Wölfling, Leopold; bis 1902 Erzhg. Leopold Ferdinand Salvator (1868–1935), Offizier und Schriftsteller

Wölfling Leopold, bis 1902 Erzhg. Leopold Ferdinand Salvator, Offizier und Schriftsteller. Geb. Salzburg (Sbg.), 2. 12. 1868; gest. Berlin, Dt. Reich (D), 4. 7. 1935; röm.-kath. Sohn des Großhg. der Toskana Ferdinand IV. Salvator (geb. Florenz, Toskana / Firenze, I, 10. 6. 1835; gest. Salzburg, 17. 1. 1908) und dessen zweiter Frau Alicia (Alice) v. Bourbon-Parma (geb. Parma, Hg.tum Parma/I, 27. 12. 1849; gest. Schwertberg, OÖ, 16. 1. 1935), Neffe von →Johann Orth, der W. ein beträchtl. Vermögen hinterließ, Bruder u. a. der späteren sächs. Kronprinzessin Ludovica Antonia (Luise Antoinette) (geb. Salzburg, 2. 9. 1870; gest. Ixelles, B, 23. 3. 1947), Vater von Aloisia Starik, verehel. Böhm, 1922 adoptiert; 1903–07 (Scheidung) verheiratet mit Wilhelmine W., geb. Adamovic (Adamovicz) (geb. 1877), Tochter eines Postbeamten, ab 1907 mit der Prostituierten Maria Magdalena W., geb. Ritter (1876–1924) (ab 1911 getrennt, 1916 Scheidung), ab 1933 mit Klara Hedwig W., verwitwete Pawlowski, geb. Gröger (1894–1978), Tochter eines Eisenbahners. – W. trat 1883 als externer Zögling in die Marineakad. in Fiume ein, wurde 1887 als Seekadett 2. Kl. ausgemustert und im Alter von 21 Jahren zum Linienschiffsfähnrich befördert. K. →Franz Joseph I. untersagte ihm aus polit. Gründen die Eheschließung mit seiner Cousine Elvira v. Bourbon, der Tochter des span. Thronprätendenten Don Carlos VI., worauf W. das Interesse an seiner Karriere verlor. 1892 zum Linienschiffslt. 1. Kl. befördert, nahm er an der Weltreise →Franz Ferdinands auf dem Torpedo-Rammkreuzer „Kaiserin Elisabeth“ teil. Dabei kam es jedoch zum Bruch mit dem späteren Thronfolger, dieser verwies W. von Bord. Inkognito, unter dem Namen Leopold Wölfling, eine Anlehnung an einen Gipfel des Erzgebirges, reiste er nach Europa zurück. Der K. beurlaubte W. für ein Jahr und versetzte ihn 1894 als Hptm. 1. Kl. zum IR Nr. 8 nach Brünn. Dort machte W. durch seinen Lebenswandel von sich reden. Mit einer Geliebten zeugte er ein Kind, noch geächteter war seine Beziehung zu der „Künstlerin“ und Prostituierten Wilhelmine Adamovic. Um die Liaison zu beenden, schickte ihn der K. nach Przemyśl. W. nahm Wilhelmine jedoch als seine Haushälterin mit; 1897 Mjr., 1899 Obstlt. im IR Nr. 45 in Przemyśl, 1900 Obst. im IR Nr. 81 in Iglau. Als W. darauf beharrte, Wilhelmine zu heiraten, ließ ihn Franz Joseph I. für zwei Jahre in die geschlossene Anstalt des Dr. Albrecht Erlenmeyer in Bendorf nahe Koblenz einweisen. Nach seiner Entlassung lehnte der K. W.s neuerl. Ansuchen um Aufnahme in den Militärdienst ab. Im Dezember 1902 flüchtete W. daher gem. mit seiner Schwester Luise, der man am Dresdner Hof angesichts ihrer „Exzentrizitäten“ ebenfalls angedroht hatte, sie zu psychiatrieren, in die Schweiz. Wilhelmine folgte prompt. In Genf verf. W. ein Schreiben an den K., in dem er um die Entlassung aus dem