Wutschel, Ludwig (1855–1938), Politiker und Funktionär

Wutschel Ludwig, Politiker und Funktionär. Geb. Wien, 17. 8. 1855; gest. ebd., 28. 1. 1938; röm.-kath., später konfessionslos. Unehel. Sohn der Karoline W. – W. absolv. eine Maschinenschlosser- und Eisendreherlehre und war nach abgeleistetem Militärdienst als Metallarbeiter und selbstständiger Handwerker tätig. Um 1880 schloss er sich der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung an und wirkte u. a. in dem die Bestimmungen des Ausnahmezustands umgehenden Meidlinger „Rauchklub“. Ab 1889 fungierte er in dem im Folgejahr behördl. aufgelösten Arbeiterbildungsver. Vorwärts als Obmann, später stand er dem Volksbildungsver. Meidling vor bzw. betätigte sich über viele Jahre als Funktionär verschiedener sozialdemokrat. Organisationen und Einrichtungen im Bez. Daneben betrieb W. eine Papier- und Druckschriftenhandlung in Meidling. Ab 1888 im Ver. der Konfessionslosen (ab 1893 Ver. der Freidenker) engag. und 1893–1921 dessen Obmann, entwickelte sich W. zu einem der wichtigsten Vertreter der Freidenkerbewegung in Österr., die unter seiner Führung die Verbindung zur Sozialdemokratie verstärkte. 1896 war er einer der Gründer der „Mittheilungen des Vereines der Freidenker Niederösterreichs“ (ab 1903: „Der Freidenker“) und deren langjähriger Hrsg. Er selbst verf. für diese Z. zahlreiche Aufsätze zu den aufklärer. Bildungsidealen der Bewegung, in denen er Konfessionslosigkeit propagierte und Klerikalismus sowie die Allianz von Kirche und Staat kritisierte. Innerhalb der Sozialdemokratie polemisierte W. – z. B. auf dem Parteitag 1892 – gegen die aus seiner Sicht zu defensive Formel von der „Religion als Privatsache“. Bei den RR-Wahlen 1897 trat W. erfolglos als sozialdemokrat. Kandidat im Wahlkreis Korneuburg (5. Kurie) an, der Einzug in das AH gelang erst 1907 für den Wahlkreis Meidling; Wiederwahl 1911. Bereits seit 1906 gehörte er dem Wr. Gmd.rat an, unterlag jedoch 1912 einem christl.sozialen Kandidaten. Als Abg. setzte er sich in beiden Vertretungskörpern u. a. für die Trennung von Kirche und Staat in Schul- und Kultusangelegenheiten ein. Nach dem Ende der Monarchie fungierte er als Mitgl. der prov. Nationalversmlg. W. war ab 1911 Mitgl. der Freimaurerloge Pionier.

W.: Im Wandel der Zeit 1890–1910, in: Gedenkbl. zum zwanzigjährigen Jubiläum des Meidlinger Volksbildungsver., 1910; Freie Gedanken, in: Jb. der Freidenker, 1914.
L.: AZ, 15. 8. 1915, 6., 17. 8. 1925; Adlgasser; Freund, 1911–17 (m. B.); Der Freidenker 17, 1912, S. 189ff., 20, 1915, S. 29f. (m. B.); Volkstribüne 24, 1915, Nr. 33, S. 6; F. Sertl, Die Freidenkerbewegung in Österr. im zwanzigsten Jh., 1995, s. Reg.; G. Kodek, Unsere Bausteine sind die Menschen. Die Mitgl. der Wr. Freimaurerlogen 1869–1938, 2009; FS anläßl. der 40-Jahr-Feier der Landesorganisation Wien des Freidenkerbund Oesterr. am 20. Februar 1927, o. J., S. 12, 26, 28ff.; Wien Geschichte Wiki (Zugriff 17. 7. 2020); AdR, AVA, Pfarre St. Josef zu Margareten, Ver. für Geschichte der ArbeiterInnenbewegung, alle Wien.
(G. Spitaler)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 72, 2021), S. 382
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