Zápotocký, Ladislav; Ps. Mikuláš Haštalský, Budečský (1852–1916), Journalist und Funktionär

Zápotocký Ladislav, Ps. Mikuláš Haštalský, Budečský, Journalist und Funktionär. Geb. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 12. 1. 1852; gest. ebd., 16. 12. 1916; röm.-kath. Sohn des Schneiders Anton Z. und der Haushaltsgehilfin Anna Z., geb. Kroluper, Vater des Gewerkschaftsführers und Minister- sowie Staatspräs. Antonín Z. (geb. Zákolany, Böhmen/CZ, 19. 12. 1884; gest. Praha, 13. 11. 1957); ab 1878 verheiratet mit der Hutmacherin Barbara Z., geb. Dolejsi. – Z. kam nach dem frühen Tod des Vaters einige Zeit in die Obhut seines Onkels; 1859 heiratete seine Mutter in 2. Ehe seinen Taufpaten. Durch ihn erlernte er nicht nur das Schneiderhandwerk, sondern entwickelte auch sein Interesse für soziale und polit. Fragen. Mit 17 Jahren trat Z. dem Selbsthilfever. Oul bei, einem Vorläufer der aufkommenden Arbeiterbewegung, 1871 gründete er in Prag einen Bildungsver. für Schneider, der jedoch 1878 behördl. aufgelöst wurde. 1873 trat Z. in die Red. der neu gegr. „Dělnické listy“ ein, wechselte aber bald gem. mit →Josef Boleslav Pecka zur „Budoucnost“, dem ersten böhm. Arbeiterbl., das er ab 1877 leitete. Als 1875 die Polizei Hausdurchsuchungen bei mehreren tschech. Arbeiterführern vornahm, wurde auch Z. vor Gericht gestellt und 1876 verurteilt. 1878 übernahm er kurzzeitig die Red. der sozialdemokrat. MS „Sozial-politische Rundschau“, zeitweilig auch Zentralorgan der Sozialdemokrat. Arbeiterpartei Österr. Nach den turbulenten Parteitagen von Wr. Neustadt (1876), wohin keine tschech. Delegierten eingeladen worden waren, und Atzgersdorf (1877) begannen die tschech. Parteiführer mit dem Aufbau einer eigenen tschech. Parteiorganisation. Die für Herbst 1876 geplante Gründungskonferenz wurde verraten und Z. verhaftet. Dennoch konstituierte sich die Tschech. Sozialdemokrat. Partei Österr. in einer Geheimkonferenz, die im April 1878 in einem Prager Gasthaus stattfand. Wegen polizeil. Überwachung wurden im August des Jahres Parteileitung und Red. der „Budoucnost“ nach Wien verlegt, wohin auch Z. für einige Zeit übersiedelte. Dennoch gelang es der Polizei, alle Teilnehmer des Gründungskonvents im Herbst auszuforschen, und es wurde ihnen im Jänner 1879 der Prozess gemacht, wobei Z. zu zwei Monaten Haft verurteilt wurde. Unter Ministerpräs. →Eduard Gf. Taaffe wurde die Verfolgung der sozialdemokrat. Arbeiterbewegung noch intensiviert. Die Red. der „Budoucnost“ wurde mehrfach polizeil. durchsucht und die Ztg. wiederholt beschlagnahmt. Zur Jahresmitte 1881 setzte in ganz Böhmen eine umfangreiche Verhaftungswelle ein und Z. wurde Ende Oktober festgenommen. 1882 fand in Prag der bis dahin größte Sozialistenprozess gegen 31 führende tschech. Akteure der Partei, darunter Z., Pecka, Josef Rezler und August Radimsky, statt, denen Geheimbündelei, Majestätsbeleidigung und Übertretung des Pressgesetzes vorgeworfen wurden. Z. und Rezler erhielten mit 18 Monaten die härtesten Haftstrafen (Z. wegen Verherrlichung der Ermordung von Zar Alexander und Geheimbündelei). Auch nach Verbüßung ihrer Haft ging die Verfolgung weiter und Z. sowie einige andere wurden dauerhaft aus Prag ausgewiesen. Im Jänner 1884 wurde Z. zunächst nach Eger verwiesen, das er aber verlassen musste. Schließl. ließ er sich in Kovary bei Zakolany nieder. Er wurde dort jahrelang polizeil. überwacht, konnte sich daher lange Zeit nicht polit. betätigen und kehrte zu seinem ursprüngl. Schneiderberuf zurück. Nach dem Ende der Ära Taaffe nahm er seine polit. Tätigkeit Anfang der 1890er-Jahre wieder auf, gründete einen lokalen Bildungs- und Unterstützungsver. und nahm aktiv an der Gründung neuer Parteiorganisationen teil. Um 1900 wurde ihm die Rückkehr nach Prag erlaubt, wo er bis 1906 das Gewerkschaftsbl. der tschech. Eisenbahner red. und weiterhin polit. tätig war. Seine Erinnerungen „Ze starých vzpomínek“, 1949, und „K srdci lidu“, 1954, erschienen auf Betreiben seines Sohns Antonín.

Weitere W.: O vzdĕláni lidu, 1876.
L.: AZ, 21. 1. 1912; Dělnické listy, 18. 12. 1916; J. Hannich, Erinnerungen, (1907), S. 31ff., 54f., 60ff.; L. Brügel, Geschichte der österr. Sozialdemokratie 3, 1922, S. 76ff.; E. Strauß, Die Entstehung der dt.böhm. Arbeiterbewegung, 1925, S. 144ff., 185ff.; A. Zapotocky, Neue Kämpfer werden auferstehen, 1951; H. Mommsen, Die Sozialdemokratie und die Nationalitätenfrage im habsburg. Vielvölkerstaat, 1963, S. 60f., 82ff., 94f.; H. Steiner, Die Arbeiterbewegung Österr. 1867–89, 1964, S. 83ff.; K. Miersch, Die Arbeiterpresse der Jahre 1869 bis 1889 als Kampfmittel der österr. Sozialdemokratie, 1969, S. 115, 158, 162; J. Libal, Die Anfänge der tschech.sprachigen Arbeiterpresse in Böhmen und Mähren von 1867 bis 1887, Diss. Wien, 1983; T. Uher, Pohled dělnických vůdců na vývoj dělnického hnutí v českých zemích v letech 1870–90, Bachelorarbeit Praha, 2015; HHStA, Wien.
(Th. Venus)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 16 (Lfg. 72, 2021), S. 436f.
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