habsburg. Familienverband ansuchte, auf alle Ansprüche verzichtete und um die Erlaubnis, den Namen Leopold Wölfling tragen zu dürfen, bat. Franz Joseph I. genehmigte den Austritt aus dem Kaiserhaus und regelte W.s finanzielle Absicherung. W. und Wilhelmine erhielten in der Schweiz Wohnsitzerlaubnis und Bürgerrecht. Sie lebten eine Zeit lang auf dem Monte Verità im Tessin, wo Lt. Karl Gräser, den W. in Przemyśl kennengelernt hatte, eine „Aussteiger-Kolonie“ gegr. hatte. Nach der Scheidung von Wilhelmine zog W. mit seiner 2. Frau zuerst in die Normandie, dann nach Paris und weiter nach Schlangenbad nahe Wiesbaden, doch auch diese Ehe scheiterte. 1912 suchte er bei der Münchner Polizei darum an, die Prostituierte Maria Schweikhardt aus der Aufsicht zu entlassen, um die Obsorge für sie zu übernehmen. Nach dem 1. Weltkrieg geriet W. durch den Wegfall der k. Apanage in völlige Armut. 1921 kehrte er nach Wien zurück, erhielt eine Stelle als Korrespondent für Fremdsprachen und hielt sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser. Ab 1921 trat er mit Erfolg in Berlin im Kabarett Rakete in der Rolle als Erzhg.-Admiral auf. 1922 adoptierte W. in Wien Aloisia Böhm, seine in Brünn geborene Tochter, die sich durch ihre Alimentationsklage in Erinnerung gerufen hatte. Ihr Mann, der Sozialdemokrat Johann Böhm, betrieb in Kaisermühlen (Wien 22) eine Greißlerei, wo W. ab 1926 als Verkäufer arbeitete, bis das Geschäft in Konkurs ging. W.s Gesuch um eine „Gnadenpension“ wurde von der Republik abgelehnt. Schwer krank, übersiedelte er mit seiner Tochter nach Mauer bei Wien. Ende der 1920er-Jahre kehrte W. nach Berlin zurück. Zunächst verf. er für die „Berliner Morgenpost“ Artikel über seine Erinnerungen an die Hofburg und die Habsburger. Mit seiner dritten Ehefrau wohnte er zuletzt im heutigen Mehringdamm (Berlin-Kreuzberg), wo er als begeisterter Anhänger der Nationalsozialisten an seinen Memoiren arbeitete. W. war ab 1884 Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies und Träger u. a. der Großkreuze des Ordine del merito sotto il titolo di S. Giuseppe di Toscana, des Ordens der württemberg. Krone sowie des fürstl. bulgar. St. Alexander-Ordens.

W.: Habsburkové ve vlastním zrcadle, 1890; Habsburger unter sich. Freimütige Aufzeichnungen eines ehemaligen Erzhg., 1921 (Reprint 2012); Als ich Erzhg. war, 1935 (ed. L. Mikoletzky, 1988). – Nachlass: HHStA, Österr. Nationalbibl. (Hss.smlg.), beide Wien.
L.: Sbg. Volksbl., 5. 7. 1935; Berliner Morgenpost, 14. 10. 2006; Wurzbach (s. u. Leopold Ferdinand Toscana); W. W.-Adamovic, Meine Memoiren, ed. J. Schmall, 1908, S. 214ff. (m. B.); F. Weissensteiner, Die anderen Habsburger, 1987, S. 284ff., 291; H. Egghardt, Habsburgs schräge Erzhg., 2008, S. 7ff. (m. B.); M. Žáková, in: MIÖG 124, 2016, S. 104ff.; HHStA, KA, beide Wien; Salzburg-Dompfarre, Sbg.
(H. Egghardt)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 71, 2020), S. 306f.
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