins Dt.

Weitere W. (s. auch Fassel): Zur Volkskde. der transsilvan. Zigeuner, in: Ung. Revue 4, 1884, H. 4; Märchen und Sagen der Transsilvan. Zigeuner, 1886, Reprint 2009; Kinderlieder, Reime und Spiele der siebenbürg. und südung. Zeltzigeuner, in: Z. für Volkskde. 1, 1889; Vom wandernden Zigeunervolke, 1890; Volksglaube und religiöser Brauch der Zigeuner, 1891; Aus dem inneren Leben der Zigeuner, 1892; Volksglaube und Volksbrauch der Siebenbürger Sachsen, 1893.
L.: Wurzbach; G. Gündisch, in: Z. für Siebenbürg. Landeskde. 5 (76), 1982, H. 1, S. 61ff.; Lex. der Siebenbürger Sachsen, ed. W. Myß, 1993 (m. B.); M. Sass, in: Transilvania, 2007, Nr. 10, S. 35ff.; M. Sass, in: H. v. W., Märchen und Sagen der Transsilvan. Zigeuner, 2009, S. 5ff.; H. Fassel, in: Studia Germanica Napocensia: Klausenburg – Persönlichkeiten, ed. R. Gräf u. a., 2010, S. 301ff. (m. W.).
(M. Sass)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 301
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>