Wolfram, Aurel (1896–1948), Schriftsteller, Publizist und Funktionär

Wolfram Aurel, Schriftsteller, Publizist und Funktionär. Geb. Wien, 16. 10. 1896; gest. Krems (Krems an der Donau, NÖ), 12. 8. 1948; evang. AB, bis 1920 röm.-kath. Sohn des Rtm. Aurel W. und seiner Frau Anna W., geb. Krieger; unverheiratet. – W. meldete sich nach der Matura in Wien 1914 freiwillig zum Einsatz im 1. Weltkrieg, stand als Off. in Russland und Italien an der Front und rüstete 1918 als Kriegsinvalide ab (Oblt. i. R.). 1917–23 stud. er Germanistik, Geschichte und Phil. an der Univ. Wien, wo er 1925 mit der Diss. „Schillers Entwicklung in seiner Stellung zum nationalen und kosmopolitischen Gedanken“ zum Dr. phil. prom. wurde. W. war Anhänger des radikalen Antisemiten →Georg v. Schönerer, dessen Privatsekr. er zeitweise gewesen sein dürfte, sowie Obmann der Vereinigung Alldt. Hochschüler Wien. Ab 1926 freier Mitarb. im Bundespressedienst, versuchte er seit Stud.zeiten, sich mit Texten wie „Demokratie und Kaiserreich“ (1919) publizist. zu etablieren. 1933 trat er der NSDAP bei, obwohl er bis 1938 im nunmehr ständestaatl. Bundespressedienst beschäftigt blieb. Daneben schrieb er u. a. in der Essener „Nationalzeitung“, einem Sprachrohr der illegalen österr. Nationalsozialisten. Sein Drama „König Egis“ (1934), das er bei Reichsdramaturg Rainer Schlösser in Berlin zur Auff. einreichte, lehnte dieser ab, ebenso wie später „Neues Geschlecht“ (1938). Nach dem „Anschluss“ machte W. Karriere in der Wr. Kulturverwaltung: Als Leiter der Kulturabt. im Reichspropagandaamt Wien sowie der Hauptstelle Kultur im Gaupropagandaamt und Geschäftsführer der Wr. Kulturvereinigung hatte er maßgebl. Einfluss auf alle kulturpolit. Entscheidungen. Von der Vorrangstellung Wiens gegenüber der Reichshauptstadt Berlin überzeugt, soll W. ihm nicht genehme Weisungen aus Berlin hintertrieben haben. Im September 1940 löste er mit dem Artikel „Wien – Refugium der deutschen Seele“ im „Neuen Wiener Tagblatt“, in welchem er Wien, im Gegensatz zu Berlin, innere Größe zusprach, einen Skandal aus. Sowohl W. als auch der verantwortl. Leiter des Kulturressorts der Ztg. Paul Eduard Danszky wurden ihrer Funktionen enthoben. Über Intervention des einflussreichen Vizebgm. Hanns Blaschke kam W. in der Kulturabt. der Stadt Wien unter, wo er als Sonderreferent des Inst. für Wr. Theaterforschung eine rege Tätigkeit entfaltete. Dass er unter diesen Umständen sein Buch „Glaube an Wien“ (1943), ein Gegenentwurf zu „Reichsstadt Wien“ (1942) des radikalen Nationalsozialisten Hans Berner, veröff. konnte, erklärt sich aus den Machtkämpfen innerhalb der Wr. NS-Nomenklatura. Als das Werk erschien, diente W. bereits als Hptm. in der dt. Wehrmacht. Nach 1945 gründete W. die Vereinigung Kreis des geistigen Lebens, in deren Rahmen er einige Essays herausbrachte. 1947 erschien eine modifizierte Neuaufl. von „Glaube an Wien“, während seine Dramen (u. a. „Die Söhne“, 1948) unveröff. blieben.

Weitere W.: Georg Ritter v. Schönerer, sein Wesen und seine Art, 1920; Das Schöne im Weibe, 1921; Gesichte der Zeit, 1947; Albert Schweitzer und die Krise des Abendlandes, 1947; Geist und Gesinnung des Burgtheaters, 1951; Zwei Essays. I. Demut, II. Gerhart Hauptmann, 1952.
L.: Giebisch–Gugitz; Kosch; Kürschners Dt. Literatur-Kal. 70, 1973; F. M. Rebhann, Das braune Glück zu Wien, 1973, S. 74f., 143, 263; V. Suchy, in: Inter arma non silent musae, ed. Cz. Madajczyk, 1977, S. 245ff.; F. M. Rebhann, Wien war die Schule, 1978, S. 37f., 128, 156, 193; G. Renner, Österr. Schriftsteller und der Nationalsozialismus, 1986, s. Reg.; J. McVeigh, Kontinuität und Vergangenheitsbewältigung in der österr. Literatur, 1988, S. 98; O. Rathkolb, Führertreu und gottbegnadet, 1991, s. Reg.; F. Dzugan, Chamäleons im Blätterwald, phil. Diss. Wien, 2011, S. 176ff.; K. Gradwohl-Schlacher, Literatur in Österr. 1938–45, 4, 2018; Pfarre Landstraße–St. Rochus, UA, beide Wien; Forschungsstelle Österr. Literatur im Nationalsozialismus, Graz, Stmk.
(K. Gradwohl-Schlacher)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 72, 2021), S. 330
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