Wutte, Martin (1876–1948), Historiker, Archivar und Geograph

Wutte Martin, Historiker, Archivar und Geograph. Geb. Obermühlbach (Ktn.), 15. 12. 1876; gest. Klagenfurt (Klagenfurt am Wörthersee, Ktn.), 30. 1. 1948 (begraben: Obermühlbach); röm.-kath. Sohn des Bauern und Langzeitbgm. von Obermühlbach Martin W. (1851–1908) und der Anna W., geb. Ertl (gest. 13. 6. 1902), gleichfalls bäuerl. Herkunft; ab 1902 mit Ernestine W., geb. Hoffmann, verheiratet. – Nach der Mittelschulzeit in Klagenfurt und Villach stud. W. ab 1895 Germanistik, Geschichte und Geographie an der Univ. Graz, u. a. bei →Franz Krones v. Marchland, →Johann Loserth und →Eduard Richter, bei dem W. zwei Jahre als Ass. tätig war; 1901 Dr. phil., 1902 Lehrbefähigungsprüfung für Geschichte und Geographie, 1904 für den Dt.unterricht im Untergymn. Es folgten zwei Jahre Lehrtätigkeiten an der Oberrealschule in Graz, anschließend an der Lehrerbildungsanstalt in Marburg und 1904–22 – mit Unterbrechungen – am einstigen k. k. Staats-Realgymn./Staatsgymn. in Klagenfurt; parallel dazu fungierte er als Schriftleiter der in Ktn. gesellschaftspolit. einflussreichen Z. „Carinthia I“ (1914–38) und als Sekr. des Geschichtsver. für Ktn. (1907–38). 1919 war W. als Sachverständiger Mitgl. der Friedensdelegation (Dt.-)Österr. in Paris. 1923 übernahm er die Leitung des Ktn. LA und wirkte 1924–30/31 als Obmann des Ktn. Heimatbunds. Die Publ.liste des ungemein produktiven W. umfasst rund 500 Veröff. – darunter Ztg.artikel und Aufsätze zur Bevölkerungs-, Diplomatie-, Lokal-, Militär-, Presse-, Rechts-, Siedlungs-, Sozial-, Ver.- und Wirtschaftsgeschichte, hist. Geographie, Kartographie und zur Heimat- und Volkskde. Zu seinen Hauptwerken zählt das Buch „Kärntens Freiheitskampf 1918–1920“, das 1922 erstmals, 1943 deutl. umfangreicher als 2., umgearbeitete und vermehrte Aufl. veröff. wurde (Nachdruck 1985). Diese Publ. wurde in den 1970er-Jahren von Historikern für ihre einseitigen, z. Tl. extrem dt.nationalen Interpretationen ebenso kritisiert wie W.s in den 1920er-Jahren entwickelte sog. Windischen-Theorie. W. hatte jene Kärntner mit slowen.-ethn. Herkunft, die beim Plebiszit vom Oktober 1920 für einen Verbleib der Abstimmungszone bei Österr. gestimmt hatten, als Windische bezeichnet und deren Votum als Bekenntnis zu einer seit Jhh. bestehenden „Kultur- und Schicksalsgemeinschaft“ gewertet. Diese Theorie wurde seither nicht nur von der Sprachwiss. falsifiziert, hat jedoch nach wie vor Anhänger. W. selbst verstand sich als ein Historiker, der durch das Motto „Alles für Kärnten“ bestimmt war. Dabei wurde er von der Vorstellung der bes. Bedeutung des Dt.tums als Leitkultur begleitet. 1939 trat er aufgrund gesundheitl. Probleme i. d. R., arbeitete aber weiterhin an Publ.projekten. 1942 erhielt er von seinem früheren Schüler Friedrich Rainer (u. a. ab 1941 Gauleiter und Reichsstatthalter von Ktn.) den ersten Ktn. Wiss.preis, gleichzeitig trat er der NSDAP bei. Nach Kriegsende stellte er im Zuge der Gebietsansprüche Tito-Jugoslawiens auf Österr. entsprechendes Schrifttum für die Siegermächte zusammen, wie seinerzeit 1919/20, um diesen Forderungen entgegenzutreten. W. erhielt 1928 das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österr., 1943 ein Ehrendoktorat der rechts- und staatswiss. Fak. der Univ. Graz.

Weitere W. (s. auch Tosoni): Landeskde. von Ktn., 1923 (gem. m. F. Lex – V. Paschinger); Deutsch – Windisch – Slowenisch, 1927; Beitrr. – tw. als Koautor – in: Handwörterbuch des Grenz- und Auslanddt.tums, ed. C. Petersen u. a., 1938 bzw. 1940. – Nachlass: Ktn. LA, Klagenfurt am Wörthersee, Ktn.
L.: P. Tosoni, M. W., phil. Diss. Graz, 1966 (m. B. u. W.); M. W., Mein Lebenslauf, in: M. W. (1876–1948) zum Gedächtnis. FS …, 1988, S. 11ff.; A. Ogris, ebd., S. 19ff.; W. Neumann, ebd., S. 57ff.; U. Burz, in: Österreichische Historiker 2, ed. K. Hruza, 2012, S. 201ff. (m. B.); N. Danglmaier – W. Koroschitz, Nationalsozialismus in Ktn., 2015, S. 114ff. (m. B.).
(U. Burz)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 72, 2021), S. 382f.
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