Wolf, Karl Hermann (Karl Georg Anton) (1862–1941), Politiker und Publizist

Wolf Karl Hermann (Karl Georg Anton), Politiker und Publizist. Geb. Eger, Böhmen (Cheb, CZ), 27. 1. 1862; gest. Wien, 11. 6. 1941 (Ehrengrab: Zentralfriedhof, 2004 aberkannt); röm.-kath., ab 1899 evang. AB. Sohn des Gymn.prof. Wenzel W. (geb. Neu Thein, Böhmen / Nový Týn, CZ, 12. 2. 1831; gest. Reichenberg, Böhmen / Liberec, CZ, 8. 7. 1911) und von Anna Maria W., geb. Gradl; ab 1893 verheiratet mit Ilda W., geb. Stepischnegg (1903 geschieden), ab 1922 mit Elfriede (Frieda) W., geb. Frenzl (geb. Hohenelbe, Böhmen / Vrchlabí, CZ, 5. 1. 1885; röm.-kath., später evang. AB). – W. stud. 1880–84 Phil., Germanistik und klass. Philol. an der dt. Univ. Prag (Mitgründer der Burschenschaft Ghibellinia und Obmann der Lese- und Redehalle der dt. Studenten). 1884 floh er nach einer Anzeige wegen Majestätsbeleidigung (Freispruch in absentia) nach Leipzig, wo er als Journalist zu arbeiten begann. Nach kurzer Tätigkeit als Hauslehrer in Mähren und Schriftleiter der „Deutschen Wacht“ in Cilli war er 1886 Chefred. der „Deutschen Volkszeitung“ in Reichenberg. 1889 wechselte er zum neu gegr. „Deutschen Volksblatt“ nach Wien. Nach einem Streit mit dessen Hrsg. →Ernst Vergani gründete W. 1890 die „Ostdeutsche Rundschau“ (Hrsg. und bis 1897 Chefred.), die er 1902 aus finanziellen Gründen verkaufte, aber 1908 wieder erwarb. Die Ztg. verschmolz 1920 unter W.s Hrsg. mit dem „Alldeutschen Tagblatt“ zur „Wiener Deutschen Tageszeitung“, die ab 1921 „Deutschösterreichische Tageszeitung“ hieß (später Parteibl. der NSDAP). Nach deren Einstellung 1933 gab W. die „Neue Wiener Tageszeitung“ heraus, die kurz darauf verboten wurde. Mit der Anerkennung von →Georg v. Schönerer als „Lehrmeister“ (1890–95 Ausschussmitgl. in dessen Dt. Volksver.) wurde W.s Antisemitismus zunehmend wirtschaftl. und rassist. geprägt. 1895 kam es jedoch zu einem ersten Konflikt mit Schönerer. W. trat für die Bildung einer Massenpartei ein und arbeitete bei den Wr. Gmd.ratswahlen mit den Christl.sozialen zusammen, um die Liberalen zu stürzen. Nachdem Schönerer deshalb den Dt. Volksver. aufgelöst hatte, wurde W. Obmann der Nachfolgeorganisation Ver. der Dt.nationalen in Österr. (ab 1897 Dt.nationaler Ver. für Österr., Obmann bis zur Auflösung 1921). Nach dem Sieg der Christl.sozialen bei den Wr. Gmd.ratswahlen 1896 überwarf sich W. aber auch mit deren Anführer →Karl Lueger. 1897 kandidierte W. bei den RR-Wahlen erfolgreich im nordböhm. Städtewahlkreis Trautenau für die gemäßigt nationale Dt. Volkspartei und wurde kurz darauf erstmals in den böhm. LT gewählt. Im AH schloss sich W. aber wieder der Schönerer-Gruppe an. Im Kampf gegen die Badenischen Sprachenverordnungen avancierte er zum Wortführer der dt. Opposition. Wegen eines beleidigenden Zwischenrufs forderte Ministerpräs. →Kasimir Felix Gf. Badeni W. im September 1897 zu einem Pistolenduell. I. d. F. gab es neuerl. Konflikte mit Schönerer, der an einer Kaderpartei und seiner Irredentapolitik festhalten wollte; auch begegnete W. der Los-von-Rom-Bewegung mit Skepsis. Ein Duell mit seinem Parteikollegen Alois Seidl wegen einer Affäre W.s mit dessen Frau (und Tochter des Abg. Josef Tschan) vor deren Verehelichung führte zum endgültigen Bruch mit Schönerer. W. legte darauf im November 1901 seine Mandate nieder, wurde aber wiedergewählt. Es folgte eine Verleumdungskampagne gegen W., der nun eine gem. Plattform mit der Dt. Volkspartei suchte. Seine neue Partei der Freialldeutschen benannte er nach dem erfolgreichen RR-Wahlkampf 1907 (Wiederwahl auch 1911) in Dt.radikale Partei um. Im RR näherte sich W. wieder den Christl.sozialen. 1917 versuchte er vergebl. die Einberufung des RR wegen dessen angebl. dt.feindl. Politik zu verhindern; er lehnte jede Form der nationalen Autonomie ab und bezichtigte Sozialdemokraten und Tschechen des Hochverrats, weil sie zusammen mit den Juden den Zerfall der Monarchie betreiben würden. In der prov. Nationalversmlg. für Dt.österr. gehörte W. dem Vollzugsausschuss und seit Ende Oktober 1918 dem Staatsrat an. Dort verlangte er den Einsatz österr. Truppen, um das Sudetenland vor den Tschechen zu „retten“. Für die neue österr. Republik forderte W. Dt. als Staatssprache und verlangte, dass nur Deutsche als Beamte Verwendung finden und galiz. Juden keine Staatsbürgerschaft erhalten sollten. Die Auflösung der prov. Nationalversmlg. beendete schließl. W.s parlamentar. Karriere; ein Versuch, für das tschechoslowak. Parlament zu kandidieren, schlug fehl. W. förderte i. d. F. in Österr. den Zusammenschluss der dt.nationalen Parteien, brach aber 1922 mit der Großdt. Volkspartei, nachdem diese beschlossen hatte, eine Koalition mit den Christl.sozialen einzugehen. Er gründete darauf den Ver. der Dt.nationalen in Österr. und nach der Wahlniederlage der Großdeutschen 1923 die erfolglose Dt.nationale Partei in Österr. I. d. F. intensivierten sich die Kontakte zu den Nationalsozialisten und W. trat 1925 der NSDAP in Österr. bei. Auf dem Nürnberger Parteitag 1937 traf er →Adolf Hitler, der ihm ab Juni 1938 einen „Ehrensold des Führers“ zukommen ließ. W. war u. a. Mitgründer der Dt. Turnerverbindung Jahn (1886) und des Allg. Dt. Sprachver. (1887) in Reichenberg sowie des Dt. Turnerbunds für Nordböhmen (1887).

L.: NFP, 29. 11. 1901 (Abendbl.); Völk. Beobachter (Wr. Ausg.), 12. 6. 1941 (m. B.); Adlgasser; E. Pichl, G. Schönerer 5–6, 1938, passim; C. Weber, K. H. W. …, phil. Diss. Wien, 1975; L. Höbelt, Kornblume und Kaiseradler, 1993, s. Reg.; M. Wladika, Hitlers Vätergeneration, 2005, s. Reg.; evang. Pfarre Landstraße (Pauluskirche), Wien; Pfarre Cheb-sv. Mikuláš, CZ.
(M. Wladika)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 72, 2021), S. 324f.
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