Wotke, Karl (1861–1929), Lehrer und Fachschriftsteller

Wotke Karl, Lehrer und Fachschriftsteller. Geb. Brünn, Mähren (Brno, CZ), 27. 2. 1861; gest. Wien, 13. 11. 1929; röm.-kath. Sohn des (frühpensionierten) Finanzbeamten Franz W. und der Anna W., geb. Freiberger, Vater des klass. Philologen und Gymn.lehrers Friedrich W. (geb. Oberhollabrunn, NÖ, 2. 11. 1893; gest. Wien, 19. 9. 1960, verunglückt); verheiratet mit der Off.tochter Franziska W., geb. Uhl. – Nach Ablegung der Matura am 2. dt. Obergymn. 1881 stud. W. klass. Philol. an der Univ. Wien bei →Karl Schenkl, →Emanuel Hoffmann und →Wilhelm Ritter v. Hartel, bei dem er auch als Hauslehrer tätig war; 1885 Dr. phil. sub auspiciis Imperatoris, 1886 Lehramtsprüfung für Latein und Griech., 1896 zusätzl. für phil. Propädeutik. 1886/87 vertiefte W. seine Ausbildung dank eines Univ.-Jubiläums-Reisestipendiums an der Univ. Bonn. 1887/88 war er im Auftrag der Komm. zur Hrsg. des Corpus der Latein. Kirchenväter der k. Akad. der Wiss. in Wien zwecks Bearb. der Werke des Eucherius in Frankreich, in der Schweiz und in Italien. Ab 1888 versah W. Dienst an höheren Schulen in Wien (Probelehrer, Supplent), 1893–95 unterrichete er als prov. Gymn.lehrer am Staatsgymn. in Hollabrunn sowie 1895–1917 als w. Gymn.lehrer am Staatsgymn. in Wien 17. 1917–21 fungierte er als Dir. am Staatsgymn. in Wien 16. Anders als sein nationalliberaler Kollege →Gustav Strakosch-Graßmann war W. ein der Monarchie treu ergebener Beamter bzw. Schulmann. Bezeichnend dafür ist, dass er etl. seiner Veröff. hoch- und höchstgestellten Repräsentanten der Monarchie wie →Johann Huemer oder →Max Frh. Hussarek v. Henlein widmete, in dessen Anwesenheit er ein letztes Mal Anfang Februar 1917 in einem öff. Vortrag das Wort ergriff. Parallel zum Unterricht in den klass. Sprachen und in Phil. legte W. fortlaufend einschlägige wiss. Publ. vor. Zum philolog. und didakt. Engagement mit Bezug auf das Gymn. als höhere allg.bildende Lehranstalt nahm er im Zusammenhang mit der Einrichtung einer Österr. Gruppe der Ges. für dt. Erziehungs- und Schulgeschichte (1894) dessen Geschichte als dominierenden Gegenstand der Forschung in den Blick. Einen ersten Beitr. zur österr. Erziehungs- und Schulgeschichte stellte der Aufsatz „Die ältesten Piaristenschulen Mährens“ (in: Jahresber. des k. k. Staatsgymn. im XVII. Bez. von Wien 26, 1900) dar, es folgten die umfassende Quellensmlg. „Das Oesterreichische Gymnasium im Zeitalter Maria Theresias“ (1905) sowie „Die Jahreshauptberichte Langs und Ruttenstocks über den Zustand der österreichischen Gymnasien ... 1814 bis 1834“ (1914) und „Die von der Studien-Revisions-Hofkommission (1797–1799) vorgeschlagene Reform der österreichischen Gymnasien“ (1915). Daneben war W. federführend tätig beim Ausbau der oben genannten Österr. Gruppe und bei der Etablierung der R. „Beiträge zur Österreichischen Erziehungs- und Schulgeschichte“. Für W. als maßgebl. anzusehen waren dabei aus polit. Sicht das Kernland Österr. einerseits und anderseits die pädagog. Institution, das Gymn. in seiner Eigenschaft als Lateinschule der Nation bzw. als Garant dafür, dass Dt. und Latein weiterhin als de facto Staatssprachen (1917) eine Rolle spielten. Als drittes Charakteristikum war nach W.s Auffassung die pädagog. Methode zu nennen. Auch hier lehnte er sich an reichsdt. Vorgänger bzw. Vorbilder an. Er stimmte mit dem – ihm freundschaftl. verbundenen – führenden Kopf Rudolf Lehmann in Berlin hinsichtl. der sog. wiss. Pädagogik darin überein, dass diese das Attribut wiss. nicht verdiene, da sich der Herbartian. Ansatz, jedenfalls für die Methode des Unterrichts an höheren und Hochschulen, als unhaltbar erwiesen habe: Psychol. und Ethik könnten keine maßgebl. pädagog. Wege und Ziele liefern, da sie zu Schematismus und Dogmatismus im pädagog. Prozess verleiteten. Demgegenüber sei, in Anal. zum Bezug Kunstgeschichte – Kunst, auf die die Tradition überblickende Intuition zu setzen, sodass der Erziehungsgeschichte der Rang einer Schlüsselwiss. zukomme. 1921 habil. sich W. in Wien, nachdem er von einer Habil. an der Univ. Krakau 1905 abgesehen hatte, als Erster in Österr. für Geschichte der Pädagogik. Die Komm. akzeptierte einstimmig W.s Zugang zum Thema Schulgeschichte und die daraus folgenden Forschungsergebnisse und es kam ihr bzw. der Fak. offensichtl. gelegen, nun einen Doz. für die phil.-pädagog. Vorprüfung der Lehramtskandidaten für Mittelschulen bzw. für die Thematik „Hauptmomente der Geschichte der Pädagogik des höheren Schulwesens seit dem 16. Jahrhunderte“ (Verordnung aus 1911) zu haben. Dass es W. allerdings bei der akadem. Lehre bewenden ließ und er von Veröff. Abstand nahm, dürfte daran gelegen haben, dass nach dem 1. Weltkrieg die bisherigen polit. und pädagog. Rahmenbedingungen, näml. das habsburg. Österr. und das Gymn. als Ort des Erlernens der (zweiten) Staatssprache Latein, an ihr Ende gekommen waren. 1914 erhielt W. das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens; 1926 HR.

Weitere W.: s. Altenhuber.
L.: RP, 14., WZ, 15. 11. 1929; Inauguration Univ. Wien 1930/31, 1930, S. 43ff.; H. Altenhuber, Die Geschichte des Faches Pädagogik an der phil. Fak. der Univ. Wien von 1850 bis 1922, phil. Diss. Wien, 1949, S. 233ff. (m. W.); H. Engelbrecht, Geschichte des österr. Bildungswesens 1, 1982, S. 39ff.; G. Grimm, Zur Geschichte des österr. Bildungswesens, ed. E. Lechner, 1992, S. 99ff.; E. Lechner, ebd., S. 119ff.; W. Brezinka, Pädagogik in Österr. 1, 2000, S. 352ff.; UA, Wien; Pfarre Hollabrunn, NÖ.
(E. Lechner)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 72, 2021), S. 347f.
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